20 hours ago

Person der Woche: Xi Jinping: Zoll-Krieg: Zündet China die "Atombombe" der Weltbörsen?



Donald Trump unterschätzt die Macht Chinas. Peking hält eine Waffe in der Hand, die als "Atombombe der Finanzwelt" betrachtet wird. Und die ersten Erschütterungen ihrer Scharfstellung sind bereits zu spüren.

Im vollmundig geführten Zollkrieg zwischen den USA und China hat Donald Trump etwas Wichtiges übersehen: 759 Milliarden Dollar. Denn genau diese Summe hat die Volksrepublik in amerikanische Staatsanleihen investiert. Trump steht damit bei Präsident Xi Jinping tief in der Kreide, so tief sogar, dass das sehr gefährlich werden kann. Wenn sich Peking im eskalierenden Streit mit Washington dazu entschließt, diese US-Staatsanleihen massenhaft zu verkaufen, wäre der Schlag für die USA katastrophal. An den Wertpapiermärkten nennen Börsianer das die "nukleare Option" für das globale Finanzsystem. Ein Abverkauf der Anleihen käme dem Zünden einer Weltfinanz-Atombombe gleich. Er könnte eine Panik und Kettenreaktion auslösen wie seinerzeit die Pleite der Investmentbank Lehman 2008.

Bei einem Ausstieg der Chinesen aus US-Staatsanleihen würden die Zinsen in den USA schlagartig emporschnellen, die Aktienmärkte brächen mit einem neuen Crash ein, der Kreditmarkt käme ins Wanken, vor allem der amerikanische Immobilienmarkt würde tief getroffen.

Schon jetzt spürt man an den Anleihemärkten die Angst vor der "Finanz-Atomwaffe aus Peking". US-Staatsanleihen, die traditionell als eine der sichersten Finanzanlagen der Welt gelten, erleiden seit einer Woche heftige Rückschläge. Die Rendite - oder der Zinssatz - der 30-jährigen US-Staatsanleihe lag am 6. April noch bei 4,33 Prozent. Mit dem Zollspektakel stieg die Rendite kurzzeitig auf über 5 Prozent. Die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen ist normalerweise recht stabil und bewegt sich sehr langsam. Der plötzliche Anstieg binnen weniger Tage war der schnellste seit mehr als 40 Jahren. Auch die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen ist so schnell gestiegen wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr.

Dieser Rendite-Sprung ist für die Finanzmärkte ein schrilles Warnsignal. "Dies ist ein Ausverkauf von Staatsanleihen", warnt Calvin Yeoh, ein Portfolio-Manager beim Hedgefonds Blue Edge Advisors. "Seit dem Chaos der Pandemie im Jahr 2020 habe ich keine derartigen Bewegungen oder eine derartige Volatilität mehr gesehen", sagte er gegenüber Bloomberg.

"Werden niemals nachgeben"

In New York kursiert der Verdacht, die Chinesen hätten bereits erste Verkäufe getätigt, um die USA auf ihre "Atomwaffe" hinzuweisen. Sofort sind auch die Zinsen für Hypotheken und Verbraucherkredite in den USA stark angestiegen, da die sich an den Renditen der Staatsanleihen orientieren. Der Frühjahrsmarkt für Wohnimmobilien ist angesichts des schwindenden Verbrauchervertrauens ohnedies schwach unterwegs. Mit dem jetzigen Einbruch am Aktien- und Anleihenmarkt machen sich potenzielle Käufer zunehmend Sorgen um ihre Ersparnisse und ihren Arbeitsplatz. "Wenn China uns hart treffen will, wird es seine Staatsanleihen abstoßen", sorgt sich Guy Cecala, Vorstandsvorsitzender von Inside Mortgage Finance. "Sie werden versuchen, die Hebel zu betätigen und Druck auszuüben. Die Wirkung auf den Wohnungsmarkt und die Hypothekenzinsen ist enorm."

An den Märkten wächst nun die Nervosität, dass der Streit zwischen Trump und China eskalieren und die beiden größten Volkswirtschaften der Welt auf einen katastrophalen Showdown zusteuern können, an dessen Ende das Zünden der "Atombombe" stünde. "Wenn wir herausgefordert werden, werden wir niemals nachgeben", droht der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian bereits. Das Handelsministerium erklärt: "China wird bis zum Ende kämpfen, wenn die US-Seite den falschen Weg einschlagen will". Peking hat bereits weitere Gegenmaßnahmen angekündigt. China hat seine Bestände an US-Staatsanleihen seit der ersten Trump-Regierung bereits kontinuierlich von 1,2 Billionen auf nunmehr 759 Milliarden Dollar reduziert. Das Volumen ist trotzdem noch gewaltig. Nur Japan hält derzeit noch größere Bestände an amerikanischen Schuldtiteln.

Peking denkt strategisch

Der Handelskrieg mit China könnte für die USA über den Zinseffekt richtig teuer werden. Das US-Finanzministerium muss allein bis zum Jahresende Staatsanleihen im Wert von mehr als 8 Billionen Dollar refinanzieren. Und zusätzlich zu diesen 8 Billionen Dollar werden wahrscheinlich noch etwa 2 Billionen Dollar an neuen Schulden ausgegeben, nur um das Defizit zu finanzieren. Eine Erhöhung des Zinsniveaus um nur einen Prozentpunkt - ausgelöst etwa durch chinesische Verkäufe - kosten die USA also 100 Milliarden Dollar im Jahr. Der Chefanalyst der Deutschen Bank, George Saravelos, warnt vor einem umfassenderen Finanzkonflikt mit China, das seine Bestände an US-Vermögenswerten als Waffe einsetzen könnte. Darunter hätten am Ende sowohl die chinesischen Eigentümer als auch die US-Emittenten zu leiden.

Genau in dieser Tatsache, dass beide Seiten vom Zünden der Finanz-Atombombe schwer getroffen würden, liegt die Haupthoffnung der Märkte. China würde von einem Finanzcrash ebenfalls tief erschüttert, zumal das Land bereits mit einer geplatzten Immobilienblase zu kämpfen hat. Finanzminister Scott Bessent weist in einem Interview mit Tucker Carlson darauf hin, dass es "schön" sei, der größte Kreditnehmer der Welt zu sein. "Wenn man einen Bankkredit aufnimmt, hat die Bank das Sagen, sie kann das, was man sich geliehen hat, wieder in Besitz nehmen. Aber wenn man einen gewaltig großen Kredit aufnimmt, kann einen die Bank nicht mehr angreifen."

Mark Williams, Chefvolkswirt für Asien bei Capital Economics, bestätigt diese Einschätzung: "Wenn China seine Staatsanleihen abstoßen würde, wäre das so, als würde man eine Handgranate auf jemanden werfen, der einem in einem Raum gegenübersitzt." Die Chinesen denken strategischer als Trump und wissen, um ihr eigenes Risiko bei der totalen Eskalation. Ihnen reicht schon das leichte Drehen an der Zinsschraube. "Wir hoffen, Washington zur Besinnung zu bringen, indem wir die Börsen-Atombombe einmal vor den Augen der Wall Street spazieren fahren", sagt ein Analyst aus Hongkong. Hoffentlich versteht das auch Donald Trump.

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