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Verhaltensforschung: Neue Studie: Warum schüchterne Mäuse erfolgreicher sind als mutige



Vorteil Schüchternheit: Forscher vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie stellten die Kreativität von Mäusen auf die Probe. Und machten eine interessante Entdeckung. 

Herr Vezyrakis, Sie und Ihr Team haben eine ziemlich überraschende Entdeckung gemacht: Schüchterne Mäuse sind besser darin, Probleme zu lösen als ihre mutigen Artgenossen. Wie kann das sein? 
Ja, wir waren selbst überrascht von den Ergebnissen. Man findet in der Literatur Studien, die eher einen umgekehrten Zusammenhang nahelegen: Mutiges, risikobereites Verhalten von Tieren geht einher mit einer höheren Fähigkeit, Probleme zu lösen. 

Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben für das Experiment eine relativ natürliche Umgebung für die Mäuse aufgebaut. Das war eine Art Scheune, in der sie ein typisches Mäuseleben führten, mit unterschiedlichen Aufgaben. Sie bauten Nester, kümmerten sich um ihre Familien, verteidigten ihr Territorium. Und dann haben wir ihnen einige Probleme gegeben, die sie lösen sollten. 

Welche waren das?
Wir stellten etwa eine Box auf mit einem verschiebbaren Deckel, in der Futter versteckt war. Die Mäuse mussten verschiedene Bewegungen testen, um sie zu öffnen: drücken, ziehen, schubsen. Und man konnte ganz klar beobachten, dass die Mäuse, die sich eher schüchtern verhielten, besser darin waren, herauszufinden, wie sich der Deckel öffnen ließ.  

Schüchternheit als Vorteil

Waren sie geschickter, intelligenter, stärker?
Wir erklären uns ihren Erfolg anders. Wir glauben, er hat etwas mit den unterschiedlichen Prioritäten der Mäuse zu tun. Den Mutigen war es sehr wichtig, ihr Territorium zu verteidigen. Andere kümmerten sich um ihre Familien. Beides sind anstrengende Aufgaben, für die der größte Teil des Tages draufging. Die weniger mutigen Mäuse streunten eher umher, hatten keinen festen Ort, den es zu verteidigen galt. Diese Individuen beschäftigten sich intensiv mit der Box, sie kehrten häufiger zurück, wenn sie den Deckel zunächst nicht öffnen konnten. Sie investierten einfach viel mehr Zeit in die Aufgabe, und das hat sie zum Erfolg geführt.

Die Wagemutigen waren zu beschäftigt, um innovativ zu sein?
Genau. Sie engagierten sich stärker in Situationen, wo es um Konkurrenz und Wettbewerb ging. In jeder Population gibt es Individuen, die besser darin sind, sich durch Konkurrenz Zugang zu Ressourcen zu verschaffen als andere. Die "bad competitors", die schlechten Wettkämpfer, versuchen stattdessen durch Innovationen an Nahrung oder Sexpartner heranzukommen. Sie suchen neue Wege, probieren Sachen aus, die andere nicht ausprobieren. Sie denken "out oft the box". Und sie sind beharrlich.

Sind diese Fähigkeiten angeboren?
Wir haben das Experiment auch in einer eher sterilen Laborumgebung durchgeführt, die nichts mit den chaotischen Lebensbedingungen der Mäuse in der Natur zu tun hatte. Da gab es keine Scheune, keine Nester, keine unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, keine Gelegenheit für Konkurrenz. Und in dieser Umgebung war die Performance der Mäuse gleich. Der innovative Lebensstil hängt also stark vom sozialen Umfeld und dem Engagement ab.

Kann das auch für andere Arten gelten?
Ich glaube, das ist für jede Art anders. Es kommt sehr auf das Sozialgefüge an. Mäuse leben unter enormem Druck. Fast alle Tiere, die sie umgeben, sind potenzielle Räuber. Und für einen Räuber kann ein ganz anderes Verhalten dazu führen, dass er Probleme löst als bei einer Maus, die ständig bedroht wird.

Wie sieht es bei Menschen aus? Sind die schüchternen womöglich erfolgreicher als die abenteuerlustigen?
Ich glaube nicht, dass man das direkt auf Menschen übertragen kann. Aber die Studie zeigt, dass wir anders über solche Dinge nachdenken können. Wir fokussieren uns immer sehr auf die unterschiedlichen Fähigkeiten, die Tiere und auch Menschen haben. Dabei ist die Performance, also die Durchführung einer Aufgabe, mindestens ebenso wichtig für erfolgreiche Innovationen wie die kognitiven Fähigkeiten. 

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