Wer eine Ungeheuerlichkeit nach der anderen verkraften muss, stumpft irgendwann ab. Das weiß auch Donald Trump. Empörungsmüdigkeit ist aber gerade jetzt nicht angebracht.
Dafür, dass Donald Trump Grenzen so sehr liebt, überschreitet er sie ziemlich oft. So auch am Dienstag. Die USA würden die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen, Millionen Palästinenser zwangsumsiedeln und aus dem kaputtgebombten Küstenstreifen eine "Riviera des Nahen Ostens" machen. So einfach, so kompromisslos, so Trump.
Die Welt reagiert mit gewohnter Fassungslosigkeit. Imperialistisch sei das, menschenverachtend und illegal sowieso. Doch angesichts des täglichen Wahnsinns, der da aus dem Weißen Haus schwappt, hat Empörung inzwischen eine unwahrscheinlich kurze Halbwertzeit. Spätestens, wenn er morgen die Ostukraine per Videoschalte an Putin verscherbelt, mit Flugzeugträgern den Panamakanal blockiert oder das transatlantische Freihandelsabkommen in die Tonne kloppt, ist Gaza wieder Schnee von gestern.
Debatten, die in der Prä-Trump-Ära über Wochen die Schlagzeilen bestimmt hätten, versanden heute in Rekordzeit. Menschen können sich eben nicht unendlich aufregen. Die Taktung des Unsagbaren ist so hoch, dass zum Reflektieren, geschweige denn zum Reagieren kaum Zeit bleibt. Das Unnormale wird zum Normalzustand, Abwinken zum Schutzreflex. Genau das will Trump.
Donald Trumps Wahnsinn hat Strategie
Seit seinem Amtsantritt am 20. Januar trat der Präsident aus der WHO, dem Pariser Klimaabkommen und dem UN-Menschenrechtsrat aus, setzte das Asylrecht außer Kraft, stellte das Geburtsrecht auf Staatsbürgerschaft infrage, beschränkte die sexuelle Selbstbestimmung seiner Bürger und verpasste erste Schläge in einem womöglich globalen Handelskrieg. Hinzu kommen seine absurden, aber leider ernstzunehmenden Fantastereien über den Kauf Grönlands, die Annexion des Panamakanals und die Eingliederung Kanadas.
Diese völlige Reizüberflutung ist kein Zufall. Sie ist Strategie. Angesichts der schieren Flut an Dekreten hat niemand mehr eine Chance, vor die Welle zu kommen. Die Opposition verfällt in Schockstarre, Medien kommen kaum hinterher. "Flood the Zone" heißt dieses Prinzip, dessen Erfindung sich der ultrarechte Spindoktor Steve Bannon rühmt.
Während Trump Nebelkerzen wie Pyrotechnik zündet, höhlt sein Team handverlesener Ja-Sager im Windschatten multipler Shitstorms den Rechtsstaat aus. Sie säubern verhasste Strafverfolgungsbehörden wie das FBI von kritischen Stimmen, entziehen politischen Gegnern den Personenschutz, prüfen Strafverfahren. Reaktionen Trumps Gaza-Lösung 7.21
Die Welt katert nach 16 Tagen Trump
Trotzdem wird auch ein entfesselter Donald Trump dieses Tempo nicht ewig durchhalten können. Das muss er auch nicht. Bis zu den Zwischenwahlen im November 2026 hat er nahezu freie Hand – im Senat und im Repräsentantenhaus sind seine hörigen Republikaner überlegen, sogar das Oberste Gericht tanzt mehrheitlich nach seiner Pfeife.
Doch waren das erst 16 Tage unter Trump. Bleiben noch 1445. Und schon jetzt herrscht Katerstimmung. Die Empörungsknospen sind so ausgelaugt wie der Dopaminhaushalt nach einer Nacht im Vollrausch. In so einer Lage raffen sich die wenigsten auf. Sollten sie aber. Die Party ist vorbei.