IAEA-Chef Grossi drängt darauf, die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm fortzusetzen. Bei einem Treffen mit dem neuen Präsidenten Peseschkian betont er zugleich, dass die Zeit rennt. Teheran zeigt sich derweil gesprächsbereit - aber nicht "unter Druck".
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hat den Iran zu Kompromissen in den Verhandlungen über sein Nuklearprogramm aufgefordert, um einen weiteren bewaffneten Konflikt in der Region zu vermeiden. Es sei "unerlässlich", jetzt zu "greifbaren Ergebnissen" zu kommen, sagte Grossi bei einem Besuch in Teheran. "Es ist zu diesem Zeitpunkt unerlässlich, einige konkrete, greifbare, sichtbare Ergebnisse zu erzielen, die zeigen, dass diese gemeinsame Arbeit die Lage verbessert (...) und in einem allgemeinen Sinne uns von Konflikt und letztlich Krieg wegführt", sagte Grossi.
"Die Tatsache, dass es internationale und regionale Spannungen gibt, zeigt, dass der Raum für Verhandlungen und Diplomatie nicht größer, sondern kleiner wird", sagte Grossi weiter. Der IAEA-Chef bemüht sich darum, seinen Inspektoren wieder Zugang zum iranischen Atomprogramm zu verschaffen und Antworten auf noch offene Fragen zu erhalten. Bei früheren Reisen war der Erfolg dabei begrenzt.
Der neue iranische Präsident Massud Peseschkian sagte bei einem Treffen mit dem IAEA-Chef, der Iran sei zur Zusammenarbeit mit Blick auf sein Atomprogramm bereit. Dazu gehöre auch, "die angeblichen Unklarheiten und Zweifel hinsichtlich der friedlichen nuklearen Aktivitäten unseres Landes auszuräumen".
Grossi traf zudem Außenminister Abbas Araghtschi. Dieser nannte die Unterredung "wichtig und direkt" und bekräftigte, dass der Iran sich an das Abkommen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen halte. "Wir haben vereinbart, mit Mut und gutem Willen weiterzumachen", schrieb Araghtschi auf X. Der Iran habe "nie den Verhandlungstisch verlassen" und sei "bereit, auf der Grundlage unserer nationalen Interessen und unserer unveräußerlichen Rechte zu verhandeln". Allerdings sei sein Land "nicht bereit, unter Druck und Einschüchterung zu verhandeln", betonte der Außenminister.
Trump trat aus Abkommen aus
Araghtschi hatte als Chefunterhändler an den internationalen Atomgesprächen teilgenommen, die 2015 zu einem Atomabkommen zwischen den USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und dem Iran geführt hatten. Das Abkommen zielte darauf ab, den Iran am Bau von Atombomben zu hindern, im Gegenzug wurden Sanktionen gegen das Land gelockert. Unter dem in der vergangenen Woche erneut zum US-Präsidenten gewählten Republikaner Donald Trump zogen sich die Vereinigten Staaten jedoch 2018 einseitig aus dem Atomabkommen zurück. Trump ließ damals wieder massive US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft setzen.
Der Chef der iranischen Atomorganisation, Mohammad Eslami, warnte den IAEA-Gouverneursrat vor Beschlüssen gegen das iranische Atomprogramm. "Jede interventionistische Resolution in atomaren Angelegenheiten der Islamischen Republik Iran wird definitiv mit sofortigen Gegenmaßnahmen beantwortet", sagte Eslami. Präsident Peseschkian hat sich für eine Wiederbelebung des Atomabkommens ausgesprochen und ein Ende der Isolation seines Landes gefordert. Seit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen hatte auch der Iran schrittweise seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung aufgekündigt.
Allerdings wird befürchtet, dass mit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Januar die Spannungen zwischen dem Iran und den USA weiter zunehmen könnten. In einem Interview hatte Grossi gewarnt, die Spielräume in den Gesprächen würden enger. Es sei zwingend notwendig, "Wege zu finden, um zu diplomatischen Lösungen zu gelangen". Für Freitag hat Grossi nach eigenen Angaben einen Besuch der Uran-Anreicherungsanlagen in Fordo und Natans geplant. Der Besuch solle ihm helfen, sich ein vollständiges Bild vom iranischen Atomprogramm zu machen.
Sorge vor Atomwaffen
Der IAEA-Chef hat den Iran wiederholt zu mehr Kooperationsbereitschaft aufgefordert. Nach Angaben der IAEA ist der Iran der einzige Nicht-Atomwaffenstaat, der über auf 60 Prozent angereichertes Uran verfügt. Das Land ist damit auf dem Weg, Uran auf die für Atomwaffen notwendigen 90 Prozent anzureichern. Für Atomkraftwerke wird lediglich auf rund 3,7 Prozent angereichertes Uran benötigt. Das Atomabkommen von 2015 sah vor, dass der Iran diese Grenze nicht überschreiten dürfe.
Am Montag hatte der neue israelische Verteidigungsminister Israel Katz erklärt, der Iran sei "mehr denn je von Angriffen auf seine Atomanlagen bedroht". Zuvor hatten mehrere israelische Beamte und ehemalige Minister einen Angriff auf die Atomanlagen des Iran gefordert. US-Medienberichten zufolge wurde diese Option jedoch wegen Einwänden aus Washington verworfen.
Der Iran unterstützt die radikalislamische Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah-Miliz im Libanon, mit beiden Organisationen steht Israel im bewaffneten Konflikt. Der Iran griff in diesem Jahr auch zweimal selbst Israel mit Raketen an - es waren die ersten direkten iranischen Angriffe auf israelisches Gebiet überhaupt. Sie veranlassten Israel zu Vergeltungsmaßnahmen - zuletzt am 26. Oktober, als die israelische Armee iranische Militäreinrichtungen beschoss.