Eigentlich geht es bei Robert Habecks Griechenland-Besuch um Handel und Energie, dann aber um Migration. Der Minister kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen.
Draußen neigt sich ein heißer griechischer Sommertag zu Ende, drinnen in der übervollen Halle riecht es nach Männerschweiß und Mundgeruch. Auf der Bühne steht der deutsche Wirtschaftsminister. "Es ist ein bisschen, wie die Vorband des Hauptakts zu sein", sagt Robert Habeck und man zweifelt kurz, ob das wirklich nur lustig sein soll oder ob da nicht doch mehr dahintersteckt.
Vorband Vizekanzler? Um Punkt 20 Uhr am Samstag muss Habeck mit seiner Rede fertig sein. Dann spricht der griechische Premier zur Lage der Nation. Sechs Minuten also hat Habeck als Vertreter des diesjährigen Gastlandes Zeit, um seine Botschaft zu platzieren: Der zunehmende Protektionismus schade allen, es brauche Kooperation. Aber erst einmal sagt er: Vielleicht erinnere man sich daran, dass AC/DC einmal die Vorband von Led Zeppelin war.
Habeck wie AC/DC, das klingt schon besser. Das klingt nach: Da kommt noch Großes, und das passt ins Bild. Er will Kanzlerkandidat der Grünen für die kommende Bundestagswahl werden, auch wenn das noch keiner offen sagt. Nun sind die entscheidenden Wochen, ein Parteitag im November könnte ihn zur Nummer 1 machen.
Robert Habeck und die Weltpolitik: "Wäre idiotisch, sich Maulkörbe zu geben"
Am Samstag eröffnet er in der nordgriechischen Hafenstadt die "Thessaloniki International Fair", eine jährliche Handelsmesse. Und er nimmt an einer Konferenz zur Energiekooperation zwischen der EU und der MENA-Region teil. Es geht um Weltpolitik, um die USA und China, darum, wie sich Europa behauptet. Die großen Themen. Ist das also die Anfangsphase des Bundestagswahlkampfs?
Habeck Kanzlerkand Testballon 8:00
Davon will der Minister nichts wissen. "Die Gespräche kreisen hier um mein Fachgebiet", sagt Habeck vor dem Raum "Leipzig" in der deutschen Halle. Nebenan gibt es Kässpätzle und Königsberger Klöpse. "Aber natürlich redet man auch über das, was weltpolitisch vor sich geht. Das wäre ja idiotisch, sich da Maulkörbe zu geben."
Er selbst tut alles, um die Weltpolitik mit deutscher Innenpolitik zu verbinden. Er habe mit Premier Kyriakos Mitsotakis, neben der Situation in der Ukraine und dem Verhältnis zu Russland, "schon viel auch über die Migrationsfrage gesprochen". Seit im nordrhein-westfälischen Solingen drei Menschen durch einen mutmaßlichen Islamisten getötet wurde, hat die Debatte über Migration eine neue Intensität erreicht. Gemeinsam mit Nancy Faeser, der Bundesinnenministerin von der SPD, und Marco Buschmann, dem Bundesjustizminister von der FDP, hat sich Habeck auf ein Sicherheitspaket mit verschärften Maßnahmen geeinigt. Die Union treibt die Regierung vor sich her – und hat Zurückweisungen an der Grenze zur Bedingung für weitere Gespräche gemacht, die am Dienstag erneut zwischen Vertretern der Regierung, der Opposition und der Länder stattfinden sollen.
Schöne Grüße an den Oppositionsführer
Es sei in der Tat so, dass von Griechenland aus "viele Flüchtlinge weiter nach Deutschland" reisten, sagt Habeck. "Und das finden die Griechen nicht schlimm." Er habe den griechischen Premierminister umgekehrt gefragt, was sie sagen würden, "würden wir die alle wieder zurückbringen". Das scheine ihm zwischen "dem Premierminister und dem Oppositionsführer in Deutschland, die sind ja die gleiche Parteienfamilie, noch nie besprochen worden zu sein", stichelt Habeck mit Blick auf Merz.
Schöne Grüße aus Griechenland an den Oppositionsführer.
Die Opposition denke ihre Forderungen nicht zu Ende, dieser Vorwurf schwingt mit. Habeck will europäisch rüberkommen. Er drängt darauf, die neue europäische Asylreform schnell umzusetzen. Bei den Grünen sind sie genervt vom Gebaren der Union in der Migrationsdebatte, werfen ihr vor, zu spalten. Annalena Baerbock, die Außenministerin, plädierte bei der Klausur des Fraktionsvorstands in der vergangenen Woche für "einen kühlen Kopf", auch wenn einem das Herz brenne.
Nicht nur Opposition setzt Grüne unter Druck
Doch die Grünen geben in der aktuellen Debatte kein gutes Bild ab. Es ist das jüngste Beispiel dafür, wie die Partei, geht es ums Thema Migration, immer wieder ins Hintertreffen gerät: In der Vergangenheit sträubten sich Teile der Partei oft gegen Verschärfungen, trugen sie dann unter größten Schmerzen doch mit. Eine klare Linie offenbart sich meist nicht – auch wenn sich in der jüngsten Debatte Versuche erkennen lassen, sich klarer zu positionieren.
Interview Marquardt Asyldebatte 8.35
Das Innenministerium prüft, ob Zurückweisungen rechtlich möglich sein könnten. Was tun die Grünen eigentlich, sollte das Gutachten dies bejahen? Es ist nicht nur die Opposition, die die Grünen in der Frage unter Druck setzt. Auch FDP und Teile der SPD sprechen sich für Verschärfungen in der Frage aus. Ein weiteres Thema voller Uneinigkeiten in dieser so schwierigen Koalition unterschiedlicher Partner. Die Grünen könnten vor schwierigen Wochen stehen, es geht um ihre DNA.
Der griechische Ministerpräsident regiere im Moment mit absoluter Mehrheit, darauf weist der deutsche Botschafter in Griechenland beim Spaziergang auf der Küstenpromenade hin. Das sei ja anders als in Deutschland.
Habeck, der ihm zuvor aufmerksam in die Augen blickte, schaut da lieber auf den Boden und verzieht keine Miene. Vielleicht hatte er gehofft, dass zweieinhalb Flugstunden von Berlin ausreichend weit weg ist für Erinnerungen an Ampel-Streitigkeiten. Falsch gedacht, auch wenn man es in der Meeresluft für einen kurzen Moment ausblenden konnte.