Der autoritäre Präsident Maduro hat sich nach einer umstrittenen Abstimmung zum Wahlsieger erklären lassen. Seine Gegner erhöhen den Druck auf der Straße. Auch das Militär positioniert sich.
Nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Venezuela kämpft die Opposition weiter für einen Machtwechsel und einen Rückzug des autoritären Präsidenten Nicolás Maduro. Dieser kann unverändert auf den Rückhalt des Militärs zählen, das ihm Loyalität zusicherte. Tausende Regierungsgegner gingen am Dienstag (Ortszeit) in der Hauptstadt Caracas auf die Straße und protestierten gegen das aus ihrer Sicht manipulierte offizielle Wahlergebnis, das den seit 2013 regierenden Staatschef als Sieger ausweist.
Die Demonstranten skandierten "Wir haben keine Angst" und bejubelten ihren Präsidentschaftskandidaten Edmundo González Urrutia. Bei den Protesten starben nach Angaben von regierungsunabhängigen Organisationen landesweit bislang mindestens elf Menschen. Hunderte wurden nach offiziellen Zahlen festgenommen.
Die Streitkräfte, die in dem südamerikanischen Land ein wichtiger Machtfaktor sind, sicherten Maduro unterdessen ihre Unterstützung zu. "Wir bekräftigen die absolute Loyalität und bedingungslose Unterstützung für den Bürger Nicolás Maduro Moros, den verfassungsmäßigen Präsidenten der Bolivarischen Republik Venezuela, unseren Oberbefehlshaber (...)", sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López in einer vom Fernsehen übertragenen Erklärung.
Maduro sei rechtmäßig wiedergewählt worden, ergänzte Padrino, umgeben von Mitgliedern des Generalstabs. Zugleich warnte der Verteidigungsminister, das Militär werde notfalls "schlagkräftig" vorgehen, um die Ordnung im gesamten Land aufrechtzuerhalten. Die Verfassung und die Menschenrechte würden dabei eingehalten.
"Wir haben es mit einem Staatsstreich zu tun, der von den faschistischen Kräften der extremen Rechten mit Unterstützung der imperialen Kräfte, des US-Imperialismus, angezettelt wurde", sagte Padrina weiter. "Wir werden diesen Staatsstreich vereiteln." Schon bei früheren Protesten konnte Maduro sich auf das Militär verlassen.
In Caracas rief Oppositionsführerin María Corina Machado ihren Anhängern von einer Tribüne aus zu, das wahre Ergebnis der Wahl sei eindeutig und nicht verhandelbar. "Das Einzige, über das wir zu verhandeln bereit sind, ist eine friedliche Machtübergabe." Die Opposition hat nach eigenen Angaben Zugang zu über 80 Prozent der detaillierten Wahlergebnisse aus den einzelnen Stimmbezirken, die der Nationale Wahlrat bislang nicht veröffentlicht hat. Demnach soll González auf 67 Prozent der Stimmen und Maduro auf 30 Prozent kommen.
Angesichts der angespannten Lage und Spekulationen, Machado und González könnten festgenommen werden, bot die Regierung von Costa Rica den beiden sowie anderen in Venezuela politisch Verfolgten Asyl an. Die Oppositionsführerin bedankte sich, will nach eigenen Worten vorerst allerdings in ihrer Heimat bleiben. "Es liegt in meiner Verantwortung, den Kampf an der Seite der Menschen fortzusetzen", schrieb sie auf X.
Nach der Präsidentenwahl am Sonntag hatte die regierungstreue Wahlbehörde Maduro offiziell zum Sieger erklärt. Die Opposition wirft der Regierung Wahlfälschung vor. Auch die USA, die EU und eine Reihe lateinamerikanischer Länder zweifeln das offizielle Wahlergebnis an. Die Organisation Amerikanischer Staaten erkennt Maduros Wiederwahl nicht an und setzte für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Ständigen Rats zur Lage in Venezuela an.
Biden und Lula dringen auf Veröffentlichung detaillierter Wahlergebnisse
Angesichts der Zweifel am offiziellen Wahlergebnis forderten US-Präsident Joe Biden und Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva Transparenz. Sie seien sich einig, dass die venezolanische Wahlbehörde die detaillierten Ergebnislisten der einzelnen Wahllokale veröffentlichen müsse, teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat der beiden Präsidenten mit. Sie teilten die Einschätzung, dass der Ausgang der Wahl entscheidend sei für die Demokratie weit über Venezuela hinaus.
Bei Protesten gegen das Wahlergebnis kamen laut der regierungsunabhängigen Organisation Foro Penal bislang mindestens elf Demonstranten ums Leben, darunter zwei Jugendliche. Zudem wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft ein Polizist getötet.
Im ganzen Land seien 749 Demonstranten festgenommen worden, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab. Sie hätten unter anderem Polizeiwachen, Büros des Wahlamtes, Rathäuser und Krankenhäuser angegriffen. Ihnen werde Terrorismus, Aufstachelung zum Hass und die Blockade öffentlicher Straßen vorgeworfen.
Präsident Maduro kündigte eine Sicherheitsoperation an, bei der Soldaten und Polizisten in den Straßen patrouillieren und gegen gewaltbereite Gruppen vorgehen sollen. Er warf der Opposition und der US-Regierung vor, mithilfe bewaffneter Gruppen einen Umsturz zu planen. "Die Oligarchie erträgt das Wahlergebnis nicht", sagte Maduro. "Aber der Faschismus kommt in Venezuela nicht durch."
UN-Menschenrechtskommissar fordert Versammlungsfreiheit
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk zeigte sich in einer Stellungnahme besorgt über die Gewalt. "Ich bin beunruhigt über Berichte über die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch Sicherheitskräfte und bewaffnete Gruppen, die die Regierung unterstützen", so Türk. "Ich fordere die Regierung auf, das Recht aller Venezolaner zu respektieren, sich zu versammeln, friedlich zu protestieren und ihre Meinung frei und ohne Angst zu äußern."
Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. In dem einstmals wohlhabenden Land mit großen Erdölvorkommen leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, Benzin, Gas und Medikamente sind knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung - haben Venezuela in den vergangenen zehn Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.
Erklärung von Verteidigungsminister Padrino via X