Wie findet man heraus, ob jemand wenig emotionale Intelligenz aufweist – einen geringen EQ, also Emotionalen Quotienten, hat? Ein renommierter Psychologe erklärt, welche Merkmale Betroffene fast immer aufweisen.
Wer über eine hohe emotionale Intelligenz verfügt, hat einen recht problemlosen Alltag: Gespräche mit Anderen verlaufen angenehm, man wird als sympathisch wahrgenommen und findet andere schnell sympathisch. Emotional intelligente Menschen fallen nicht unangenehm auf. Anders sieht das für Menschen mit einem niedrigen EQ, dem sogenanntem Emotionalen Quotienten, aus: Sie ecken regelmäßig an, wirken auf andere schroff oder gar gemein. Das Pflegen von Freundschaften oder Beziehungen fällt ihnen schwer. Immer wieder erhalten sie von ihren Mitmenschen negatives Feedback.
Der Emotionale Quotient hat – anders als sein "Kollege", der bekanntere IQ – nichts mit klassischer Intelligenz zu tun. Vielmehr sagt er aus, wie sehr jemand in Kontakt mit seinen eigenen Emotionen steht, und wie sensibel seine Antennen für die Gefühle anderer Menschen sind. Woran man erkennt, ob jemand einen niedrigen EQ hat, hat der renommierte US-Psychologe Daniel Goleman in seinem Buch "Soziale Intelligenz" aufgezeigt. Es sind besonders vier Merkmale, die bei Betroffenen zusammenkommen:
Menschen mit wenig emotionaler Intelligenz hören selten aufmerksam zu
Menschen mit einem hohen EQ sind empathisch, können sich in andere hineinfühlen und interessieren sich für ihre Mitmenschen. Das ist bei jemandem mit einem eher niedrigen EQ anders: Das ehrliche Interesse an anderen fehlt dann, wichtig ist eher das eigene Wohlergehen. Entsprechend wenig Geduld haben solche Menschen somit, wenn ihnen jemand etwas erzählt, das länger als ein paar Minuten dauert. Selbst dann, wenn es wirklich wichtig ist. Statt aufmerksam zuzuhören, schweift jemand dann sichtlich ab, schaut aufs Handy, seufzt oder verdreht gar die Augen. In jedem Fall wird das Gegenüber das Gefühl haben, dass das Gesagte demjenigen nicht wichtig war.
Menschen mit wenig emotionaler Intelligenz sind extrem empfindlich
Im Zweifel für den Angeklagten? Diese Sichtweise fällt Menschen mit niedrigem EQ schwer. Sie fühlen sich sofort angegriffen und beleidigt, wenn andere einmal nicht ihrer Meinung oder mit ihrer Arbeit nicht zu hundert Prozent zufrieden sind. Verbesserungsvorschläge fühlen sich für sie an wie Kritik. Dazu kommt, dass sie sich nur schwer vorstellen können, dass nicht jeder aus den gleichen Motiven handelt wie sie selbst, oder jemand auf Dinge anders reagiert als sie es tun würden. Auch hier ist das fehlende Einfühlungsvermögen in andere die Ursache des Problems. Die Folge: Statt grundsätzlich erst einmal davon auszugehen, dass ihr Umfeld ihnen freundlich begegnet – oder zumindest neutral –, unterstellen emotional weniger intelligente Menschen anderen oft direkt, ihnen Böses zu wollen. Entsprechend explosiv reagieren sie dann auf vermeintliche Attacken.
Menschen mit wenig emotionaler Intelligenz haben niemals selbst Schuld
Wenn Menschen mit geringer emotionaler Intelligenz ihr eigenes Handeln reflektieren, erscheint ihnen alles, was sie tun und sagen, richtig und sinnvoll. Das hat aber leider nichts mit einem gesunden Selbstbewusstsein zu tun. Vielmehr fehlt ihnen das Talent, sich selbst als Teil einer Gruppe zu sehen, sei es ein Kollegenkreis, eine Freundesclique oder eine Familie. Geht etwas schief, dann haben sie nach ihrer Wahrnehmung selbst stets absolut korrekt gehandelt – und übersehen dabei vielleicht Missverständnisse, unbemerkte Affronts, oder die verletzten Gefühle anderer. Schuld an bestehenden Problemen muss dieser Logik zufolge jemand anders haben. Wenn jemand also regelmäßig von zerbrochenen Beziehungen zu anderen Menschen erzählt, aber scheinbar nie selbst dazu beigetragen hat, dann könnte das ein Hinweis auf einen eher niedrigen EQ sein.
Menschen mit wenig emotionaler Intelligenz überschreiten regelmäßig Grenzen
Heute möchte man am liebsten den ganzen Tag auf der Couch dösen, morgen voller Enthusiasmus Sport machen und abends noch tanzen gehen. Heute verzieht man beim Gedanken an Brokkoli-Auflauf das Gesicht, morgen klingt das hingegen köstlich. Das ist ganz normal, denn wir Menschen ändern permanent unsere Stimmung, unsere Meinung und unser Verhalten. So passen wir uns an neue Gegebenheiten an. Genau das ist für Menschen mit geringer emotionaler Intelligenz aber schwer zu verstehen: Sie sind weniger flexibel, verhalten sich selbst meist recht vorhersehbar und sind Fans von Routinen. Ihnen fällt schwer, zu verstehen, warum ein Gag in bestimmten Situationen nicht angebracht ist, wenn er in anderen für laute Lacher gesorgt hat. Oder warum man eine berufliche Ansage nicht machen sollte, wenn der entsprechende Kollege ohnehin einen schlechten Tag hat. Für andere fühlt sich das stets wie eine grobe Grenzüberschreitung an.
Ich fühle mich angesprochen. Was nun?
Ein geringer EQ ist kein Charakterfehler, das ist wichtig – also kein Grund, sich zu schämen. Jeder von uns wird schlicht mit einer anderen Persönlichkeitszusammensetzung geboren. Wie auch Psychologe Daniel Goleman in seinem Buch schreibt, kann man seine emotionale Intelligenz trainieren. Das erfordert allerdings Arbeit: etwa für geraume Zeit nicht nur das eigene Verhalten und die eigenen Gefühle wahrzunehmen, sondern sehr bewusst auf seine Mitmenschen, deren Verhalten und deren Reaktionen zu achten.
Es kann auch helfen, sich aus der eigenen Komfortzone heraus in ein möglichst unbekanntes Umfeld zu begeben, um einmal einen neuen Blick auf die Welt zu bekommen. Vielleicht in ein unbekannten Land reisen, oder schlicht einen Kurs belegen, und zwar zu einem Thema, von dem man zuvor so gar keine Ahnung hatte. Zudem gibt es Therapeuten und Coaches, die Betroffenen auf dem Weg zu mehr emotionaler Intelligenz helfen können.