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Waffentechnik: Tu-95 – Der alte Bär ist das Rückgrat von Putins Bombenoffensive



Russlands strategischer Luftkrieg basiert auf der Tu-95. 1952 flog der Bomber zum ersten Mal. Heute feuert er Marschflugkörper auf die Ukraine ab.

Die strategischen Luftstreitkräfte der USA und Russlands stützen sich beide auf einen Oldtimer der Lüfte. In den USA ist es der vierstrahlige Bomber B-52, in Russland die Tupolew Tu-95 – von der Nato als "Bear" (Bär) bezeichnet. Beide Maschinen wurden im gleichen Jahr geboren: 1952 hoben sie erstmals ab, wobei die B-52 dem Bären ein halbes Jahr voraus war.

Ursprünglich für den Einsatz von Atombomben entwickelt, nahm ihre Geschichte unterschiedliche Wendungen. Die B-52 wurde aufgrund der Kriege der USA schnell für konventionelle Einsätze umgerüstet und prägte mit ihren Bombenteppichen den Vietnamkrieg. Der Bär hingegen schlummerte im Winterschlaf: Die russischen Maschinen dienten primär der Abschreckung und absolvierten Patrouillenflüge. Erst in den 1980ern wurde die Tu-95 umfassend modernisiert. Heute ist sie das Rückgrat von Putins Bombenkrieg gegen die Ukraine – allerdings nicht mehr mit einfachen Freifallbomben, sondern mit modernen Marschflugkörpern.

Der Bär brummt 

Die Tu-95 ist etwas kleiner als die B-52. Ihr auffälligstes Merkmal sind die vier Kuznetsov-NK-12-Turbopropmotoren, die jeweils zwei gegenläufige Propeller antreiben. Dieser Propellerantrieb begrenzt die Geschwindigkeit auf etwa 925 km/h, macht die Maschine jedoch extrem sparsam. Mit einer Reichweite von bis zu 15.000 km und ihrer Fähigkeit, sich auch in langsamer Marschgeschwindigkeit zu bewegen, kann der Bär lange in der Luft bleiben. Der Preis dafür: Die gewaltigen Motoren sind ohrenbetäubend laut. Man scherzt, dass man kein Radar braucht, um eine Tu-95 zu orten – es reicht, zu lauschen. Ihr markantes Brummen überträgt sich sogar auf getauchte U-Boote.

Die aktuelle Version, die Tu-95MSM, wurde ab 2009 entwickelt und die ersten Maschinen 2016 ausgeliefert. So soll der Bomber bis mindestens 2040 einsatzfähig bleiben – die USA planen sogar, ihre B-52 bis 2050 zu nutzen. Ein Unterschied: Die heute eingesetzten Bären wurden 1982 und 1993 gebaut. Sie stammen also nicht aus den 1950er-Jahren.

 Tu-95 ist ein Waffenträger

Die sparsamer gewordenen modernisierten NK-12MPM-Triebwerke steigern die Reichweite, obwohl externe Waffenpylone für Marschflugkörper den Luftwiderstand erhöhen – im inneren Waffenschacht finden die langen Raketen keinen Platz. Die neuen Motoren verdoppeln zudem die Waffennutzlast: Der Bomber kann bis zu acht Kh-101/Kh-102-Marschflugkörper tragen. Hinzu kommen ein digitales Cockpit, verbessertes Waffenmanagement, ein Novella-NV1.021-Radar und ein GLONASS-kompatibles Navigationssystem. 

Das Meteor-NM2-System schützt die Tu-95MSM vor feindlichem Radar und Raketenbeschuss. Details bleiben geheim, doch es verfügt über eine Frühwarnung, kann Gegner elektronisch stören, setzt Täuschkörper ein und soll anfliegende Raketen mit Lasern blenden können. Stealth-Fähigkeiten besitzt der modernisierte Bär jedoch nicht.

Ziele in der ganzen Ukraine

Die Bewaffnung mit der Kh-101 ermöglicht es Russland seit Kriegsbeginn, Ziele in der gesamten Ukraine aus sicherer Entfernung anzugreifen, während die Bomber weit von der Grenze entfernt operieren. In manchen Nächten sind über zehn Tu-95 gleichzeitig im Einsatz. Die Marschflugkörper erreichen eine Reichweite von bis zu 5000 km. Für den Ukraine-Krieg soll eine Variante mit reduzierter Reichweite, dafür doppelt so schwerem Gefechtskopf entwickelt worden sein. Diese Marschflugkörper können sogar Täuschkörper abfeuern, um feindlicher Luftabwehr zu entgehen. Neben modernen Waffen trägt die Tu-95 auch ältere Marschflugkörper wie die Kh-22 – weniger präzise, aber verfügbar und am Ende ihrer Lebensdauer. Wie viele Raketen, Drohnen oder Marschflugkörper abgefangen werden oder ihre Ziele erreichen, bleibt unklar. Indizien deuten jedoch darauf hin, dass ballistische Raketen wie die Iskander besonders effektiv sind.

Die strategische Luftoffensive setzt der Ukraine zu. Selbst ukrainische Quellen geben an, dass etwa die Hälfte der abgefeuerten Raketen und Marschflugkörper die Ziele treffen. Dazu gibt es Hinweise, dass inzwischen auch ein merklicher Anteil der Billig-Drohnen nach iranischem Baumuster nicht abgefangen wird.

Quellen: Military Watch, Army Recognition, Tupolev

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