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Innenstadt-Leerstand: Indoor-Flohmarkt folgt auf Fast Fashion



Reportage

Stand: 16.03.2025 05:28 Uhr

Viele Innenstädte kämpfen mit Leerstand. In St. Ingbert im Saarland findet regelmäßig ein Indoor-Flohmarkt in einer früheren H&M-Filiale statt. Der Ort ist so ein neuer Treffpunkt geworden.

Von Pauline Deichelmann, SR

Eigentlich ist hier tote Hose - das ehemaligen H&M Gebäude in der Innenstadt von St. Ingbert steht seit einigen Monaten leer. Aber mittlerweile ist hier wieder richtig was los, zumindest freitags und samstags. Denn seit einigen Wochen findet in dem leerstehenden Laden regelmäßig ein Indoor-Flohmarkt statt.

"Es geht nicht nur darum, gebrauchte Waren weiterzugeben, sondern auch darum, Menschen in die Innenstadt zu ziehen", erklärt Heike Hartinger, Mitarbeiterin der Stadt.

Sie kam auf die Idee, die frühere H&M-Filiale für den Flohmarkt zu nutzen. Nachhaltigkeit spielt in der "Biosphärenstadt St. Ingbert" eine große Rolle, weshalb Second-Hand-Konzepte gut angenommen werden. Da war ein Flohmarkt naheliegend für Heike Hartinger.

Leerstand kreativ nutzen

In jeder Woche läuft der Flohmarkt unter einem anderen Motto - von Haushaltswaren über alte Schallplatten bis hin zu Kleidung. "So sind für die Besucher immer wieder Überraschungen dabei", meint Heike Hartinger. Aber nicht nur alte Schätze sollen hier ein neues Zuhause finden. Auch Künstler oder Fans von Handarbeit haben die Möglichkeit, ihre Ware beim Indoor-Flohmarkt anzubieten.

Am Stand von Yasemin Selvic und ihrer Mutter finden die Kunden selbstgehäkelte Kuscheltiere. Für die beiden ist es eine gute Möglichkeit, ihre Waren einem breiten Publikum zu präsentieren, auch bei schlechtem Wetter. Ursprünglich als Pilotprojekt bis Februar geplant, wurde die Laufzeit des Flohmarkts wegen hoher Nachfrage bis Ende April verlängert.

Neue Nutzungskonzepte gegen Leerstand

Ähnliche Probleme wie in wie St. Ingbert gibt es in vielen Innenstädten. Vielerorts herrscht immer mehr Leerstand in den Ladenlokalen. Seit 2015 ist die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte laut Handelsverband Deutschland stark gesunken. Seit 2020 hat sich dieser Trend noch weiter deutlich verstärkt. Seit Beginn der Coronapandemie sperrten rund 35.000 Läden ihre Türen für immer zu.

Im vergangenen Jahr haben bestimmte Branchen besonders gelitten, wie etwa der Schuhhandel. In der ersten Hälfte des Jahres mussten bundesweit rund 800 Schuhgeschäfte schließen, darunter bekannte Ketten wie Reno und Görtz. Auch die Prognose für das laufende Jahr ist nicht gut. Besonders betroffen sind mittelgroße Städte, in denen große Ketten Filialen aufgeben - so auch in St. Ingbert.

Lokale Initiativen als Impulse

Neben dem Indoor-Flohmarkt gibt es im Saarland weitere Ansätze zur Belebung der Innenstadt. Ein Beispiel ist das Geschäft "Dein Schnickschnack" in Saarbrücken. Hier können Privatpersonen Regalflächen, Kleiderbügel oder Vitrinenplätze mieten, ihre Produkte mit Barcodes versehen und im Laden platzieren.

Das Team rund um Geschäftsführerin Sylvia Klauss übernimmt den Verkauf und die Abrechnung. "Hier kauft wirklich jeder ein. Vom Studenten, der nachhaltig einkaufen will, bis zur Oberschicht", erklärt Klauss. Auch Empfänger von Sozialhilfe kommen gerne ins "Schnickschnack", denn dank einer Kooperation mit der Stadt Saarbrücken erhalten sie hier 20 Prozent Rabatt.

Besonders gut gehen laut Klauss Elektrogeräte, Spielekonsolen und Kleidung. Sie hat etwa 40 Prozent Dauermieter in ihrem Laden, die also ganze Regale schon seit mehreren Jahren beanspruchen und immer wieder neue Ware bringen.  

Kaufladen und sozialer Treffpunkt

Auch wenn der Großteil Privatpersonen sind, die hier ihre alten Schätze loswerden wollen, verirren sich auch manchmal Stücke aus Restverkäufen ins "Schnickschnack". "Ein Regal gehört einer Frau, die eigentlich eine Boutique hat. Alles, was sie dort nicht verkauft, landet bei uns."

Der Laden ist außerdem sozialer Treffpunkt. Mittwochnachmittags findet hier ein Stricktreff statt, und einmal die Woche gibt es auch Kaffee und Kuchen.

Ob diese Konzepte langfristig Bestand haben werden, muss sich erst noch zeigen. Trotzdem sieht man erste Erfolge. Wenn mit innovativen und flexiblen Lösungen Leerstand kreativ genutzt wird, können Innenstädte zumindest zeitweise attraktiv und lebendig gestaltet werden.

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