
Mit Blick auf die künftige Asylpolitik melden sich viele Politiker zu Wort - nun auch der Chef des zuständigen Bundesamts, Sommer. Und wie. Der CSU-Politiker fordert ein Ende des individuellen Asylrechts und mehr humanitäre Aufnahmen. Selbst die sind in seiner Partei aber umstritten.
Um eine nachhaltige Steuerung und Begrenzung der Migration zu erreichen, ist nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, ein radikaler Kurswechsel nötig. Es sei falsch, am individuellen Asylrecht festzuhalten und auf positive Effekte der beschlossenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu hoffen, sagte Sommer in einer Rede vor Teilnehmern einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Zukunft des Asylrechts.
Sinnvoller wäre es nach seinen Worten, das aktuelle System durch humanitäre Aufnahmen "in beachtlicher Höhe" zu ersetzen. Neben humanitären Gesichtspunkten könne hier auch die Integrationsfähigkeit des Arbeitsmarktes eine Rolle spielen. Wer dennoch unerlaubt nach Deutschland einreise, hätte dann keine Aussicht mehr auf ein Bleiberecht. Sommer schwebt ein Modell wie in Kanada vor.
Sommer will "alte Denkschemata" ablegen
"Politik kann vieles, wenn sie nur will", sagte Sommer auf die Frage einer Teilnehmerin zur Umsetzbarkeit seines Vorschlags. Schließlich hätten sich zuletzt auch die Mehrheitsverhältnisse auf europäischer Ebene geändert. Auch internationale Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention könnten geändert werden. Man müsse sich "aus alten Denkschemata befreien", forderte Sommer. Mit Blick auf den Aufstieg populistischer und rechtsextremer Parteien in Europa dürfe man nicht ausblenden, dass der demokratische Rechtsstaat "an diesem Thema auch zugrunde gehen kann".
Sommer betonte, seinen Vortrag halte er nicht als Bamf-Präsident. Es gehe ihm vielmehr darum, seine "persönliche Einschätzung" und eine Zusammenfassung seiner Erfahrungen zu präsentieren. Tatsächlich ist Sommer nicht nur Bamf-Präsident, sondern auch CSU-Politiker. Die CSU tritt wie die Schwesterpartei CDU für eine deutlich schärfere Migrationspolitik in Deutschland ein. Partei-Chef Markus Söder hatte Ende des Vorjahres ebenfalls das Grundrecht auf Asyl in Frage gestellt.
"Schutz der Grenzen" zeige Hilflosigkeit
Das aktuelle europäische System sei zynisch, sagte er. Es ziehe vor allem junge Männer aus der Mittelschicht an, während Frauen, Kranke und Familien oftmals keine Chance hätten, nach Europa zu gelangen. Die Forderung nach "Schutz der Grenzen" offenbare nur Hilflosigkeit. Die von einigen Politikern als Maßnahme zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland vorgeschlagene Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ist aus Sicht von Sommer "keine realistische Option". Sommer will laut "Stern", dass Schutzsuchende aus dem Ausland künftig nur noch eingeflogen werden. "Wir würden damit das Geschäft der Schlepper weitgehend austrocknen." Deutschland und die EU finanzierten weltweit Schlepper mit. Dazu würde man sich mit rechtsstaatlich bedenklichen Regierungen wie Libyen einlassen, damit diese Flüchtlinge von Europa fernhielten.
Tatsächlich differenzieren CDU und CSU kaum bei der Aufnahme von Männern, Frauen und Kindern. Im Wahlkampf war immer wieder von der pauschalen Abweisung Geflüchteter an deutschen Grenzen die Rede. Zudem fordert Sommers Partei etwa die Beendigung des Aufnahme-Programms für Afghanen. Dort lebenden Menschen, deren Leben durch die radikalislamistische Taliban bedroht ist, bot die Ampel-Regierung die Aufnahme in Deutschland an.
Nachdem zwei Flüge mit Menschen aus Afghanistan in Deutschland landeten, kritisierte dies etwa CSU-Politikerin Andrea Lindholz als "ungeheuerlicher Vorgang". Zudem behauptete sie, dass "in einem intransparenten Verfahren [...] Personen ausgewählt [würden], deren Identitäten sich offenbar schon als falsch erwiesen haben". Diese Feststellung hatte Jan Böhmermann kürzlich in einer Folge des "ZDF Magazin Royale" als fragwürdig entlarvt. Weiteren 2800 Menschen aus Afghanistan hat die alte Bundesregierung die Aufnahme in Deutschland noch versprochen.
In Deutschland stellten 2024 insgesamt 229.751 Menschen erstmals einen Asylantrag. Hinzu kamen 21.194 Asylfolgeanträge. Die Zahl der Erstanträge ging im Vergleich zum Vorjahr um 30,2 Prozent zurück. Eine Hauptursache für diesen Rückgang sei, dass Serbien im November 2023 die Route nach Ungarn faktisch gesperrt habe, sagte Sommer.
Er wolle sich zwar nicht auf eine Obergrenze bei der Zahl von Flüchtlingen festlegen, aber es gebe gesellschaftliche Kipppunkte. "Verantwortliche Politik spürt, wann der Kipppunkt erreicht ist", sagte Sommer laut "Stern". "Er ist erreicht." Viele Kommunen seien über ihr Limit hinaus gegangen, die Zahl der Flüchtlinge vor allem wegen der Schließung der Balkanroute durch Serbien gesunken. "Ich bin nicht allzu hoffnungsfroh, dass das so bleibt."