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Interview: Was für die Geldanlage mit ETFs spricht



interview

Stand: 14.08.2024 11:04 Uhr

Noch immer trauen sich viele Deutsche nicht an die Börse - weil sie glauben, dafür Experten sein zu müssen. Warum die Furcht unbegründet und wann der richtige Zeitpunkt ist, erklärt Finanzprofessor Andreas Hackethal.

ARD-Finanzredaktion: Wie wichtig ist das Thema Aktiensparen für die private Altersvorsorge?

Andreas Hackethal: Es spricht sehr viel für die Geldanlage an der Börse. In vielen anderen Ländern wird das schon gemacht, und da profitieren die Menschen, die für das Alter vorsorgen, stark davon. Sie haben deutlich höhere Vermögen als in Deutschland. Und auch deshalb haben wir derzeit zurecht in Deutschland die Diskussion über mehr Kapitaldeckung.

Wir müssen den Menschen die Möglichkeit geben, wenn sie denn - und das ist bei Altersvorsorge der Fall - einen ganz langen Horizont haben, dass sie vom Renditeplus profitieren. Denn Aktien warfen in der Vergangenheit - und es spricht nichts dagegen, dass es auch zukünftig so sein wird - deutlich mehr Rendite ab als alle anderen Geldanlagen.

Andreas Hackethal

Zur Person

Andreas Hackethal ist Professor für Finanzen am House of Finance der Frankfurter Goethe Universität und am Leibniz-Institut SAFE. Er leitet das Pension Finance Lab am Leibniz Institut SAFE und ist Ko-Direktor des Center for Financial Studies. In der Forschung beschäftigt er sich empirisch mit den Finanzentscheidungen privater Haushalte, der Rolle von Finanzberatung und der Digitalisierung der Finanzbranche. Er ist Vorsitzender des Fachbeirates der BaFin und berät das World Economic Forum.

ARD-Finanzredaktion: Was ist der Grund für die Zurückhaltung der Deutschen?

Hackethal: Es gibt eine neue Forschung, die in ausführlichen Gesprächen herausfinden will, was die Menschen davon abhält, in Aktien zu investieren. Und da ist herausgekommen, dass viele Menschen sagen: 'Um erfolgreich in Aktien anzulegen, muss man Expertin oder Experte sein. Da muss man sich doch auskennen zu den Unternehmen. Woher soll ich denn wissen, welches Unternehmen ich kaufen oder welchen Fonds ich auswählen soll?'

Also, in Aktien investieren erfordert Expertenwissen, ist die Meinung. Und genau dem ist eindeutig nicht so, weil der Wettbewerb auf den Finanzmärkten so intensiv ist, dass die Aktienkurse, die dabei am Ende rauskommen, einfach die beste verfügbare Schätzung für die Zukunft des Unternehmens darstellen. Das heißt, niemand, auch nicht die eigentlichen Expertinnen und Experten, können systematisch Aktien ausgucken, die sich dann besser entwickeln. Andersherum können Laien aber in diesem Sinne auch nicht systematisch falsch liegen. Das heißt, der Mythos, man müsse sich grandios auskennen und viel Zeit damit verbringen, ist nicht wahr.

Wahr ist dafür die Regel, nicht alle Eier in einen Korb zu legen und entsprechend auf möglichst viele Aktien gleichzeitig zu setzen. Und genau das ist die Erkenntnis, auf der sogenannte passive Fonds ihren Siegeszug angetreten haben: dass die Märkte mit ihrem Wettbewerb zwischen tausenden von Investoren die Arbeit für die anderen machen. Ich muss mich nicht auskennen, ich muss auch keine Zeit damit verbringen, sondern ich kaufe mit solchen Fonds den gesamten Markt und damit habe ich die durchschnittliche Rendite und fahre gut - insbesondere langfristig.

Podcast "Gold & Asche: Projekt ETF"

In der zweiten Staffel von "Gold & Asche" der ARD-Finanzredaktion wird in sechs Folgen Schritt für Schritt das Wichtigste bei der Geldanlage mit ETFs beleuchtet - mit Hintergründen und Expertenwissen. Zu hören in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. Die einzelnen Episoden finden Sie hier.

Folge 1: Warum eigentlich ETFs? (14. August)
Folge 2: Welche ETFs gibt es? (21. August)
Folge 3: Maschinenraum ETF (28. August)
Folge 4: Risiken und Kritik an ETFs (4. September)
Folge 5: Wie finde ich das richtige Depot (11. September)
Folge 6: Wie baue ich mein ETF-Portfolio auf? (18. September)

ARD-Finanzredaktion: Sie sprechen von ETFs - Exchange Traded Funds -, also börsengehandelten Fonds, die Indizes wie den DAX abbilden. Daran können sich Anleger für wenig Geld beteiligen. Wie wichtig war aus Ihrer Sicht die Einführung der ETFs für die private Geldanlage?

Hackethal: Sehr wichtig. Der ETF, oder noch allgemeiner der Indexfonds, hat das umgesetzt, was schon seit Jahrzehnten in den Lehrbüchern steht: nämlich zu geringen Kosten seine Geldanlagen möglichst breit zu streuen, und das über viele Länder und Branchen hinweg.

Und genau das machen ja diese Instrumente, sie bilden einen gesamten Markt einer Region oder die ganze Welt nach. Das heißt, es war damals überfällig. Als John Bogle, der Gründer der US-Fondsgesellschaft Vanguard, damals gesagt hat, dass er einen Index nachbildet und das Ganze in einen Fonds packt, war das für die Branche völlig neu - und wurde als ganz langweilig abgetan.

Anzeigentafel des US-Technologieindex Nasdaq

Was sind ETFs?

ETFs (Exchange Traded Funds) sind börsengehandelte Fonds oder Indexfonds, die die Wertentwicklung eines Index wie den DAX oder den Dow Jones abbilden. Steigt der DAX um ein Prozent, dann würde auch der ETF auf den DAX um ein Prozent steigen. In einem DAX-ETF stecken in der Regel alle 40 Unternehmen aus dem Index - etwa VW, SAP oder Siemens.
ETFs ermöglichen es also, zu jeder Zeit in eine breite Auswahl von Aktien oder anderen Wertpapieren gleichzeitig zu investieren - und das auch schon mit geringen Summen. Anleger können Anteile zum Beispiel per Sparplan kaufen.

ARD-Finanzredaktion: Steckt hinter dieser Einfachheit auch der Erfolg der ETFs?

Hackethal: Der steckt sicher darin, dass ETFs leicht erklärbar sind. Man nimmt sein Geld, streut es breit über alle Länder und alle Branchen und zahlt dafür wenig Geld. Außerdem sitzt da keiner, der auf bestimmte Trends setzt und damit mehr Risiken als notwendig eingeht, sondern der ETF behält eine ruhige Hand - genau wie es im Lehrbuch steht.

ARD-Finanzredaktion: Warum sollte man möglichst breit investieren?

Hackethal: Hier ist, wie ich finde, ein sehr interessanter Fakt: Wenn man langfristig mal schaut, wie viele der Aktien für diese zehn Prozent Rendite, die der Aktienmarkt weltweit - ganz grob gesagt - pro Jahr erzielt, verantwortlich sind, dann denkt man wahrscheinlich: Es gibt Gewinner und Verlierer und dass sich das grob zur Hälfte aufteilt.

Das wirklich Erstaunliche ist aber, dass weniger als fünf Prozent der Unternehmen für die hohen Gesamtrenditen am Markt verantwortlich sind. Das heißt, die untere Hälfte - und da werden einige dabei sein, die aktuell eine hohe Bewertung haben - werden langfristig negative Renditen erzielen. Dann gibt es eine weitere Gruppe, die das weitgehend aufholt, aber insgesamt noch keine hohen Renditen für den Markt bringen. Und dann gibt es eben die ganz wenigen, die mit ihren extra hohen Gewinnen den ganzen Markt nach oben ziehen.

ARD-Finanzredaktion: Und wie findet man die?

Hackethal: Das ist genau der Punkt. Die sind erst im Nachhinein zu identifizieren. Natürlich suchen alle Experten genau nach solchen Unternehmen und das lässt die Kurse der besten Kandidaten explodieren - siehe Amazon, Tesla, Microsoft und Co. Einige werden auch langfristig erfolgreich sein, andere werden aber enttäuschen. Die Preise spiegeln genau diese Zukunftserwartungen wieder. Aber warum sollte man das Risiko eingehen, auf die Falschen zu setzen? Dann doch lieber den ganzen Index kaufen und so auf Nummer sicher gehen, dass alle Renditebringer dabei sind. Tatsächlich ändert sich die Indexzusammensetzung über zehn oder 20 Jahre stark, weil es eben Gewinner und Verlierer gibt. Da wir es aber nicht wissen, ist die Streuung so wichtig.

Diese fünf Prozent, die den Gesamtmarkt nach oben ziehen, zu verpassen, bedeutet, dass ich nie auf den grünen Zweig komme. Es sind ganz wenige Unternehmen, die für die hohe durchschnittliche Rendite des Marktes verantwortlich sind. Die wollen wir unbedingt im Depot haben, aber da wir sie nicht kennen, sollten wir lieber alle drin haben.

ARD-Finanzredaktion: Gibt es denn den einen richtigen Zeitpunkt zum Einstieg für die Geldanlage in ETFs?

Hackethal: Ja, den gibt es: Jetzt. Damit will ich natürlich sagen, nein, den optimalen Zeitpunkt gibt es mit Blick nach vorne nicht. Also ist jetzt genauso gut wie morgen oder übermorgen. Das sogenannte "Market Timing", als Aktien kaufen, bevor sie nach oben gehen und verkaufen, bevor sie abschmieren, ist die große Kunst, die niemand beherrscht. Die Gründe sind fast dieselben wie bei der Auswahl von einzelnen Aktien. Die Marktstände sind die besten Schätzungen, die wir haben, wie es insgesamt weitergeht. Wenn viele Aktionäre glauben, es geht bergauf, dann kaufen sie und die Preise gehen nach oben und eben auch andersherum. Die News, die zum Umdenken führen, kann aber niemand mit Sicherheit erahnen. 

Hinzu kommt die Beobachtung, dass an den Gesamtmärkten an ganz wenigen Tagen die großen Gewinne entstehen. Das heißt, wenn ich diese wenigen Tage verpasse, weil ich gerade rausgegangen bin, werde ich das nie wieder aufholen. Also ist es schier unmöglich, den Markt zu timen, sprich, den richtigen Zeitpunkt für Einstieg und Ausstieg zu wählen. Besser also mit ruhiger Hand und möglichst lange sein Geld in Aktien für die Altersvorsorge arbeiten lassen.

Das Gespräch führte Antonia Mannweiler, ARD-Finanzredaktion, für den Podcast "Gold & Asche: Projekt ETF". Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redaktionell bearbeitet.

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