Psychedelika sind vor allem als Szene-Drogen bekannt, aber werden auch wieder im medizinischen Kontext diskutiert. Einblicke in ein Leben, in dem LSD und MDMA zum Alltag gehören.
Freunde haben mich zu den Drogen gebracht. Durch sie habe ich zuerst MDMA probiert, dann LSD. Ist es nicht meistens so, dass wir durch unser Umfeld an Rauschmittel kommen, zum Beispiel Alkohol oder Zigaretten? Irgendwer konsumiert, hat Spaß dabei, keine sichtbaren Nachteile – der Konsum wird normalisiert, die Neugierde wächst. Und dann, mit genügend Neugier, probiert man es irgendwann eben selbst aus.
Als ich angefangen habe, psychedelische Drogen zu konsumieren, hatte ich erstmal eine rosarote Brille auf. Es war ein bisschen, als hätte ich eine geheime Welt entdeckt. Ich dachte anfangs, dass Drogen gar nicht so gefährlich sind, wie mir bisher immer erzählt wurde, und jeder sie konsumieren kann, wenn er sich nur an ein paar Regeln hält. So einfach ist es natürlich nicht. Es brauchte aber Jahre, bis ich gelernt habe, welche Chancen und Risiken der Konsum von Psychedelika mit sich bringt – und dass sie eben nicht für jeden geeignet sind.
Trips laufen eigentlich immer gleich ab. Typisch sind optische Veränderungen. Durch die psychedelische Wirkung verschwimmen plötzlich die Grenzen zwischen Objekten. Aus meiner Hand, einem Laptop und einem Mikrofon wird dann einfach ein Einheitsbrei. Und dann sind da emotionale Verstärkungen. Ich nehme Gefühle stärker wahr – und zwar in alle Richtungen. Wer Psychedelika nimmt, entdeckt mitunter Gefühle, die er vorher gar nicht gespürt hat. Psychedelika kitzeln quasi das Versteckte aus unserem Unterbewusstsein, das gilt auch für Erinnerungen und Gefühle.
Wie Psychedelika verändern
Psychedelika wirken im Hirn ähnlich wie eine extrem intensive Meditation. Durch die Einnahme wird das Gehirn in einen beobachtenden Status versetzt. Dadurch kann man eine andere Perspektive einnehmen und aus gewohnten Mustern und alten Denkweisen heraustreten. Natürlich nimmst du nicht die Pille und siehst danach sofort alles anders. Aber es gibt die Chance, neue Eindrücke im Rausch zu erleben, Emotionen zu fühlen und Gedanken zu haben, die wir danach in unser nüchternes Leben integrieren können – wenn wir das wollen.
Mich haben Psychedelika verändert. Ich war eigentlich immer ein sehr verkopfter Mensch, habe mir die Welt mit meinen Gedanken sehr oft verkompliziert und meine Gefühle verdrängt. Dadurch habe ich mich von mir selbst entfremdet, mich gar nicht mehr richtig gespürt. Und eigentlich ging es mir damit auch gut. Dachte ich jedenfalls. Die Trips haben mich dann voll auf die Gefühlsebene gerissen. Ich habe plötzlich gefühlt, wie es mir wirklich mit meinem Job oder in meiner Beziehung geht, statt lediglich darüber nachzudenken.
Ich habe aber sehr wichtige Entscheidungen unter dem Einfluss von Psychedelika getroffen. Zum Beispiel habe ich damals im Rausch meiner heutigen Frau einen Heiratsantrag gemacht. Ich habe sie angeschaut und wusste auf einmal, dass ich mit dieser Frau den Rest meines Lebens verbringen möchte. Man kann sagen, das Rauschmittel hat mir geholfen, das Richtige zu tun. Nüchtern hätte ich das noch weiter aufgeschoben und auf irgendeinen "perfekten Moment" gewartet.
Der moderne Drogen-Junkie
Allerdings habe ich durch Psychedelika auch die Angst kennengelernt. Ich dachte immer, ich bin kein ängstlicher Mensch. Dabei hatte ich sie nur konsequent verdrängt. Bis ich ihr während eines Trips dann begegnete. Ich war damals bei einem Freund, und wir haben eine mittlere Dosis LSD konsumiert und Musik gehört. Und auf einmal habe ich ein mir bisher völlig unbekanntes Gefühl gespürt. Das war so intensiv, so groß, und ich konnte mich nicht mehr dagegen wehren. Die verdrängte Angst hat mich übermannt. Ich habe dann hyperventiliert, es aber dank meines Freundes geschafft, dieses Gefühl zuzulassen und anzunehmen. Ich habe innerhalb von 20 Minuten jede Angst durchgespielt, die ich in meinem Leben nicht spüren wollte: die Angst vorm Sterben, Angst alleingelassen zu werden, Angst, dass jemandem etwas passiert… Und mit jedem Mal wurde das Gefühl annehmbarer, es hat die Macht verloren.
Durch das Rauschmittel habe ich insgesamt eine gedankliche Flexibilität entwickelt, die es mir auch ermöglicht, im Streit mit anderen Leuten in die Zuschauerreihe zu gehen und mich zu fragen, welchen Anteil ich an der Situation habe – und wie ich mich an der Stelle meines Gegenübers fühlen würde. Das macht Psychedelika auch so spannend für die Traumaforschung: Ihr Einsatz kann dabei helfen, schlimme Erinnerungen und Erlebnisse aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Statt immer weiter auf den eingefahrenen Schienen des Lebens zu fahren, können wir durch Trips das Gleis wechseln und schauen, was es von dort aus alles zu sehen oder zu fühlen gibt. Wir lernen: Es ist eine Entscheidung, wie wir die Welt sehen. Das gibt uns einen gewissen Handlungsspielraum.
Früher hatte ich immer nur das Bild von kranken Junkies im Kopf, ich wurde mit den Kindern vom Bahnhof Zoo sozialisiert. Mein Bild von einem Drogenrausch war der vollkommene Kontrollverlust. Ich hatte Menschen im Kopf, die regungslos auf dem Boden liegen und Schaum im Mund haben. Ein klassisches Bild von Deutschlands Bahnhöfen halt. Heute weiß ich es besser. Ich weiß, dass Menschen, die Rauschmittel konsumieren nicht immer krank sind, sondern oft zur Mitte der Gesellschaft gehören.
Manager, Putzfrauen, Servicekräfte, Pfleger – jeder kann ab und zu mal etwas konsumieren und trotzdem ein normales Leben führen. Natürlich gibt es aber auch Menschen, die suchtkrank sind und einen problematischen Konsum haben. Diese Menschen brauchen Hilfe, keine Frage. Aber ich habe eben auch viele andere Realitäten kennengelernt. Das sind meine Erfahrungen mit Psychedelika. Das bedeutet nicht, dass die Substanzen bei jedem gleich wirken. Der Konsum von Rauschmitteln ist und bleibt eine individuelle Angelegenheit.