Die Messerattacke in Aschaffenburg platzt mitten in den Wahlkampf. Die Presse kommentiert die politische Bedeutung der Tat – und kreidet dem Bundeskanzler Fehler an.
Wieder einmal erschüttert eine Messerattacke Deutschland. In Aschaffenburg hat ein Mann in einem Park einen zweijährigen Jungen sowie einen 41-jährigen Mann getötet und zwei weitere Menschen schwer verletzt. Der Tatverdächtige wurde festgenommen, es handelt sich um einen 28-Jährigen mit afghanischer Staatsangehörigkeit. Laut Bayerns Innenminister war der mutmaßliche Täter ausreisepflichtig.MP Voigt Staatsbürgerschaft 18.20
Einen Monat vor der Bundestagswahl platzt die Tat mitten in den Wahlkampf. Zahlreiche Politiker meldeten sich zu Wort und forderten Konsequenzen. Insbesondere die Migrationsdebatte rückt erneut in den Fokus. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz forderte "politische klare Antworten". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte mit: "Wir werden diesen Fall schnell aufklären und die nötigen Konsequenzen ziehen. Jetzt." Auch in der Presse richtet sich der Blick auf die politischen Folgen der Tat.
So kommentiert die Presse die Bluttat von Aschaffenburg
"Focus": "Olaf Scholz hatte über drei Jahre hinweg die Chance zu handeln. Auch gestern flüchtete er sich in den Stehsatz seiner Beileidserklärungen. In dieser Situation kommt es auf den Kanzler in spe an. Sein Ahrtal-Moment spielt in Aschaffenburg. Friedrich Merz kann sich – wie Scholz – durch floskelhafte Anteilnahme aus der Affäre ziehen oder das zeigen, was Armin Laschet nach der Ahrtal-Katastrophe im Juli 2021, zehn Wochen vor der Wahl, nach Ansicht der Wähler nicht gezeigt hat: Leadership."
"Tages-Anzeiger": "Immer mehr Deutsche wünschen sich radikale Lösungen, um das Problem, wie sie glauben, an der Wurzel zu packen. Das Thema Migration und Asyl wird nun für viele Bürgerinnen und Bürger noch wichtiger werden, als es das nach der Amokfahrt von Magdeburg schon war. Die AfD, die die radikalsten Lösungen verspricht, die Abschiebungspläne von Donald Trump in den USA als Vorbild versteht und in den Umfragen jetzt schon zweitstärkste Partei ist, kann sich freuen."
"Augsburger Allgemeine": "Olaf Scholz hat Recht: Man ist es leid, dass sich alle paar Wochen solche Gewalttaten ereignen. 'Von Tätern, die eigentlich zu uns gekommen sind, um hier Schutz zu finden', wie der Kanzler sagt. Besser als markige Worte wären allerdings entschiedene Taten. Sie sind überfällig. Für die Sicherheit aller Menschen hier im Land."
"Bild": "Das ist das Ergebnis heimatfremder Politik. Unsere Politiker, zu deren ersten Staatspflichten die innere Sicherheit gehört, flüchten sich in Weltdebatten – und schaffen ihre Hausaufgaben nicht. Unser Staat ermöglichte die Tat. Wer in diesem Land Kanzler werden will, muss jetzt sagen, wie er unsere Kinder, Enkel und Familien vor diesem Wahnsinn schützen wird."
"Handelsblatt": "Viele dürften nun fragen: Was läuft eigentlich in der Asylpolitik schief, dass längst Ausreisepflichtige weiter in Deutschland leben? Dieses Manko darf sich Bundeskanzler Olaf Scholz ankreiden lassen. Seine Ankündigung aus dem Jahr 2023, 'endlich im großen Stil' abzuschieben, hat sich weitgehend als leeres Versprechen erwiesen. Das von der Ampel optimistisch 'Rückführungsverbesserungsgesetz' genannte Maßnahmenpaket hat nur marginal Verbesserungen gebracht. In Wahrheit gibt es bei Abschiebungen keine substanziellen Fortschritte, zumindest nicht in der von Scholz versprochenen Dimension."
"Tagesspiegel": "''Es reicht nicht, zu reden', sagte Scholz und bezeichnet die Tat von Aschaffenburg als 'Terror', während ein Behördensprecher genau das ausschließt. Wer hat noch mal in den vergangenen Jahren das Land geführt, mit exakt diesem Thema ganz oben auf der Tagesordnung? Mit seinem Statement dürfte der Kanzler AfD und BSW weiteren Aufwind verschaffen. Passiert so etwas kurz vor der Bundestagswahl, wird es Einfluss auf die Entscheidung mancher, vielleicht sogar vieler Wähler haben. Wie kann angesichts all dessen die erste Reaktion eines Noch-Kanzlers sein, auf populistische Rhetorik einzuschwenken?"