Robert F. Kennedy Junior ist bekannt für seine lautstarke Kritik an Impfstoffen. Nach einer gescheiterten Präsidentschaftskandidatur nominiert Trump den ehemaligen Demokraten als Gesundheitsminister. Wissenschaftler sind besorgt.
Wenn sich ein Schweinebandwurm im Körper eines Menschen einnistet, infiziert er meist den Darm. Manchmal wandert er weiter Richtung Leber oder Niere, nur in seltenen Fällen schafft er es bis ins Gehirn. 2012 behauptete Robert F. Kennedy Junior, ein Wurm habe "einen Teil seines Hirns gefressen". Der Parasit sei Ursache für starke geistige Verwirrung und Gedächtnisverlust gewesen.
Zwölf Jahre später scheint der Neffe des früheren Präsidenten John F. Kennedy von den Folgen der Infektion genesen. Im Mai bot Kennedy auf X an, "fünf weitere Gehirnwürmer zu essen" und dennoch "Trump und Biden in einer Debatte zu schlagen". Als parteiloser Bewerber hielt sich der ehemalige Demokrat im Rennen um das Weiße Haus bis August. Dann nahm der Impfgegner an Trumps Seite erneut Anlauf. Mit Erfolg: Kennedy soll Gesundheitsminister der neuen Regierung werden. Bei seiner Kundgebung in New York City hatte Trump bereits vor der Wahl angekündigt, den 70-Jährigen "in Sachen Gesundheit völlig ausrasten" zu lassen.
Ungewisse Zukunft
Schon vor der Nominierung hatte die Aussicht auf einen Impfgegner an der Spitze des Gesundheitssystems für Unruhe gesorgt. "Es steht viel auf dem Spiel", sagt der Mitarbeiter einer renommierten Forschungseinrichtung. Seinen Namen und den des Instituts möchte er aus Angst vor den Folgen nicht veröffentlicht sehen. In einem Labor mit 20 Mitarbeitenden forscht er an der Entwicklung verschiedener Impfstoffe. "Corona hat gezeigt, wie wichtig diese Arbeit ist", sagt er. Die Forscher seien abhängig von staatlicher Unterstützung, es geht um Fördermittel in Höhe von Millionen Dollar. Erst kürzlich habe der Laborleiter seine Kollegen angehalten, ihre laufenden Projekte zügig zu Ende zu bringen. Man wisse angesichts des Wahlausgangs nicht, wie es im nächsten Jahr weitergehe.
Auf den ersten Blick passen Kennedy und Trump nicht recht zusammen. Mehr als drei Jahrzehnte arbeitete Kennedy als Anwalt für Umweltrecht, kämpfte gegen Ölkonzerne und Chemiegiganten, während Trump den Klimawandel bis heute als Schwindel bezeichnet. Wie ein Großteil seiner Familie war auch Kennedy lange Zeit Demokrat. In den vergangenen Jahren entfernte er sich zunehmend von der Partei, bis er sich im Oktober 2023 von ihr lossagte und als Unabhängiger für das Präsidentschaftsamt kandidierte. "Trump hat viele entsetzliche Dinge getan", sagte er noch im April in einem CNN-Interview.
Als seine Unterstützung in den Umfragen auf unter 5 Prozent sank, zog Kennedy seine Kandidatur zurück. Ein Gespräch mit Kamala Harris über eine Position in ihrer Regierung verlief ins Leere, stattdessen soll Trump ihm bei einem Treffen einen Regierungsposten in Aussicht gestellt haben. Kurz darauf gab Kennedy bekannt, fortan den Republikaner zu unterstützen und mischte unter dem Slogan "Make America Healthy Again" in dessen Wahlkampf mit. Er sei eine "phänomenale Person", sagte Trump, als Kennedy auf einer seiner Veranstaltungen auftauchte.
Vom Umweltanwalt zum Impfgegner
Viele Mitglieder seiner ehemaligen Partei und Familie sehen das anders. Mehrfach distanzierten sie sich von Kennedy und seinen kontroversen Ansichten. "Bobby hat vielleicht denselben Namen wie unser Vater, aber er hat nicht die gleiche Vision, die gleichen Werte oder das gleiche Urteilsvermögen", erklärten seine Geschwister 2023. Kennedy steht wegen der Verbreitung von Verschwörungsmythen und des Kontakts zu rechtsextremen Politikern seit Jahren in der Kritik.
Wiederholt stellte er die Vermutung auf, die CIA sei an der Ermordung seines Onkels John F. Kennedy beteiligt gewesen. Zudem behauptete er, dass die US-Präsidentschaftswahl 2004 manipuliert worden sei, Bush habe dem Demokraten Kerry den Sieg gestohlen. Hinzu kommen kuriose Geschichten über ein totes Bärenjunges, das er im Central Park entsorgt haben will oder einen mit einer Kettensäge enthaupteten Wal.
Auch in Sachen Gesundheit ist Kennedy oft eigener Meinung. Er ist Gründer einer der bekanntesten Impfgegnergruppen der USA, seit Jahren verbreitet er irreführende Informationen über Impfstoffbestandteile oder bringt zurückgezogene Studien in Umlauf. Er vertritt die Theorie, dass Impfungen bei Kindern Autismus verursachen. Antidepressiva wie Prozac machte er für die Zunahme von Schulmassakern verantwortlich, WLAN für Krebserkrankungen und "durchlässige Gehirne". Während der Corona-Pandemie behauptete er, das Virus greife gezielt Weiße und Schwarze an, Juden und Chinesen blieben verschont. Den Umgang der Regierung mit der Pandemie verglich er mit dem Holocaust - eine Bemerkung, für die er sich später entschuldigte.
Im vergangenen Jahr stellte Kennedy einen Zusammenhang zwischen in Wasserquellen enthaltenen Chemikalien und Transsexualität her. Eine weitere Gefahr, die er im Trinkwasser des Landes vermutet, ist Fluorid: ein in den USA üblicher Zusatz, der Zahnproblemen vorbeugen soll. Das Weiße Haus werde das Problem am 20. Januar in Angriff nehmen, schrieb Kennedy auf X.
Kontrolle mehrerer Behörden
Laut Kennedy habe ihm der designierte Präsident bereits drei Anweisungen erteilt: Er solle die Regulierungsbehörden von "Korruption und Konflikten" befreien, Behörden zu ihrer langen "Tradition der wissenschaftlichen und medizinischen Goldstandards zurückführen" und die "Epidemie chronischer Krankheiten" innerhalb von zwei Jahren beenden.
Als Gesundheitsminister hätte Kennedy entscheidenden Einfluss auf verschiedene Behörden wie das Seuchenschutzzentrum CDC, die Food and Drug Administration FDA oder die Versorgungsbehörde CMS. Diese regulieren die Überwachung von Krankheitsausbrüchen, kontrollieren medizinische Forschung und Innovationen und verwalten Sozialprogramme wie Medicare und Medicaid. Außerdem sind sie verantwortlich für die Zulassungsverfahren von Impfstoffen und Medikamenten.
Bereits zugelassene Impfstoffe können nicht so einfach vom Markt genommen werden, dafür müsste eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bestehen. Allerdings könnte Kennedy das Zulassungsverfahren neuer Impfstoffe und Medikamente beeinflussen oder Schlüsselpositionen in FDA und CDC neu besetzen. Ende Oktober forderte er Mitarbeiter der FDA öffentlich auf, "ihre Unterlagen aufzubewahren" und "die Koffer zu packen".
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 13. November, vor der Nominierung Kennedys. Wir haben den Text entsprechend angepasst.