Die folgende Geschichte hat sich genau so vor knapp 21 Jahren zugetragen. Da das schon etwas her ist, bitte ich zu entschuldigen, wenn einige Daten nicht ganz korrekt sind. Ich habe aber recherchiert, um möglichst alles so akkurat wie möglich darzustellen. Leider vergisst das Internet doch so manches.
Prolog
Wir alle sind anfällig für Nostalgie, gerade hat es meine Tochter erwischt, die alle Facetten der 80er und 90er durchwühlt. Die Begeisterung für das "Alte" kann ich mittlerweile aber nicht mehr nachvollziehen. Vielleicht hatte ich einen Retro-Overkill. Vielleicht bin ich einfach satt. Gerade wenn es um IT und Technik geht, gehe ich doch lieber mit neueren Standards.
Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht gerne zurückblicke – Revue passieren lasse.
Ich kann mich noch gut an meinen ersten PC erinnern. Ein 900 MHz AMD werkelte darin und eine Riva TNT 2.
Auf dieser Teufelsmaschine konnte man damals alles zocken. Alles im Leben hat aber einen Haken, und so hatte ihn auch dieser PC. Der Bruder eines Freundes hatte die Einzelteile gekauft, alles zusammengebaut und Windows Me darauf installiert.
Gaming ist ja nur ein Aspekt, wenn es um die Nutzung eines PCs geht. Das Arbeiten auf dem Desktop muss auch reibungslos vonstattengehen. Das war mit Me kaum möglich. Wenn du ein kleiner Stöpsel von 12 Jahren bist und auf einmal der Desktop milchig weiß wird und gar nichts mehr geht, bekommst du auch mal mit der Angst zu tun. Besonders, wenn das öfter vorkommt.
Readme
Bald nach der Veröffentlichung jedoch kippte die Meinung stark ins Negative, denn zahlreiche Fehler im Betriebssystem brachten Windows Me einen schlechten Ruf ein. Bereits am Tag der Veröffentlichung wurde eine Sicherheitslücke bekannt, durch die Windows Me zum Absturz gebracht werden konnte.Vor allem Instabilität und Kompatibilitätsprobleme mit Anwendungen und Treibern sorgten für Unmut bei den Anwendern. Aber auch neue Funktionen von Windows Me waren von den Fehlern betroffen; die Systemwiederherstellung etwa stellte aufgrund eines Fehlers ihren Dienst nach dem 8. September 2001 ein, sodass neuere Wiederherstellungspunkte nicht mehr funktionierten. |
Und dann kam XP
Ein paar Jährchen gingen ins Land und ich hatte mir meine Sporen verdient. Mittlerweile hatten wir sogar Internet im Haus und ich musste mir nicht mehr irgendeine PC-Zeitschrift kaufen, nur weil da die neueste Version von Winamp darauf war. Das ging jetzt per Download.
Auch mein PC hatte sich verändert. Zu meinem Geburtstag bekam ich einen AMD Athlon64 , passendes Mainboard, 512 MB RAM und eine Geforce 4 Ti 4200.
Auf dieser Teufelsmaschine konnte man damals alles zocken. Aber alles im Leben hat einen Haken, und so hatte ihn auch dieser PC.
Ich könnte beim besten Willen nicht mehr wiedergeben, wie oft ich innerhalb eines Jahres Windows XP neu installiert habe. - Ich glaube, der längste Zeitraum betrug drei Monate. Daran konnte kein Service-Pack und kein Update etwas ändern.
Digital Adopter
Wie gesagt, wir hatten mittlerweile Internet, aber "DAS INTERNET" war früher nicht so allwissend und aktuell wie heute. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der man sich mittels Büchern und Fachzeitschriften in Papierform informierte.
Einmal im Monat war es also meine mir selbst auferlegte Pflicht, mich auf den Weg zum Supermarkt zu machen und mir eine neue PC-Zeitschrift zu kaufen, um mich weiterzubilden. Der Zwei-Liter-Humpen Eistee ging dann auch mit über die Kasse.
Dieses Mal war aber alles anders. Die GameStar hatte mir meine Mutter aus ihrer großen Güte heraus mitgebracht, ohne das Geld zurückzuverlangen. Dennoch stand ich vor der Zeitschriftauslage.
Da war diese Zeitschrift namens EasyLinux. Der Aufmacher sagte "Starter-Kit: SuseLinux".
Von Linux hatte ich schon mal hier und da gehört, aber so richtig in Berührung damit kamen Normalsterbliche in dieser Dekade nicht.
Da ich wirklich schon in meinen jungen Jahren von Windows gefrustet war, nahm ich das Heft mit nach Hause.
Es steckte in einem festen, durchsichtigen Plastikmantel zusammen mit einer weißen DVD-Hülle. Optisch machte es auf jeden Fall was her.
Der Inhalt des Heftes war aber noch viel besser. Es wurde alles erklärt, von vorne bis hinten. Das könnt ihr euch wahrscheinlich gar nicht vorstellen, aber dieses Heft bot eine genaue Anleitung, wie man unter Suse einen Druckertreiber installiert – eine Aufgabe, an der heutzutage selbst unsere schlausten Tuxer scheitern.
Dieses Heft hat mich abgehärtet. Die Installation des Nvidia-Treibers wurde auch detailliert beschrieben, allerdings musste man dazu einen ellenlangen "wget"-Befehl aus dem Heft abtippen.
https://betawiki.net/images/8/87/Suse9kdedesktop.png
Suse sah damals aus wie eine auf Hochglanz polierte Süßigkeitenabteilung, und es hat Spaß gemacht, sich damit auseinanderzusetzen. Das große Problem war jedoch, dass ich, wie auch heute noch, sehr gerne am PC zockte. Da ich nur zufällig ein einziges Spiel besaß, das einen Linux-Installer mitbrachte, legte ich mein Suse-Experiment nach ein bis zwei Monaten wieder auf Eis.
Readme Im November 2003 übernahm Novell die SUSE Linux GmbH und änderte den Namen der Distribution ab Version 9.1 von S.u.S.E. zu SUSE. Die Übernahme brachte wichtige Neuerungen wie die Möglichkeit der Internetinstallation über FTP, Unterstützung für 64-Bit-Systeme und die Freigabe von YaST unter der GNU General Public License. Zudem legte Novell mehr Wert auf den Gnome-Desktop, der nun gleichberechtigt neben dem K Desktop Environment als Desktop-Umgebung angeboten wurde. Am Mittwoch, dem 15. Oktober 2003, wurde SUSE Linux 9.0 veröffentlicht. Es war die letzte Version von SUSE Linux vor der Übernahme durch Novell. SUSE Linux 9.0 enthielt Unterstützung für Samba und die Systemprofil-Konfiguration in YaST. Am 23. April 2004 wurde es von SUSE Linux 9.1 abgelöst. SUSE Linux 9.0 erreichte sein Lebensende am 15. Oktober 2005, ist aber weiterhin über eine FTP-Installation und Live-Evaluations-Discs verfügbar. Die vorherige Version war SuSE Linux 8.2. Wikipedia, openSUSE Wiki |
Das Schicksal ist meinem Know-How nicht gewachsen
Ein halbes Jahr später war ich in der 9. Klasse und wir sollten zum ersten Mal überhaupt für den Gesellschaftslehre-Unterricht eine Info-Mappe über ein uns zugewiesenes Land mithilfe eines PCs zusammenstellen. Mir wurde Russland zugewiesen. Damals war ich, gelinde gesagt, stinkfaul und wenig ambitioniert, meine PC-Kenntnisse auf diese Weise einzusetzen. Wir durften nicht mal Google nutzen. Uns wurde gedroht, dass Zeile für Zeile unserer Texte im Internet abgeglichen würden. Gut, dass einen Monat vorher in der Chip ein Microsoft-Encarter-Clone enthalten war, der so unbekannt schien, dass ich mein Glück kaum fassen konnte. Die Enzyklopädie enthielt eine volle Geschichte Russlands. Ich baute hier und da ein paar Rechtschreibfehler ein und versah die Seiten mit Bildern und Titeln.
Am Abend vor der Abgabe wollte ich mein Meisterwerk noch perfektionieren und dann final drucken. Es kam aber, wie es kommen musste: Der Drucker gab nur eine Fehlermeldung aus. Ich war mittlerweile wieder auf Windows XP. So etwas ist schon öfter passiert, also habe ich versucht, den Treiber neu zu installieren. Das brachte jedoch gar nichts. Auch das Wiederherstellen eines Rücksetz-Punktes führte zu keinem Erfolg. Es war mittlerweile 0 Uhr und in 8 Stunden musste ich die Mappe abgeben und hatte keine Windows-CD zur Neuinstallation zur Hand.
Manchmal glaube ich ja an Karma. Vielleicht wollte mich das Universum ja bestrafen dafür, dass ich mit voller Absicht schummeln wollte.
Da erinnerte ich mich, dass auf der Kommode hinter mir ja die EasyLinux-Zeitschrift lag und irgendwo zwischen den Ballerspielen musste auch die SuseLinux-CD sein.
Ich trug beides zusammen und machte mich ans Werk. Es war gegen 2 Uhr, als ich ein funktionierendes KDE vor mir hatte. Ein Testdruck ließ mich beruhigt, langsam und lange ausatmen. Nachdem ich dann feststellen musste, dass ich das Dokument mit der Schriftart Arial verfasst hatte, verging nochmal eine Stunde, um das Layout wieder einigermaßen geradezurücken.
Dann um 3 Uhr lag neben meiner Tastatur endlich eine rote Mappe mit knapp 23 Seiten.
Seit dieser Nacht bin ich EasyLinux und Suse unendlich dankbar, von Linux überzeugt und begeistert.
Ach ja, und auf die Mappe gab es die Note 2. Es waren wohl zu viele Rechtschreibfehler.
Quellen
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