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Podcast "Die Lage – International": Sicherheitsexperte Mölling: "Scheckbuch-Diplomatie geht nicht mehr"



Europäische Friedenstruppen in der Ukraine? Einige Regierungen schmieden längst Pläne. Nach der Bundestagswahl muss Deutschland nachziehen, sagt Christian Mölling.

Podcast Die Lage 24.01.2025 Audio

Zur Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine wäre ein robustes Kontingent an Truppen notwendig: "Eher sechs- als fünfstellig" nach Ansicht von Christian Mölling, Direktor des Programms "Zukunft Europas" der Bertelsmann Stiftung. Eine Beteiligung Deutschlands mit eigenen Truppen hält der Sicherheitsexperte für unabdingbar. "Wenn die strategische Bereitschaft, das zu machen, nicht von allen Europäern gemeinsam vorgetragen wird, dann ist das sofort ein Spaltpilz. Und den wird Moskau zu nutzen wissen", sagt Mölling in der neuen Folge des stern-Podcasts "Die Lage – International". 

Jüngsten Meldungen der "Financial Times" zufolge bereiten mehrere europäische Nato-Staaten – darunter Frankreich, Großbritannien und die Niederlande – bereits Pläne zur Entsendung eigener Soldaten im Fall eines Waffenstillstands vor. Ein Ausscheren Deutschlands in dieser Frage würde nach Möllings Einschätzung Zweifel an Deutschlands geopolitischem Standpunkt säen. Denn es hieße, "dass wir uns den Risiken entziehen, die das natürlich mit sich bringt für Leib und Leben deutscher Soldaten. Und dass andere mehr Risiko tragen müssen. Das ist unsolidarisch." Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, der gerade in einer Grundsatzrede sein außenpolitisches Programm vorgestellt hat, dürfe, würde er Kanzler, "nicht in das historische Muster deutscher Außenpolitik nach Scheckbuchdiplomatie" zurückfallen.Merz Außenpolitik Analyse 18.26

Nato-Truppen in der Ukraine? Spektrum an Risiken

Die konkrete Umsetzung einer Entsendung europäischer Nato-Truppen in die Ukraine zur Sicherung eines Waffenstillstands erfordere eine Überarbeitung der derzeitigen Nato-Einsatzplanung, so Mölling, um deren Abschreckungsfähigkeit auch dann zu sichern, wenn größere Teile der Nato-Verbände auf ukrainischem Boden stationiert würden. Vorstellbar sei sowohl ein Szenario, in dem nur ein kleiner Teil der europäischen Truppen in einer demilitarisierten Zone in der Ukraine selbst permanent präsent sei und der Rest auf benachbartem Nato-Territorium bleibe, um bei Bedarf schnell in die Ukraine entsandt zu werden. Es sei aber auch denkbar, deutlich mehr europäische Nato-Soldaten permanent in der Ukraine zu stationieren.

Dabei muss sich Europa nach Möllings Ansicht des gesamten Spektrums an Risiken bewusst sein, das ein solcher Einsatz mit sich brächte. Eine große Truppenkonzentration wäre nicht nur das erste Angriffsziel bei einer neuerlichen Eskalation. Die militärische und politischer Führungsebene müsse sich auch auf gezielte Desinformationskampagnen Russlands gefasst machen, ähnlich wie das zu Beginn der Stationierung von Bundeswehrsoldaten in Litauen passiert sei. Damals kursierten Falschmeldungen über angebliche Vergewaltigungen im Zusammenhang mit den deutschen Soldaten in lokalen sozialen Medien.

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