Der Mossad gilt als einer der berüchtigtsten Geheimdienste der Welt – und steckt wohl hinter den tausenden Explosionen im Libanon. Es wäre nicht seine erste spektakuläre Aktion.
Erst Pager, dann Funkgeräte – der Libanon wird dieser Tage von einer ebenso mysteriösen wie erschreckenden Welle von Explosionen heimgesucht. Tausende Menschen wurden verletzt und nach jüngsten Angaben 32 Menschen getötet. Dass Israel hinter der Aktion steckt, gilt als sicher.
Verteidigungsminister Joav Galant kündigte eine "neue Phase" des Krieges an. Die Gewalt im Nahen Osten war vor rund einem Jahr eskaliert, nachdem die Terrororganisation Hamas Israel überfiel und mehr als 1000 Menschen ermordete. Seither kämpft Israel an mehreren Fronten, eine davon ist der Libanon.
Der Mossad ist für komplexe Operationen bekannt
Israel will erreichen, dass geflüchtete Bürgerinnen und Bürger in das Grenzgebiet zum Nachbarland zurückkommen können – und setzt zur Erreichung dieses Ziel offenbar auch darauf, Kämpfer der Hisbollah-Miliz durch die Sprengsätze in der Hosentasche zu verletzen oder zu töten. Zugleich versetzt die Aktion die Bevölkerung des Libanons in Angst und Schrecken – niemand kann sicher sein, ist das Signal, das von den Explosionen ausgeht.
Mutmaßlich hat der Auslandsgeheimdienst Mossad die Aktion geplant und durchgeführt, wie unter anderem Recherchen der "New York Times" nahelegen. Offenbar hat er die von der Hisbollah georderten Funkgeräte und Pager abgefangen und mit Sprengstoff präpariert – eine logistische Mammutaktion, die an Agentenromane erinnert. Was da noch kommt? Vollkommen unklar. Israels Generalstabschef Herzi Halevi machte deutlich: "Wir haben noch viele Fähigkeiten, die wir bislang noch nicht eingesetzt haben."
Dass der Mossad zu äußerst komplexen und spektakulären Operationen in der Lage ist, hat er seit seiner Gründung 1949 immer wieder bewiesen. Nicht ohne Grund gilt er als einer der berüchtigtsten Geheimdienste der Welt. Eine Auswahl der Aufsehen erregenden Aktionen des "Zentralen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes" von Israel:
- Entführung Adolf Eichmanns: Die Entführung des deutschen NS-Verbrechers Adolf Eichmanndurch den israelischen Geheimdienst ist legendär. Mossad-Spione spüren Eichmann, der einer der Hauptverantwortlichen für die Deportation und Ermordung der europäischen Juden war, im Jahr 1960 in Argentinien auf. Sie überwältigen ihn auf offener Straße in Buenos Aires. Per Flugzeug wird Eichmann unbemerkt nach Israel gebracht, wo er zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet wird.
- Tötung von Jihia Ajasch: Im Januar 1996 tötet der israelische Geheimdienst den Hamas-Militärchef und Bombenbauer Jihia Ajasch durch Sprengstoff in seinem Mobiltelefon, welcher aus der Ferne gezündet wird. Israel sei damals – soweit bekannt – das erste Land gewesen, das ein Kommunikationsgerät für ein Attentat genutzt habe, schrieb der israelische Geheimdienstexperte Ronen Bergman.
- Fehlgeschlagener Anschlag auf Chaled Maschaal: Der versuchte Mord an Hamas-Führer Chaled Maschaal, heute eine Art "Außenminister" der islamistischen Organisation, im September 1997 gilt als einer der größten Fehlschläge des Mossad. Israelische Agenten versuchen, Maschaal in der jordanischen Hauptstadt Amman mit einem tödlichen Gift zu besprühen. König Hussein reagiert so empört auf den Giftanschlag, dass er den damaligen und heutigen Regierungschef Benjamin Netanjahu zwingt, ein Gegengift zur Rettung Maschaals liefern zu lassen. Um die bei der Attacke festgenommenen zwei Agenten aus jordanischer Haft zu befreien, ist Israel gezwungen, den spirituellen Hamas-Führer Ahmed Jassin freizulassen. 2004 stirbt dieser dann bei einem gezielten Luftangriff Israels.
- Gescheiterter Abhörversuch: Fünf Agenten werden im Februar 1998 bei dem Versuch ertappt, als sie in einem Wohnhaus in einer Randgemeinde von Bern Abhöranlagen installieren wollen. Die Polizei nimmt einen Mann fest, vier lässt sie nach Überprüfung ihrer falschen Pässe laufen. Der verhaftete Agent kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Der Vorfall trägt maßgeblich zum Rücktritt des damaligen Mossad-Chefs Danny Jatom bei.
- Mord an Mahmud al-Mabhu: Im Januar 2010 wird Hamas-Militärführer Mahmud al-Mabhuh in seinem Hotelzimmer in Dubai ermordet. Er wird zunächst mit Medikamenten ruhiggestellt und dann erstickt. Israelische Medien bezeichnen Al-Mabhuh als Drahtzieher der Verschleppung und Ermordung israelischer Soldaten im Jahr 1989. Die arabischen Behörden verdächtigen 27 Beteiligte, die mit gefälschten europäischen Pässen eingereist sind und Dubai unmittelbar nach der Tat verlassen haben sollen. Rund einen Monat später beschuldigt Dubais Polizeichef den Mossad, Israel streitet jede Beteiligung ab.
- Tötung von Ismail Hanija: Im Juli 2024 befindet sich Hamas-Auslandschef Ismail Hanija auf einem Besuch in der iranischen Hauptstadt Teheran, um der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian beizuwohnen. Wenige Stunden später wird Hanija in einer Residenz im Norden der Hauptstadt bei einem Angriff getötet. Israel wird in einer Hamas-Mitteilung für die Tötung Hanijas durch einen gezielten Raketenangriff verantwortlich gemacht. Der Auslandschef ist der ranghöchste Hamas-Anführer, der seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 getötet wird.