2 days ago

Kanzlertalk bei Illner: Dobrindt: "Das Gesicht der Krise ist Robert Habeck"



Eigentlich sollen die Gäste bei Maybrit Illner über die Kanzlerdiskussion in der SPD reden. Doch dann kommt alles ganz anders. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt fasst lieber den Kanzlerkandidaten der Grünen kritisch ins Auge.

Am Abend zeigt die Redaktion von Maybrit Illner, wie schnell sie sein kann. Eigentlich ist eine Diskussion zur Kanzlerkrise in der SPD geplant. Doch am Abend ist damit plötzlich Schluss. "Soeben habe ich unserer Partei- und Fraktionsspitze mitgeteilt, dass ich nicht zur Verfügung stehe für die Kandidatur um das Amt des Bundeskanzlers. Es ist meine souveräne, meine persönliche und ganz eigene Entscheidung." Mit diesen Worten beendet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius die Spekulationen um seine mögliche Kanzlerkandidatur. Nun ist klar: Die SPD schickt erneut Bundeskanzler Olaf Scholz ins Rennen. Moderatorin Maybrit Illner ändert das Konzept für ihre Talkshow, schnell wird ein neuer Einspieler für den Anfang der Sendung produziert. Dass sie vor der Sendung ordentlich Stress gehabt haben muss, merkt man ihr nicht an.

"Die Entscheidung für Olaf Scholz war aus meiner Sicht seit langem überfällig und auch klar", sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der seit einigen Tagen als eine Art Allzweckwaffe der SPD durch die deutschen Talkshows tingelt. Das kann er sich auch leisten, hat er doch die meisten seiner Vorhaben in der Ampelkoalition umsetzen können, wie "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen im Laufe der Sendung anerkennend feststellt. Als Letztes müsste nun noch Lauterbachs Krankenhausreform den Bundesrat passieren. Das ist allerdings fraglich.

Doch davon lässt sich Lauterbach nicht beirren. An diesem Abend ist er bei Illner, um Werbung für Kanzler Scholz zu machen. "Er ist ein erfolgreicher Bundeskanzler, der derzeit unterbewertet wird", sagt Lauterbach. Es habe ein paar gegenteilige Stimmen gegeben aus der dritten Reihe und von ehemaligen Funktionsträgern der SPD. "Aber in der Parteispitze und in der Breite der Partei ist es eigentlich von Anfang an klar gewesen, dass Olaf Scholz der Kandidat sein wird." Ein Schaden sei durch die Diskussion in der SPD für niemanden entstanden, sagt Lauterbach. Scholz sei ein starker Kandidat, der von den Entscheidungsträgern in der SPD nie in Frage gestellt worden sei. Und Pistorius habe sehr würdevoll, respektvoll und mit klarer Sprache seinen Kandidaturverzicht erklärt. Und man möchte hinzufügen: ganz ohne Teleprompter.

Dobrindt: Ampel als Schadensereignis

Doch Scholz wird es nicht leicht haben. "Es ist schwer, dieses Produkt Olaf Scholz nach drei Jahren Ampelregierung zu verkaufen", sagt Markus Feldenkirchen. Laut einer Umfrage der ARD ist Scholz der unbeliebteste aller zur Verfügung stehenden Kanzlerkandidaten. Etwa 21 Prozent der Bevölkerung möchten Scholz als Kanzler wiederhaben. Selbst Alice Weidel von der AfD hat mehr Zuspruch. Und bei Boris Pistorius sind es gar 60 Prozent. Damit liegt er deutlich vor dem noch nicht bestätigten Unionskandidaten Friedrich Merz. Doch das ficht Karl Lauterbach nicht an. Scholz werde einen sehr guten Wahlkampf machen, sagt er. "Er wird erneut die Leute überraschen." Die Beliebtheit eines Politikers spiele zwar eine gewisse Rolle, aber die Wahlkampfthemen seien viel wichtiger.

"Die Ampel wird wahrgenommen als großes Schadensereignis für Deutschland", ist sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sicher. Auch Dobrindt hat inzwischen in den Wahlkampfmodus geschaltet, wie überhaupt alle Politiker an diesem Abend. Das Ergebnis von drei Jahren Koalition sei ein Abwärtstrend der Wirtschaft, eine Steigerung der Polarisierung und eine Gefährdung der Parteienlandschaft. Tatsächlich hat sich die Wählerzustimmung für die AfD den letzten Umfragen zufolge in den vergangenen drei Jahren nahezu verdoppelt.

Die Diskussion um Habeck

Für die SPD sei die Situation schwierig, meint auch die neu gewählte Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner. "Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir als Grüne jetzt Klarheit geschaffen haben." Vor wenigen Tagen hatten die Grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck auf einem Parteitag zum Kanzlerkandidaten gewählt, und das mit 96 Prozent der Stimmen. Ein beachtliches Ergebnis, vor allem für die Grünen, sagt Brantner. Habeck habe bewiesen, dass er Krisen meistern kann. "Und er ist auch jemand, der, wenn er einmal einen Fehler gemacht hat, ihn benennt, ihn korrigiert und daraus lernt und dann nach vorne geht." Nun müssten die Krisen auf dieser Welt gut gemeistert werden, sagt Brantner. "Jetzt geht es darum, Deutschland wieder auf Vordermann zu bringen, schneller und besser zu machen." Habeck sei dafür der Richtige. Das habe er in der Ampelregierung bewiesen, indem er den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt und kurz nach Beginn des Ukrainekrieges die LNG-Terminals nicht erst nach sechs Jahren, sondern schon nach sechs Monaten zum Laufen gebracht habe. "Jetzt geht es darum, dieses Tempo auf alle Gebiete anzuwenden", so Brantner.

Habeck sei aber auch für das Heizungsgesetz verantwortlich gewesen, wendet Dobrindt ein. Die Entscheidung, die E-Autoförderung von heute auf morgen zu streichen, habe zu einem Absatzeinbruch geführt. "Das Gesicht der Krise ist Robert Habeck", so Dobrindt.

Damit Habeck wieder Verantwortung übernehmen kann, muss er mitregieren dürfen. Doch das wird schwierig. Schuld daran ist CSU-Chef Markus Söder, der die Grünen in einer möglichen neuen Koalition nach den Wahlen nicht mitspielen lassen will. Dobrindt auch nicht: "Wenn Deutschland einen Politikwechsel braucht, und das ist die Meinung von 80 Prozent der Bundesbürger, dann muss man sehen, mit wem das möglich ist. Und alles, was wir von den Grünen hören, macht sehr deutlich, dass es nicht möglich ist, diesen Politikwechsel zu bekommen." Die Grünen seien der Grund gewesen, warum man in der Ampelkoalition keine Kompromisse hinbekommen habe, so Dobrindt. "Wir haben die Grünen jetzt drei Jahre in einer Ampel erlebt, und ich bin der Überzeugung, sie sollten nicht mehr regieren." Die SPD schon. Die werde vermutlich nach den Wahlen sehr geschrumpft sein, und das würde schon passen.

Und da meldet sich Lauterbach wieder zu Wort. Die SPD sei noch nicht geschlagen, sie sei unterbewertet. "Die Ampel ist beendet, aber es ist nicht alles falsch gewesen." Und so geht ein weiteres Wahlkampfkapitel zu Ende. Fortsetzung folgt.

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