17 hours ago

Meinung: Aschermittwoch adé: Dieses Ritual braucht niemand



Angesichts der hochdramatischen Welt- und Sondierungslage schrumpft das Ritual des Politischen Aschermittwochs in diesem Jahr zu einer Nebenveranstaltung. Gut so.

Dieser Auftritt wird der Republik immerhin erspart. Friedrich Merz will an diesem Mittwoch nicht nach Apolda fahren, sich in die örtliche Brauereihalle stellen und wie zu früheren Gelegenheiten rufen, dass hier, in Thüringen, nicht Berlin-Kreuzberg sei. Oder so.

Stattdessen bleibt der CDU-Vorsitzende so wie SPD-Amtskollege Lars Klingbeil in Berlin, um mit ihm über das eher komplexe Vorhaben namens Bundesregierung zu reden. Arbeiten statt Agitieren. Bionade statt Bier. 

Und das ist auch gut so. Merz zeigt, dass er zumindest hier die richtigen Prioritäten setzt. Für pragmatische Verhandlungen und gegen polemische Parteifolklore, die vertrauensvolle Verhandlungen nur erschweren würden.

Nur der CSU-Chef, was sonst, schwänzt in der Hauptstadt, getreu dem Motto: Ein Markus Söder macht immer allein das, was er will. Sollen doch die anderen über diese komische Koalition verhandeln. 

Doch was will Söder eigentlich in Passau sagen? Dass die SPD deppert ist und saublöd noch dazu? Dass die AfD in Bayern nur auf schlappe 19 (neunzehn) Prozent kam? Oder dass alles, was die Union vor der Wahl zum Thema Schulden sagte, ein einziger großer Schmarrn war? 

Okay, bei den grünen Verlierern nachtreten, das geht immer, den Rest erledigt der Alkohol. Doch unabhängig davon passt das aschermittwöchliche Ritual, das von jeher latent peinlich war, nicht mehr in diese dramatische Zeit, in der es um deutlich mehr geht als um ein paar besonders preiswerte Punkte auf Kosten der politischen Konkurrenz.

Die Frage, was diese Politikkirmes außer Polarisierung bringt, wurde noch nie sinnstiftend beantwortet. Ja, wenn die Reden nicht so bemüht humorig wären, ließe sich wenigstens ein Unterhaltungswert bemessen. Aber leider ist der deutsche Politikbetrieb noch unlustiger als der unlustigste Karnevalsverein.  

Der verfrühte Aschermittwoch von München

Wie wäre es mit einem Vorschlag zur Güte: Wer unbedingt jenseits von Oktoberfest, Dorfkirmes oder ähnlich gelagerten Festivitäten auch am Aschermittwoch zu viel Bier zu Blasmusik trinken will: nur zu! Aber die Politik sollte ihre Selbstbespaßung bitte Parteitagen vorbehalten – und die Auseinandersetzung mit der politischen Konkurrenz den Parlamenten und Wahlkampagnen. 

Das dient dann auch der Fehlervermeidung. Zum Beispiel Friedrich Merz. "Links ist vorbei", rief er am Tag vor der Bundestagswahl in München. Er werde Politik für die Mehrheit machen, die noch "alle Tassen im Schrank" habe, aber nicht "für irgendwelche grünen und linken Spinner". Nebenbei benutzte er den Tod von Walter Lübcke für eine demagogische Falschbehauptung.

Der CDU-Vorsitzende hatte, upsi, seine Aschermittwochsrede vorfristig gehalten und somit bereits ausreichend Schaden angerichtet. Auch deshalb muss er jetzt nicht mehr nach Apolda. 

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