Sex im Tierreich ist unglaublich vielfältig. Der britische Wissenschaftsautor Josh L. Davis erklärt in einem neuen Buch, warum das lange ein Tabu war.
Man kann mit Tieren nicht sprechen, deshalb wissen wir nicht, ob Giraffenbullen, die ihre langen Hälse umeinanderschlingen und sich liebkosen, oder weibliche Möwenpaare, die gemeinsam Junge großziehen, so etwas wie eine sexuelle Identität haben. Vermutlich nicht, denn Voraussetzung dafür wäre ein Ich-Empfinden, das, selbst wenn Tiere es hätten, uns Menschen unzugänglich bliebe. Begriffe wie schwul, lesbisch oder non-binär werden deshalb zu Recht ausschließlich auf Menschen bezogen. Was wir Menschen jedoch eindeutig beobachten können, sind homosexuelle und queere Verhaltensweisen von Tieren.
Der britische Wissenschaftsautor Josh L. Davis stellt eine ganze Reihe davon in seinem neuen Buch vor und arbeitet in "A Little Gay Natural History", so der Originaltitel, auf, warum das Thema so lange unter den Teppich gekehrt wurde. Die Naturforscher des 19. Jahrhunderts taten Berichte von "schwulem" Sex unter Männchen ab als kuriose Ausnahmen und Perversion oder deuteten ihn als Dominanzverhalten. Doch inzwischen ist klar, dass bei zahlreichen Arten, manche Männchen und Weibchen gleichgeschlechtliche Partner schlichtweg bevorzugen.
Welchen Sinn das macht?
Um das zu verstehen, mussten Evolutionsforscher sich von dem lang gehegten Mythos verabschieden, Sex zwischen Tieren diene aussschließlich der Fortpflanzung. Tatsächlich haben sexuelle Verhaltensweisen in komplexen Gruppenhierarchien zahlreiche Funktionen, so können sie etwa dafür sorgen, Beziehungen zu stärken, Konflikte zu schlichten oder Stress abzubauen.
Auch zum Thema biologisches Geschlecht und Intersexualität liefert Davis spannende Erkenntnisse. Bei zahlreichen Tier- und Pflanzenarten sind männliche und weibliche Merkmale nicht eindeutig. Die Geschlechtsentwickung wird nicht allein von den Genen bestimmt, sondern beruht auf einer Wechselwirkung mit Hormonen und Umweltfaktoren. So ist die Geschlechtsentwicklung bei vielen Reptilien und Fischen temperaturabhängig. Manche Arten wechseln im Lauf ihres Lebens mehrfach das biologische Geschlecht. Andere können sich selbst befruchten. Und bei wieder anderen Arten wie dem Blauen Sonnenbarsch gibt es Individuen, die männliche Keimdrüsen haben, aber wie Weibchen aussehen.
Ganz schön verwirrend das alles, könnte man meinen. Aber zum Glück: alles ganz natürlich.