Die Abstimmungen zur Migrationspolitik waren der Auslöser: Der Fotograf Toscano hat seine Auszeichnung an den Bundespräsidenten zurückgeben - gemeinsam mit dem Holocaust-Überlebenden Weinberg.
Nach den jüngsten Migrationsabstimmungen im Bundestag haben der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano und der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg ihre Verdienstorden zurückgegeben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der mit beiden gesprochen hatte, bedauerte ihren Schritt "zutiefst". Er erklärte: "Der Einsatz der Ausgezeichneten für unsere Demokratie ist von überragender Bedeutung. Mein Respekt und meine Anerkennung für ihre Verdienste bestehen fort." Dies habe er ihnen deutlich gemacht.
Reaktion auf Unions-Verhalten im Bundestag
Toscano und Weinberg reagierten mit ihrer Entscheidung darauf, dass die Union Ende Januar im Bundestag einen Antrag und einen Gesetzentwurf für eine Verschärfung des Migrationskurses zur Abstimmung gestellt hatte und dabei offen in Kauf nahm, dass diese mithilfe der AfD eine Mehrheit erhielten. Der Antrag wurde angenommen, der Gesetzentwurf scheiterte aber. Die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD führte zu einem Eklat im Bundestag. Erstmals beschaffte die AfD im Plenum eine Mehrheit.
"Das ist für mich eine Zäsur, weil letztendlich das, was stattgefunden hat, das ist untragbar, das verletzt ganz viele", sagte Toscano in Berlin. Er habe seine Verdienstmedaille zurückgegeben und auch das Bundesverdienstkreuz seines Freundes Weinberg.
"Durch Aufarbeitung des NS-Unrechts Vertrauen gewonnen"
Steinmeier erklärte: "Die Erinnerung an die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland und die Verpflichtung zum Kampf gegen neuen Rechtsextremismus gehören zu unserer fortgesetzten Verantwortung." Deutschland habe sich mit der über Jahrzehnte geleisteten Aufarbeitung des Unrechts nach innen und auch nach außen Vertrauen erworben. "Dass die Glaubwürdigkeit in den Augen zweier engagierter Persönlichkeiten beschädigt ist, dass Albrecht Weinberg so kurz vor seinem 100. Geburtstag in brennender Sorge vor dem erstarkenden Rechtsextremismus lebt, schmerzt mich."
Toscano: "Er akzeptierte die Rückgabe des Ordens"
Toscano traf Steinmeier zum persönlichen Gespräch, wie er selbst sagte. "Er akzeptierte die Rückgabe des Ordens", erzählte der Künstler im Anschluss. "Was aber auch ganz klar ist: Die Werte, die dahinterstecken, die Errungenschaften, die dahinterstecken, diese Würdigung, die wird nicht zurückgenommen." Der 99-jährige Weinberg aus Leer in Ostfriesland habe ihn darum gebeten, sein Bundesverdienstkreuz mit abzugeben, weil er etwas gebrechlich sei.
"Ich habe ihm adressiert, dass ich mir wünschen würde, dass er mehr zu uns blickt, zu uns Bürgern, die auf die Demos gehen, die ihre Stimme erheben", sagte Toscano. "Da wünsche ich mir ein klein wenig mehr Unterstützung." Er fordert zudem von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz eine klare Distanzierung von einer Zusammenarbeit mit der AfD - durch einen förmlichen Beschluss in der Partei.
Weinberg hatte sich nach dem Abstimmungsergebnis im Bundestag schockiert gezeigt. Es sei eine spontane Entscheidung gewesen, das Bundesverdienstkreuz zurückzugeben, das eine hohe Ehre für ihn sei. Er wolle das Gleiche tun wie sein Freund Toscano. "Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten hat. Furchtbar", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Weinbergs Familie wurde fast vollständig von den Nazis ermordet
Weinberg überlebte die drei Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora im Harz, Bergen-Belsen bei Celle und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA zurück in seine ostfriesische Heimat. Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen.
Toscano, Fotograf und Filmemacher, macht mit dem Erinnerungsprojekt "Gegen das Vergessen" die Schicksale der Überlebenden öffentlich und verschafft den letzten Zeitzeugen der NS-Verbrechen Aufmerksamkeit.