In God they trust?: Warum Trump Politik nach den Vorstellungen von radikalen Christen macht

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Donald Trump will Müttern pro Kind 5000 Dollar Prämie zahlen. Es ist nur ein Teil seiner Politik im Geiste evangelikaler Christen. Aber wie passt der Lebemann Trump mit denen zusammen?

Nur wenige Tage nach dem Anschlag auf ihn im Juli 2024 steht Donald Trump auf der Bühne des Republikanischen Parteitags. Sein linkes Ohr ist mit einem dicken weißen Pflaster bedeckt, und er erklärt seinen Anhängern, wie er die Sekunden nach den Schüssen auf ihn in Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania erlebt hat: "Überall war Blut. Aber ich habe mich auf eine gewisse Art sehr sicher gefühlt. Weil ich Gott an meiner Seite hatte. Das habe ich gespürt." 

Noch bevor er die letzten Worte aussprechen kann, bricht Jubel in der Halle aus. Gott soll es also gewesen sein, der das Attentat verhindert hat, da sind sich viele seiner Unterstützer sicher – insbesondere die im fundamental-christlichen Lager. Diese Evangelikalen standen schon in Trumps erster Amtszeit fest an seiner Seite. 

Die Evangelikalen stehen für Werte, für die Trump nie stand – wie passt das zusammen?

Sie stehen für ein gottesfürchtiges Leben, Frömmigkeit, Treue gegenüber dem Partner oder der Partnerin – kurzum: für Werte, für die Donald Trump als Immobilien-Mogul und Lebemann nie stand. Er ist dreimal geschieden, hat fünf Kinder von drei verschiedenen Frauen, ist Zweck-Opportunist und Machtmensch. Trotzdem sehen viele Evangelikale in ihm nicht weniger als den Messias, der die USA zu "alter Stärke" führen kann – ganz nach Trumps Mantra "Make America Great Again". Wie passt das zusammen?

Die Beziehung von Trump und den Evangelikalen ist geprägt von Widersprüchen. Trump weiß, dass er die Hardliner für seinen Rachefeldzug gegen das Establishment, die Demokraten und schlicht alles Liberale braucht, auch wenn er selbst wohl nicht sonderlich religiös ist. Denn die Evangelikalen machen etwa 15 Prozent aller Wähler in den USA aus. Allein ihre Masse macht sie zu einer politischen Macht. 

Und dieser Macht unterwirft sich Trump. So stieß er mehrere Vorhaben an, die exakt die Vorstellungen der Evangelikalen widerspiegeln. Er gründete eine Arbeitsgruppe, um "antichristliches Verhalten" in Behörden zu bekämpfen – was am Ende nicht weniger als einer staatlichen Denunziantenstelle gleichkommt. 

Eine Kombination aus Geburtenprämie und Abtreibungsverbot gab es schon einmal in Polen

Zuletzt sorgte seine Idee für Aufsehen, amerikanischen Müttern bis zu 5000 Dollar Prämie für die Geburt eines jeden Kindes zu zahlen, um so den Geburtenrückgang in den USA zu stoppen. Gleichzeitig wird von evangelikaler Seite immer wieder die Forderung laut, Abtreibungen in den USA generell zu verbieten.

Eine Geburtenprämie und eine massive Verschärfung des Abtreibungsrechts – diese Kombination gab es schon einmal, in Polen. Zwischen 2015 und 2019 regierte die rechts-konservative PiS-Partei dort mit absoluter Mehrheit. Zwar berief sich die Partei nicht auf den Protestantismus, sondern auf die katholische Kirche, die Vorstellungen der Evangelikalen in den USA und die der fundamentalen Katholiken in Polen münden aber in der gleichen Ideologie: Sie wollen einen ethnisch homogenen, weißen und christlich-konservativen Gottesstaat. Die Frau am Herd, der Mann als starker Beschützer und Ernährer der Familie. Minderheiten, Migranten, Queere oder Menschen mit einem alternativen Lebensstil finden darin keinen Platz.

Die Evangelikalen in den USA sind längst politische Vordenker und Taktgeber der Republikanischen Partei. Mit ihrem "Project 2025" haben sie Trump maßgeblich die Marschroute seiner Amtszeit in den Block diktiert und ihm eine christlich-radikale Anleitung zum Umbau des Staates an die Hand gegeben, die der Präsident nun Punkt für Punkt abarbeitet: massenhafte Abschiebungen, geschlossene Grenzen, die de facto Zerschlagung mehrerer Behörden – all das wurde von Evangelikalen ersonnen, unter dem Vorwand die christlichen Werte der USA zu retten. 

Für die Evangelikalen ist Donald Trump der Erlöser, weil sie ihn brauchen 

Bleibt dennoch die Frage, warum ausgerechnet Donald Trump der Erlöser sein soll, nach dem sich die Fundamentalisten sehnen? Wie der Religionsforscher Greg Smith bei RTL erklärt, glauben die wenigsten Evangelikalen, dass Donald Trump sonderlich religiös ist oder ihren Glauben teilt. Aber sie sähen in ihm einen Präsidenten, der sich für sie einsetzt. Und sie halten ihm zugute, dass er sein Kabinett mit gläubigen Mitgliedern besetzt hat. Wie etwa Vizepräsident JD Vance. Er ist zwar katholisch, vertritt aber streng christliche und konservative Werte. Beim Thema Abtreibung oder dem klassischen Familienbild gibt es viele Schnittmengen mit den Evangelikalen. 

Ein weiterer Punkt, der Trump attraktiv für die erzkonservativen Christen macht: Sie sehen die Möglichkeit, bei ihm Lobbyarbeit zu leisten. Und die fruchtet offensichtlich. Wie kein Präsident zuvor drückt Trump seine Agenda (und die der Evangelikalen) knallhart durch – auch wenn sie harte Konsequenzen nach sich zieht. Das macht ihn für sie zu einem Märtyrer, der sich gegen die Widerstände seiner Gegner wehrt, Ablehnung auf sich zieht und dennoch nicht zurückweicht. 

Was sie eint, ist ihr Ziel: ein christlich-konservatives, weißes Amerika

Was den Präsidenten und die Evangelikalen eint, ist das Ziel ihrer Ideologie: ein christlich-konservatives, weißes Amerika. Dafür nehmen sie in Kauf, dass Trump persönlich ihre Werte nicht lebt, weil sie langfristiger denken als bis zum Ende  seiner Amtszeit. Vieles von dem, was Trump tut, wird – wenn überhaupt – nur in jahrzehntelanger Arbeit zurückzudrehen sein. Er ist der Türöffner für ein christlich-nationalistisches und rassistisches Land. 

Trump selbst sieht sich spätestens seit dem fehlgeschlagenen Anschlag auf ihn als Auserwählten, der allein es schaffen kann, die Nation nach seinen Vorstellungen zu formen. Oder wie er selbst sagt: "Gott hat mich gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen."

Quellen: RTL (Youtube), Frankfurter Rundschau, ProSieben (Youtube), MDR, Project 2025, mit Material der Agenturen