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Podcast "Die Lage – international" : Experte erklärt: Darum greift die Ukraine in Russland an



Die Ukraine verliert jeden Tag eigenes Territorium – und greift trotzdem in der russischen Region Kursk an. Militärexperte Christian Mölling erklärt die Gründe.

Lage, 30082024

Der Vormarsch der Ukraine in die russische Region Kursk hat alle überrascht – die Partner im Westen ebenso wie die Militärs in Moskau. Was aber steht hinter dem Plan von Präsident Wolodymyr Selenskyj und Armeechef Olexander Syrskyj? Militärexperte Christian Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international": "Wir konnten uns alle nicht vorstellen, dass die Ukrainer so wagemutig sind und in eine solche Offensive hineingehen."  Doch es gebe trotz der angespannten Lage an der Front im Donbass Gründe für dieses Vorgehen. 

F-16 Down15.30Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik nannte vor allem drei: Die Ukraine wolle sich auf den Fall vorbereiten, dass in den USA Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt und sie in schnelle Friedensverhandlungen zwingt – dies könne er erreichen, indem er die US-Unterstützung herunterfährt. Dann sei besetztes russisches Gebiet ein Faustpfand, um zumindest minimale Forderungen durchzusetzen. Hinzu komme, dass die besetzten Gebiete auf der russischen Seite im Krieg selbst eine Pufferzone darstellten. Angriffe auf ukrainische Ballungsgebiete müssten so größere Distanzen überwinden. Schließlich hätten es die Ukrainer geschafft, die Wahrnehmung in den Medien zu verändern – sie stünden nicht mehr als notorische Verlierer da, sondern könnten Erfolge melden. 

Ukraine-Offensive: Mentalitätsunterschiede zwischen Kiew und Washington

Mölling erklärte die Verwunderung über das Vorgehen der Ukrainer auch mit Mentalitätsunterschieden zwischen den Entscheidern in Kiew und den Strategen in Brüssel oder Washington: "Die einen kämpfen um ihr Überleben, die anderen haben nach dem Ende des Kalten Krieges im wesentlichen theoretisch Krieg geplant." Selenskyj sei dagegen gezwungen, "mit dem wenigen, das er hat, zu handeln".  Für die Ukrainer ergebe sich folgendes Bild: "Solange sie in der Offensive sind, haben sie die Pufferzone. Wenn sie die halten können, haben sie ein Faustpfand. Sie haben auf alle Fälle einen medial anderen Spin." Mölling räumte ein, dass die Ukraine im Osten des Landes vor den Angreifern zurückweichen müsse. Er erwarte aber nicht, dass die Front kollabiert und die Russen schnell und weit vorrücken. 

"Russland macht alles, was es kann"

Erneut sprach sich Mölling dafür aus, Auflagen für den Einsatz westlicher Waffen durch die Ukrainer zu lockern. "Das Gerede über rote Linien und Eskalation ist im Grunde widerlegt", sagte er. "Russland macht alles, was es kann, um diesen Krieg zu gewinnen. Da gibt es keinen Gang, den man mal locker höherschalten kann." Auch für den Westen sei der Ausgang des Krieges überaus wichtig. "Es geht darum, dass am Ende dieses Konflikts die Frage beantwortet ist, wie viel Erpressungsmacht Russland über Europa hat – nicht  nur über die Ukraine."

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