Der Fall um die Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker Gelbhaar ist verworren. Dazu beigetragen hat womöglich auch der RBB. Der Sender gesteht Fehler bei seiner Recherche ein. Journalistische Standards seien nicht eingehalten worden. Auch Gelbhaar geht in die Offensive.
Der RBB räumt Fehler in der Recherche zu Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar ein. "Uns ist als RBB in der Recherche ein Fehler unterlaufen. Journalistische Standards sind nicht vollumfänglich eingehalten worden", sagte der Chefredakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Berlin-Brandenburg, David Biesinger, auf Anfrage von RTL/ntv.
Der RBB-Chefredakteur ergänzte, die hinter der eidesstattlichen Versicherung liegende Identität sei von der Redaktion nicht ausreichend überprüft worden. Details wurden nicht genannt. Der RBB selbst hegte im Laufe der Berichterstattung Zweifel, dass die Person, die dem Sender gegenüber wesentliche Vorwürfe gegen Gelbhaar vorbrachte, überhaupt existiert.
Biesinger sprach auch von einer betrügerischen Absicht und einer kriminellen Energie, mit der dem RBB unter großem Aufwand eine falsche Identität vorgespielt worden sei. Laut RBB wurde gegen die Person Strafanzeige gestellt, die die falschen Erklärungen abgegeben haben soll.
Biesinger stellt zudem klar, dass Journalisten des RBB in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hätten, "dass sie mit Fehlern des eigenen Hauses journalistisch und transparent umgehen". Das gelte selbstverständlich auch für den Fall, wenn die Sorgfalt der Arbeit der Redaktion in Frage steht. Im Folgenden listet er den Umgang des RBB auf, nachdem dieser Zweifel an der Existenz von Anne K. bekam.
Der RBB habe demnach "transparent über die offenbar nichtexistierende Anne K. berichtet". Die verantwortliche Redaktion habe sich "in einem journalistisch geführten, kritischen Interview gestellt, unter anderem in unserer Hauptnachrichtensendung". Der Sender habe "alle auf den Aussagen von Frau K. beruhenden Berichte von der Website genommen". Zudem habe die Rundfunkanstalt "Strafanzeige gegen die Person gestellt, die nach unseren Recherchen die falschen Erklärungen abgegeben hat".
Der RBB betonte weiter in der Erklärung: "Einige der Fragen, die nun im Raum stehen, stellen sich auch für den RBB selbst. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen." Der ARD-Sender versicherte außerdem: "Derzeit analysiert der RBB den Ablauf detailliert und wird notwendige Ableitungen der Nichteinhaltung journalistischer Standards für die Zukunft daraus ziehen."
Gelbhaar erstattet Anzeige
Am Freitagabend hatte die Rundfunkanstalt bekannt gegeben, dass sie einen Teil ihrer Berichterstattung zurückzieht. Es kamen demnach Zweifel an der Identität einer der Frauen auf, die per eidesstattlicher Versicherung dem Sender Angaben gemacht haben sollen. Der "Tagesspiegel" hatte bereits Tage zuvor über Zweifel berichtet.
Bei dem Fall geht es um den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar. Er ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und hatte bei der Wahl 2021 das Direktmandat gewonnen. Seine Kandidatur für einen Platz auf der Landesliste der Berliner Grünen für die Bundestagswahl im Februar hatte er Mitte Dezember kurzfristig zurückgezogen und das mit Vorwürfen gegen ihn begründet, ohne dabei konkreter zu werden. "Die Vorwürfe sind gelogen", hatte er erklärt. Bei dem Vorgang müsse es sich "um eine in Teilen geplante Aktion" handeln, mit dem Ziel, ihn massiv zu diskreditieren.
Gelbhaar selbst hat mittlerweile Anzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung gestellt. Das teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin auf Anfrage der dpa mit. Anzeigen gegen Gelbhaar liegen in diesem Zusammenhang dagegen nicht vor, sagte der Sprecher.