"Gefahr für Springer": Bundeswehr warnt vor neuem Fallschirm - und rudert wieder zurück

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Die Bundeswehr braucht dringend neues Material. Dafür wird der Wehretat nach oben geschraubt. Nun soll laut einem Bericht ein neues Fallschirmsystem gravierende Mängel aufweisen. Die Unversehrtheit der Fallschirmspringer sei in Gefahr. Doch der Bericht soll wieder einkassiert worden sein.

Die Qualitätsmanager der Bundeswehr haben einen Bericht verschickt und darin ein 56 Millionen Euro teures neues Fallschirmsystem als untauglich bezeichnet. Am nächsten Tag soll der brisante Report wieder einkassiert worden sein. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) unter Berufung auf ein vertrauliches Papier von Anfang Mai, das der SZ, dem NDR und WDR vorliegt.

Demnach listen die Qualitätsmanager des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in dem Report gravierende technische und betriebswirtschaftliche Mängel des neuen Fallschirmsystems EPC-B auf. Technisch passe es nicht zu den Flugzeugen der Bundeswehr, die Betriebskosten seien zu hoch, das Risiko für die Fallschirmjäger nicht in den Griff zu bekommen. Kaum ausprobiert, sollten die Beschaffer der Bundeswehr lieber "zeitnah über eine geeignete technische Nachfolgelösung" entscheiden, heißt es.

Das Modell EPC-B wurde 2021 von der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer beim französischen Hersteller Safran bestellt. Das Kürzel steht für "Ensemble de Parachutage du Combattant" (zu deutsch: Fallschirmsystem für den Kämpfer).

Für insgesamt 4336 Haupt- und 3090 Reservesysteme waren laut SZ 56,7 Millionen Euro fällig. Im Frühjahr 2023 sei das neue System erstmals in Hessen zum Testeinsatz gekommen. Die Bundeswehr habe den "goldglänzenden Fallschirm über dem Himmel der Garnisonsgemeinde Altenstadt" auf ihren Social-Media-Kanälen mit sanfter Landung gefeiert.

"Körperliche Unversehrtheit" gefährdet

Offenbar hapert es allerdings an der Kompatibilität der von der Bundeswehr eingesetzten Flugzeuge mit dem neuen System für die Fallschirmjäger. Laut dem Bericht bestehe wegen des derzeit zugelassenen Bauzustands und der technischen Ausführung des EPC-B bei Nutzung mit dem Transportflugzeug Airbus A400M "bereits im Regelsprungbetrieb dauerhaft eine potenzielle Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Fallschirmspringer".

Wenn zwei Springer gleichzeitig aus beiden Seitentüren des A400M abspringen, soll es "regelmäßig und deutlich häufiger" als mit dem alten System sowohl zu "Beinahe-Kappenkollisionen als auch tatsächliche Schirmdurchfahrten mit sehr hohem Gefährdungspotential" kommen, zitiert die SZ weiter aus dem Report. Demnach könnten die geöffneten Fallschirme der Springer zusammenstoßen oder der eine Springer zwischen die Leinen des anderen geraten. Der Bericht veranschauliche das Risiko mit einem Foto, auf dem sich zwei geöffnete Schirme ineinander verhakt haben sollen. Das Foto soll bei einem Testbetrieb geschossen worden sein.

"Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", sollen Qualitätsmanager der Bundeswehr als Empfehlung in ihrem Fazit für das neuen Fallschirmsystems EPC-B ausgesprochen haben. Der brisante Report sei dann nur einen Tag nach seiner Verbreitung vom BAAINBw schon wieder als "gegenstandslos" einkassiert worden. Beim Verschicken sei "ein Bürofehler passiert", zitiert die Zeitung aus einer E-Mail an die Empfänger des Papiers im Verteidigungsministerium. Demnach werde der Inhalt noch einmal überarbeitet.

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