3 months ago

Nach Rücktritt Lang-Nouripour: Vorstand der Grünen Jugend verlässt die Partei



Nach dem plötzlichen Rücktritt der Grünen-Parteiführung am Vormittag folgt am Abend die nächste Überraschung: Der Vorstand der Grünen Jugend tritt geschlossen zurück und will der Partei gleich ganz den Rücken kehren. Das zehnköpfige Gremium kündigt einen eigenen dezidiert linken Verband an.

Der Vorstand der Grünen Jugend will geschlossen aus der Partei austreten. Das kündigten die Vorsitzenden der Grünen-Nachwuchsorganisation, Svenja Appuhn und Katharina Stolla, am Abend in einem internen Brief an die Partei- und Fraktionsführung an. "Wie Ihr vielleicht schon gehört habt, haben wir - der gesamte Bundesvorstand der Grünen Jugend - uns dazu entschieden, nicht erneut zu kandidieren und morgen aus der Partei auszutreten", heißt es darin. Weiter heißt es darin, diese Entscheidung sei bereits vor der Bekanntgabe des Rücktritts des Parteivorstandes getroffen worden.

"Wir merken, dass unsere inhaltlichen, aber auch strategischen Vorstellungen von Politik immer weiter auseinander gehen - und glauben, dass es mittelfristig keine Mehrheiten in der Partei für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt", heißt es in dem Schreiben.

Der Vorstand werde seine Amtsgeschäfte bis zum Bundeskongress der Grünen Jugend vom 18. bis 20. Oktober in Leipzig gewissenhaft zu Ende führen, die Wahl des neuen Bundesvorstands ermöglichen und danach auch aus der Grünen Jugend austreten. "Wir werden uns danach aufmachen, einen neuen, dezidiert linken Jugendverband zu gründen", so die zehn Vorstandsmitglieder. Dauerhaft sei nicht möglich, gleichzeitig Teil einer Partei zu sein und für eine grundsätzlich andere Politik zu werben, als die eigene Partei umsetzt, schreibt der Vorstand an die Parteispitze.

Lang und Nouripour: Es braucht einen Neustart

Am Vormittag hatten die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour und der gesamte Parteivorstand geschlossen ihren Rücktritt erklärt. Nach einer Serie schwacher Wahlergebnisse befänden sich die Grünen "in der tiefsten Krise seit einer Dekade", sagte Nouripour in Berlin zur Begründung dieses drastischen Schrittes. Es brauche einen "Neustart", um die Partei aus dieser Krise herauszuführen.

Nötig seien nun "neue Gesichter", sagte auch Ko-Parteichefin Ricarda Lang. Die Wahl eines neuen Vorstands solle ein "Baustein sein für die strategische Neuaufstellung dieser Partei". Lang fügte hinzu: "Jetzt ist nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben - jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen." Die neue Spitze solle auf dem Parteitag im November gewählt werden; bis dahin bleibt der bisherige Vorstand im Amt.

Habeck sieht kein Problem für Ampel

Nach dem Rücktritt der Grünen-Parteiführung kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an, die Ampel-Koalition mit SPD und FDP bis zur Bundestagswahl im September 2025 fortzusetzen. "Man bleibt in einer Regierung, auch wenn es schwierig wird", sagte der Grünen-Politiker am Abend im ZDF. "Man bringt den Job zuende." Er wolle nicht glauben, dass bei der Bundestagswahl in einem Jahr diejenigen belohnt würden, "die nur schlechtreden, anderen die Schuld geben, aber die Probleme nicht anpacken", sagte Habeck. "Das werden wir zur Wahl stellen, und dann werden wir auch ein sehr gutes Wahlergebnis machen können."

Habeck unterstrich, dass er mit dem Rückzug der Parteivorsitzenden die Chance für einen Neustart sehe. Das müsse man beiden anrechnen. "Ich werde das nicht vergessen", sagte Habeck. Der Vizekanzler umwarb damit indirekt die Delegierten des Bundesparteitages, von denen er sich Rückhalt für eine Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl erhofft.

Er wünsche auf dem Parteitag im November eine ehrliche Aussprache und Debatte. "Jeder Kandidat, auch ich, wenn ich Kanzler- oder Spitzenkandidat werden sollte, muss sich dann einer geheimen Abstimmung stellen, sodass wir ein ehrliches Votum bekommen", sagte Habeck. "Wenn die Politik den Vertrauensverlust, den auch wir registriert haben, zurückgewinnen will, dann müssen Menschen sich der ehrlichen Debatte stellen."

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