Das Wahldebakel der SPD ist erniedrigend. In Berlin bricht die Kanzlerdämmerung an. Die SPD weiß, dass sie mit Scholz 2025 ins Verderben laufen würde. Immer mehr hoffen auf einen personellen Befreiungsschlag wie in Amerika. Wer wird die Kamala Harris der SPD?
Eine Kanzlerpartei knapp über der Fünf-Prozent-Hürde! Die SPD ist in Thüringen von ohnehin niedrigem Niveau noch einmal geschrumpft, in Sachsen stagniert sie bei rund 7 Prozent. Der Generalsekretär Kevin Kühnert muss sich gequält freuen, dass man zumindest im Parlament geblieben ist. Für die Traditionspartei ein Offenbarungseid. Olaf Scholz ist dafür maßgeblich verantwortlich. Die bittere Wahrheit lautet: Drei Viertel der Deutschen halten den Kanzler für führungsschwach, seine Ampel ist gescheitert, der Respekt im Land schwindet, er wird als ein Kanzler des Niedergangs wahrgenommen.
In der SPD wissen die Führungsfiguren, dass dieses Debakel nicht nur eine Volksabstimmung über die Ampel-Regierung sondern auch über den Kanzler war. Und sie ahnen, dass man mit diesem schwer angeschlagenen Olaf Scholz im kommenden Jahr keine Bundestagswahl gewinnen kann. Nicht einmal der clevere Parteichef Lars Klingbeil könnte das mit der genialsten Werbe-Kampagne schaffen. Hinter den Kulissen haben daher diskrete Beratungen begonnen, wie man für die SPD einen anderen Kanzlerkandidaten beschafft. Wer sagt Olaf Scholz, dass seine Lage der von Joe Biden im Frühjahr fatal ähnelt? Alle Welt weiß, dass man mit diesem Kandidaten - bei allem Respekt für seine Verdienste - die Partei in den Abgrund stürzt.
Hinter vorgehaltenen Händen machen sich Sozialdemokraten selber Mut, indem sie von der "Chance auf einen Kamala-Harris-Moment" schwadronieren. Mit einem neuen, frischen Kandidaten habe man eine faire Chance, alles noch zu drehen und das Ampel-Desaster in den Hintergrund zu rücken. Doch dazu müsste ein Führungskreis erst einmal dem Kanzler beibringen, dass er auf eine weitere Kandidatur für das kommende Jahr verzichten muss. In den USA überzeugte Nancy Pelosi, Chuck Schumer, Hakeem Jeffries und George Clooney den angeschlagenen und offensichtlich zu alten Joe Biden in Hintergrundgesprächen vom überfälligen Rückzug. In der SPD werden Lars Klingbeil, Rolf Mützenich und Stephan Weil ihrem Kanzler sagen müssen, was die Stunde geschlagen hat.
Es gibt nicht nur Pistorius
Ob das gelingt, hängt auch an der Frage, wer denn mit dem Befreiungsschlag die Rolle der Kamala Harris für Deutschland übernehmen könnte. Drei Kandidaten kommen infrage. Die scheinbar naheliegende Option heißt Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister ist Deutschlands beliebtester Politiker, mittig mehrheitsfähig, ein Klartexter und daher die meistgenannte Option. Doch Pistorius wird in seiner eigenen Partei und auch in der Fraktion nicht so geschätzt wie in der Bevölkerung. Der linke Flügel fremdelt mit ihm, einige halte ihn für einen "Solitär" - einen Einzelspieler. Zudem ist Pistorius schon 64 Jahre alt und damit kaum jünger als der 66-jährige Kanzler.
Der zweite Kandidat heißt Stephan Weil. Er ist seit 2013 respektierter Ministerpräsident in Niedersachsen und hält die letzte SPD-Bastion in einem großen Flächenland. Anders als Pistorius hat er in der Breite der Partei Rückhalt und könnte aufgrund seiner ausgleichend, humorigen, bürgernahen Art breite Wählerschichten ansprechen. Weil wird nachgesagt, sein Ohr näher am Volk zu haben als Scholz und Pistorius. Andererseits ist auch Weil schon 65 und bundespolitisch unerfahren und hat kleinere Skandälchen am Bein.
Ein Mann für beide Flügel
Darum ist die dritte Option der SPD besonders interessant: Lars Klingbeil. Der SPD-Vorsitzende würde am ehesten den Kamala-Harris-Effekt erzielen können, schon weil er mit seinen 46 Jahren eine neue Generation verkörpern könnte. Klingbeil hat die Partei geschickt hinter sich versammelt, er lässt linke wie bürgerliche Flügel flatter. Neben der überforderten Saskia Esken und dem noch übenden Generalsekretär Kevin Kühnert wirkt Klingbeil wie die Lichtgestalt der SPD-Spitze.
Klingbeil ist ein schlauer Stratege und starker Wahlkämpfer, er hat Verbindlichkeit und macht sogar bei "Inas Nacht" oder mit Gitarre auf der Bühne eine gute Figur. Klingbeil ist zudem nicht Ampel-kontaminiert. Er könnte einen Neuanfang glaubwürdig verkörpern. Kurzum: Lars Klingbeil ist die Kamala Harris-Befreiungsschlag-Figur der SPD.