21 hours ago

Kindererziehung: Diese Fehler können die Entstehung narzisstischer Persönlichkeiten fördern



Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, doch manchmal werden trotz gut gemeinter Erziehung Narzissten aus ihnen. Worauf Sie achten sollten, damit das nicht geschieht.

Narzissmus – ein Begriff, der immer häufiger in Diskussionen über moderne Erziehung auftaucht. Er beschreibt eine Persönlichkeitseigenschaft, die geprägt ist von übermäßiger Selbstbezogenheit, einem schier unstillbaren Hunger nach Anerkennung und einem Mangel an Mitgefühl. Doch wie entwickelt sich Narzissmus? Neben genetischen Einflüssen ist es oft die Erziehung, die entscheidend dazu beiträgt. Manche elterlichen Verhaltensweisen, gut gemeint und aus Liebe entstanden, können unbeabsichtigt die Wurzeln für narzisstische Züge legen. Dem stern erklärt Diplompsychologin Christine Geschke drei typische Erziehungsfehler, die diesen Prozess begünstigen können, warnt allerdings auch: "Narzissmus ist eine tiefgreifende psychiatrische Erkrankung, das darf man nicht vergessen. Er muss unbedingt von jemandem abgegrenzt werden, der lediglich egoistische oder narzisstische Tendenzen zeigt."

1. Übermäßige Bewunderung und Verwöhnung

Eltern möchten das Beste für ihr Kind. Sie wollen, dass es selbstbewusst aufwächst, an sich glaubt und seine Träume verwirklicht. Doch wenn ein Kind fortwährend als das "klügste“, "talentierteste" oder "großartigste" Wesen auf Erden gefeiert wird, verliert es den Bezug zur Realität. Es kann lernen, dass es nicht für sein Wesen, sondern für seine vermeintliche Überlegenheit geliebt wird.

Ein klassisches Beispiel: Das Kind malt ein Bild und statt ehrlicher Anerkennung sagt die Mutter: "Das ist das schönste Bild, das ich je gesehen habe! Du bist ein wahres Genie!" Solche Übertreibungen lassen das Kind glauben, dass es immer außergewöhnlich sein muss, um geliebt zu werden. Kritik oder Niederlagen werden später schwer verkraftet. Es entsteht eine Anspruchshaltung: Andere sollen es ebenso bewundern wie die Eltern. Bleibt diese Bewunderung aus, drohen Unsicherheit und Frustration.

"Ein solches Verhalten kann zu einem überhöhten Selbstwertgefühl führen, das mit einem starken Anspruchsdenken einhergeht. Später zeigt sich diese Haltung in zwischenmenschlichen Beziehungen – sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld", warnt Geschke. Menschen mit dieser Prägung gehen oft davon aus, wenig tun zu müssen, aber dennoch viel erwarten zu können. Dies könne letztlich in ein egoistisches Verhalten münden, das nach außen hin narzisstisch wirke.

2. Mangelnde emotionale Wärme und bedingte Liebe

Doch nicht nur übermäßige Bewunderung kann Narzissmus fördern – auch das Gegenteil, nämlich emotionale Kälte. Wenn Kinder lernen, dass Liebe und Aufmerksamkeit nur für Leistung oder perfektes Verhalten gewährt werden, entwickeln sie oft ein tiefes Gefühl der Unsicherheit. Sie versuchen später, diese innere Leere mit äußerer Anerkennung zu füllen – sei es durch beruflichen Erfolg, soziale Statussymbole oder unermüdliche Selbstinszenierung. Oder das Kind verhält sich absichtlich negativ.

"Wenn ein Kind emotional vernachlässigt wird und keine Aufmerksamkeit von seinen Eltern erhält – selbst wenn es sich lieb verhält –, kann es in eine gegenteilige Haltung verfallen. Statt sich anzupassen, beginnt es, auffällig zu werden", sagt Geschke. Dieses Verhalten diene oft dazu, die Aufmerksamkeit der Eltern zu erzwingen, auch wenn sie nur durch negative Ereignisse entstehe. "Beispielsweise sorgen schlechte Noten oder Fehlverhalten in der Schule dafür, dass Lehrer das Gespräch mit den Eltern suchen und diese sich dadurch gezwungenermaßen mit ihrem Kind auseinandersetzen", erklärt die Expertin. So lerne das Kind, dass es durch negatives, egoistisches oder asoziales Verhalten Aufmerksamkeit erhalte – wenn auch auf paradoxe Weise.

3. Fehlende Grenzen und Konsequenzen

Genauso schädlich wie übertriebene Bewunderung oder emotionale Distanz ist ein dritter Fehler: fehlende Grenzen. Kinder brauchen Leitplanken, an denen sie sich orientieren können. Ohne klare Regeln und Konsequenzen lernen sie nicht, dass ihr Verhalten Auswirkungen auf andere hat. Sie könnten glauben, dass sich die Welt um sie dreht – und erwarten, dass alle sich nach ihren Bedürfnissen richten.

Man denke an ein Kind, das nie ein "Nein" hört. Es darf bestimmen, was gegessen wird, wann geschlafen wird und welche Sendungen im Fernsehen laufen. Solche Erfahrungen prägen: Wer nie erfährt, dass auch andere Menschen Bedürfnisse und Grenzen haben, könnte später Schwierigkeiten haben, sich in eine Gemeinschaft einzufügen. Der Gedanke, dass die eigenen Wünsche nicht immer im Mittelpunkt stehen, fällt dann schwer.

"Oft treffen wir Entscheidungen auf Basis unserer Einschätzung möglicher Konsequenzen. Angst entsteht dabei nicht isoliert vor einer bestimmten Situation, sondern vor den negativen Folgen, die daraus resultieren könnten", erklärt Psychologin Geschke. Wenn ein Kind jedoch keine negativen Konsequenzen für sein Verhalten erfahre, lerne es, dass es sich benehmen könne, wie es möchte, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen. Es entwickele das Gefühl, immer im Recht zu sein, und erfahre keine Grenzen. "Dies kann Egoismus fördern, der im sozialen Umfeld schnell als narzisstische Tendenz wahrgenommen wird", mahnt Geschke. "Infolgedessen fehlt es solchen Kindern häufig an Empathie, da sie nicht gelernt haben, die Auswirkungen ihres Verhaltens auf andere zu reflektieren."

Das sollten Eltern tun, um keine Narzissten zu formen

Eltern tragen eine große Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder. Damit aus selbstbewussten Söhnen und Töchtern keine selbstverliebten Erwachsenen werden, ist ein ausgewogenes Erziehungsverhalten entscheidend. Ehrliche Anerkennung statt übertriebener Lobgesänge, bedingungslose Liebe statt Anerkennung nur nach Leistung und klare Regeln statt grenzenloser Freiheit – das sind die Bausteine einer gesunden Entwicklung.

Ein Kind sollte wissen, dass es wertvoll ist – nicht wegen seiner Erfolge oder seines besonderen Talents, sondern einfach, weil es existiert. So entsteht ein stabiles Selbstwertgefühl, das nicht von äußerer Bestätigung abhängt. Eltern, die diesen Weg einschlagen, helfen ihrem Kind, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen – selbstbewusst, aber nicht selbstverliebt.

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