Der Bruch der Ampel-Koalition ebnet den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen. Was heißt das für die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag? Ein Blick auf die möglichen Koalitionsoptionen auf Bundesebene - auf Basis aktueller Umfragewerte.
Das vorzeitige Aus der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP katapultiert das politische Berlin in eine Phase des Umbruchs: Deutschland steuert auf vorgezogene Neuwahlen zu. Was heißt das für die im Parlament vertretenen Parteien? Welche Koalitionen wären rein rechnerisch möglich, welche Bündnisse wären realistisch?
Ein Blick auf die mögliche Sitzverteilung im Bundestag, so wie sie sich aus den aktuellen Umfragewerten der Parteien im RTL/ntv-Trendbarometer ergibt:
Schon jetzt ist sicher: Vorgezogene Neuwahlen dürften die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag erheblich verschieben. Die Karten für mögliche Koalitionsoptionen werden neu gemischt. Legt man die jüngsten Umfrageergebnisse als Maßstab an, wären in der bundesdeutschen Volksvertretung künftig wohl nur noch fünf statt bisher sieben Parteien vertreten.
Die politische Stimmungslage im Land deutet auf empfindliche Veränderungen hin: FDP und Linke sehen sich derzeit akut davon bedroht, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern und den Wiedereinzug in den Bundestag zu verpassen. Laut der vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von RTL Deutschland erhobenen Daten bewegen sich beide Parteien bei nicht viel mehr als drei Prozent.
Das Zerwürfnis zwischen FDP-Chef Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz wirft kein gutes Licht auf die Ampel-Koalitionäre. Der vorgezogene Termin für Neuwahlen kommt jedoch nicht nur für die Liberalen ungelegen. Auch SPD und Grüne liegen aktuell deutlich unter früheren Umfragewerten.
Im RTL/ntv-Trendbarometer erreichten die Sozialdemokraten zuletzt etwa nur 16 Prozent - gleichauf mit dem AfD-Lager. Zum Vergleich: Bei der zurückliegenden Bundestagswahl im Herbst 2021 hatte die SPD mit Scholz als Spitzenkandidaten noch ein Ergebnis von 25,7 Prozent erzielt.
Stark gelitten haben auch die Grünen. Der Eindruck des ständigen Streits innerhalb der Ampel-Koalition drückte die Partei, die mit Robert Habeck und Annalena Baerbock im Wirtschafts- und im Außenamt eigentlich zwei sehr wirkungsträchtige Posten besetzen, ebenfalls ins Umfragetief.
Noch im Sommer 2022 genossen die Grünen in den Umfragen das Vertrauen von fast einem Viertel der Wähler. Ende Oktober sackten die Zustimmungswerte erstmals wieder in den einstelligen Prozentbereich ab.
Im Aufwind können sich nach Lage des bisher erkennbaren Stimmungsbilds AfD und BSW wähnen. Gestützt auf die aktuellen Umfragedaten käme die Rechtsaußenfraktion im Fall vorgezogener Neuwahlen auf 124 Mandate. Die AfD wäre damit in exakt gleicher Stärke im Bundestag vertreten wie die SPD.
Die erst im vergangenen Herbst neu gegründete Linken-Abspaltung BSW hat durch das Ampel-Aus realistische Chancen, in voller Fraktionsstärke mit 47 Abgeordneten in den neu gewählten Bundestag einzuziehen.
Rückblick: die Sitzverteilung nach der Bundestagswahl 2021
Für die nach der Wahl anstehenden Koalitionsverhandlungen ergibt sich aus den skizzierten Mehrheitsverhältnissen kaum neuer Spielraum. In der grob vereinfachten Berechnung der Sitzverteilung auf Basis der jüngsten Umfragedaten wäre die Union mit 257 Sitzen die mit Abstand stärkste Kraft.
Für eine tragfähige Mehrheit müsste sich der bisherige Oppositionsführer Friedrich Merz jedoch mindestens einen Koalitionspartner suchen. Die Schwelle zur Kanzlermehrheit liegt bei 315 Sitzen. Union und SPD kämen in dem Rechenbeispiel auf komfortable 381 Mandate.
Schwarz-Rot wäre allerdings bei weitem nicht die einzige Option: Ein Zweierbündnis der Union mit den Grünen würde Merz immerhin noch eine Mehrheit von 335 Sitzen verschaffen, allerdings wäre Schwarz-Grün auf Bundesebene ein Novum. Rein rechnerisch möglich, politisch aber ausgeschlossen wäre auch ein Zusammengehen mit der AfD.
Große Koalition oder Schwarz-Grün?
Aus der Sicht von Olaf Scholz und der SPD sehen die Koalitionsaussichten - auf Basis der bisher vorliegenden Umfragedaten - sehr viel enger aus. Mit den Grünen alleine reichen die Zahlen für eine stabile Regierungsmehrheit bisher nicht aus: Rot-Grün käme aktuell nur auf 202 Sitze. Andere mögliche Zweierbündnisse gäbe es unter diesen Umständen nicht.
Selbst eine hypothetische Annäherung zwischen Scholz und dem BSW böte keine Aussicht auf Erfolg: Das BSW bleibt - nach jetzigem Stand - im Bundestag in der Außenseiterrolle. Hoffnungen auf eine Rolle bei etwaigen Koalitionssondierungen kann sich BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht nicht machen: In den Zahlenspielen zu möglichen Regierungsbündnissen würden die Mehrheitsverhältnisse weder für SPD und BSW noch für Union und BSW ausreichen.