Benjamin Netanjahu ist in Ungarn trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshof willkommen: Regierungschef Viktor Orban will seinen israelischen Kollegen empfangen.
Einen Tag nach dem Erlass eines internationalen Haftbefehls gegen Benjamin Netanjahu hat der israelische Ministerpräsident eine Regierungseinladung nach Ungarn erhalten. Ministerpräsident Viktor Orban sagte am Freitag im ungarischen Rundfunk, er lade Netanjahu ein und garantiere, dass der Haftbefehl nicht vollstreckt werde. Der Haftbefehl sei "falsch". Netanjahu könne in Ungarn "in angemessener Sicherheit" Verhandlungen führen. Ungarn hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte Netanjahu am Donnerstag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen zur Fahndung ausgeschrieben. Israel reagierte empört, die Reaktionen in westlichen Staaten fielen uneinheitlich aus.
Der IStGH hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen, und ist deshalb auf die Kooperation der 124 Mitgliedstaaten angewiesen. Weder Israel noch sein wichtigster Verbündeter, die USA, sind Mitglied des IStGH. ICC Haftbefehl Netanjahu Analyse 20.15
USA lehnen Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshof ab
Die USA lehnten die Haftbefehle grundsätzlich ab, aus Deutschland gab es zunächst keine Stellungnahme. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, forderte, die Gerichtsentscheidung müsse respektiert und umgesetzt werden. Die Niederlande erklärten sich dazu bereit. Ungarn hält derzeit turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft. Der nationalkonservative Orban ist in der EU bereits wiederholt mit Alleingängen in die Kritik geraten, vor allem in Richtung Russland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg hat sich Ungarn stark für Israel eingesetzt.
Netanjahu weist Anschuldigungen "mit Abscheu zurück"
Haftbefehle des IStGH gab es auch gegen den früheren israelischen Verteidigungsminister Joaw Gallant und den Hamas-Anführer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri. Der Strafgerichtshof sieht den Vorwurf begründet, dass Netanjahu und Gallant als Vorgesetzte strafrechtlich verantwortlich für vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung und damit für Kriegsverbrechen im Gazastreifen verantwortlich sind. Die Ermittler legen beiden Männern Aushungern, Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen als Mittel der Kriegsführung zur Last. Ähnlich lauten die Anschuldigungen gegen Al-Masri, einen Anführer der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas. Allerdings ist unklar, ob er noch am Leben ist. Israel hatte im August erklärt, den Hamas-Militärchef im Gazastreifen getötet zu haben.
Das Büro von Netanjahu nannte die Haftbefehle antisemitisch. "Israel weist die absurden und falschen Maßnahmen des IStGH (...) mit Abscheu zurück", ließ der Regierungschef mitteilen. Der zahnlose Tiger: Vier Gründe, warum der Internationale Gerichtshof mehr Schein als Sein ist 8:00
Der Krieg im Gazastreifen wurde am 7. Oktober 2023 durch den Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel ausgelöst, bei dem nach israelischen Angaben 1206 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln genommen worden waren. Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mindestens 44.056 Menschen getötet.