4 hours ago

Ukrainetalk bei "Hart aber fair": Röttgen: Von Frieden "sind wir vielleicht noch eine Generation entfernt"



Der Krieg in der Ukraine wird eines der wichtigsten Themen des begonnenen Wahlkampfes werden. Das wird auch bei "Hart aber fair" klar. Der neue Grünen-Chef Banaszak übt dort laute Kritik am Kurs des Bundeskanzlers.

An diesem Montag hat sich Moderator Louis Klamroth für "Hart aber fair" nicht nur ein spannendes Thema vorgenommen, er hat sich auch spannende Gäste dazu eingeladen. Und so gelingt ihm diesmal etwas, was man in den vergangenen knapp zwei Jahren nur sehr selten erlebt hat: Eine Sendung, die nicht nur spannend ist, sondern die auch perfekt durchgezogen wird. Klamroth ist engagiert, führt die Sendung, hält das Gespräch bis zum Schluss am Laufen, und er berechnet seine Fragen so genau, dass er die Diskussion nicht mittendrin abbrechen muss. Diese Ausgabe von "Hart aber fair" ist ein echtes Highlight.

Los geht es - das ist völlig klar - mit der Diskussion um den Kanzlerkandidaten der SPD. Da ist nun der Käse gegessen, wie man so schön sagt. Sozialdemokrat Ralf Stegner ist da, um den Streit in der SPD zu erklären, mit dem er selbst nicht einverstanden war. "Wir haben einen Kanzler", sagt er, "und der ist international erfahren und durchaus anerkannt im Ausland. Und wir wären schön doof, wenn wir jemand anders aufstellen würden. Aber das sind wir nicht." Und später: "Boris Pistorius ist ein guter Verteidigungsminister, und das wird er auch bleiben." Die SPD werde unterschätzt, man werde das Ruder noch herumreißen. Man kennt das mittlerweile. Das eigentliche Thema ist ohnehin der Krieg in der Ukraine.

Frieden und der Wahlkampf

Die Frage des Friedens wird diesen Wahlkampf mitbestimmen. Da sind sich die Gäste weitgehend einig, die fast das ganze demokratische Spektrum abbilden, angefangen von CDU-Außenexperte Norbert Röttgen, über den neuen Co-Vorsitzenden der Grünen, Felix Banaszak, bis hin zur neuen Linken-Co-Parteichefin, Ines Schwerdtner. Denn völlig unklar ist, wie sich der gewählte amerikanische Präsident Donald Trump nach seiner Amtsinführung am 20. Januar verhalten wird.

Er habe Kommentare am Wochenende gelesen, in denen behauptet worden sei, über Frieden im Wahlkampf zu reden, sei gefährlich, sagt Stegner. "Das ist nicht gefährlich, und es wird in der Tat so kommen. Und die Leute werden sich fragen: Wollen wir lieber einen Bundeskanzler haben, der gezeigt hat, dass er auch in einer so schwierigen Situation besonnen und zurückhaltend ist, oder wollen wir jemanden haben, der noch nicht mal eine Kreisverwaltung im Sauerland geleitet hat, und der sagt, welche Waffen hermüssen."

Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff sieht in diesem Zusammenhang den Erfolg von AfD und BSW voraus. "Das liegt daran, dass nicht nur die SPD, sondern auch die anderen großen Parteien den Friedensbegriff liegen gelassen haben. Sie haben kaum dazu gesprochen, sie haben vor allen Dingen kaum Konzepte entwickelt, wie das aussehen sollte. Und das ist die Ernte, die man jetzt heimfährt, dass man nicht mehr als vertrauenswürdig wahrgenommen wird."

Darüber ist der CDU-Außenpolitiker Röttgen ziemlich verärgert. Deitelhoff liege falsch, sagt er. Putin führe einen Krieg vor allem gegen Zivilisten. "Die beiden Parteien, die die Lobbyisten dieses Kriegstreibers sind, sind die Parteien AfD und BSW. Und dass hier irgendeiner in Deutschland die Meinung hat, dass diese beiden Parteien Friedensparteien sind, ist eine echte Ungeheuerlichkeit, von der ich glaube, dass sie mit der Realität in Deutschland nichts zu tun hat. Frieden haben wir noch nicht, wenn dieser Krieg beendet ist. Frieden werden wir in Europa erst haben, wenn wir ein postimperiales Russland haben. Dann haben wir wieder die Chance auf Frieden, nämlich dass jedes Land in Europa davon absieht, das andere Land überfallen und beherrschen zu wollen. Davon sind wir vielleicht noch eine Generation entfernt." Man müsse sich fragen, mit welchen Mitteln man den schrecklichen Zerstörungs- und Vernichtungskrieg Putins gegen die Ukraine beenden könne. "Da ist meine und unsere Auffassung, dass der Weg zur Beendigung des Krieges ist, der Ukraine dabei zu helfen, dass sie sich verteidigen kann."

In den vergangenen Wochen sei es in den Reden und Statements der demokratischen Parteien eben nicht um Frieden gegangen, pariert Deitelhoff. "Jetzt geht es darum, was ein ernsthaftes Friedenskonzept bedeutet, damit wir es eben nicht BSW und AfD überlassen."

So ein Friedenskonzept haben die Grünen, hört man dem neuen Partei-Co-Vorsitzenden Banaszak zu. Der macht im Laufe der Sendung klar, wie nahe die Grünen in der Außenpolitik bei der Union sind. Er fordert eine wirklich konsequente Unterstützung der Ukraine. Was bisher geschehen sei, sei eine Unterstützung mit Handbremse gewesen. Und dann distanziert sich der Grünen-Co-Chef plötzlich sehr eindeutig von der bisherigen Politik des Bundeskanzlers: "Der Frieden entsteht nicht, indem man sich vor einem imperialen Aggressor in den Staub wirft und so tut, als wäre Besonnenheit, sich möglichst nicht zu positionieren, sich möglichst zurückzuziehen." Putin brauche jetzt die klare Reaktion, "dass dieses gewaltsame Verschieben von Staatsgrenzen, diese Brutalität, dieses Töten von Menschen oder das Verschleppen von Kindern auch mal Konsequenzen hat." Im Laufe der Sendung spricht sich der Grünen-Politiker eindeutig für Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Nur Taurus-Lieferungen werde seine Partei nicht zustimmen, jedoch nur, solange sie noch in der Bundesregierung sei. Nach den Wahlen werde man sehen.

Mehr zum Thema

Auf Frieden in der Ukraine setzt auch Ines Schwerdtner. Sie ist die neue Co-Vorsitzende der Linken. Schwerdtner fordert Friedensverhandlungen, denn entsprechende Konzepte lägen vor: Von China und Brasilien. "Gemeinsam mit internationalen Partnern könnte man realen Druck auf Putin ausüben", sagt sie, "Nicht nur mit Waffen, sondern auch über die internationale Gemeinschaft." Damit spricht sie der Mehrheit der Bundesbürger aus dem Herzen. In Umfragen haben sich zum Beispiel 60 Prozent der Befragten gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgesprochen.

Ukrainekrieg und Trump

"Wir wissen nicht, was Trump tut, und die Ukraine weiß nicht, was Trump tut", sagt Röttgen. Der CDU-Politiker fürchtet jedoch, die USA werden die Unterstützung für die Ukraine einstellen. "Europa wird nicht in der Lage sein, das kurzfristig in irgendeiner Weise zu kompensieren", fügt er hinzu. Jetzt gehe es darum, die Ukraine so stark zu machen, dass sie bei möglichen Friedensgesprächen nicht zu viel Schaden nähme.

Das dürfte jedoch bis Weihnachten schwer möglich sein. Konfliktforscherin Deitelhoff weiß das. "Wenn die US-Unterstützung wirklich wegfallen wird, wird für die Ukraine eine Lage eintreten, in der sie sich mittelfristig nicht wird behaupten können", sagt die Wissenschaftlerin.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen

© Varient 2024. All rights are reserved