Kaum jemand hat wohl so viele Leben mit Blutspenden gerettet wie James Harrison. Denn sein Blut war sehr besonders. Jetzt ist der ehemalige Bahnangestelle gestorben.
Auf den ersten Blick war James Harrison ein pensionierter, australischer Bahnangestellter. Auf den zweiten Blick hat er 2,4 Millionen Babys gerettet – mit Blutspenden. Über 60 Jahre lang spendete er alle zwei Wochen sein Blut, das seltene Antikörper enthielt.
James Christopher Harrison wurde am 27. Dezember 1936 in der Stadt Junee in New South Wales geboren. Sein lebenslanges Engagement für das Blutspenden begann nach seinem eigenen Krankenhausaufenthalt: Im Alter von 14 Jahren unterzog er sich einer großen Lungenoperation. Später beschrieb er, wie er auf der Intensivstation aufwachte und feststellte, dass er zahlreiche Bluttransfusionen erhalten hatte.
1966 machten Wissenschaftler eine Entdeckung, die Harrisons Leben verändern sollte: Blutplasma, das den ungewöhnlichen Antikörper Anti-D-Immunoglobin enthält, kann während der Schwangerschaft verabreicht werden, um die sogenannte hämolytische Erkrankung des Neugeborenen (HDN) zu verhindern. Diese kann schwere Komplikationen wie eine Fehlgeburt verursachen. Anders gesagt: Anti-D hilft der Mutter, das ungeborene Baby nicht abzustoßen. In Australien brauchen rund 17 Prozent aller werdenden Mütter Anti-D.
James Harrisons Blut war außergewöhnlich selten
Bald darauf entdeckten die Ärzte, dass Harrisons Blutgruppe selten ist. Denn er war Rhesus-negativ, und aus seinem Blut konnte Anti-D gewonnen werden. Nicht nur das: Er trug sogar ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Anti-D in sich. Wissenschaftler waren sich nie sicher, warum. Sie spekulierten aber, dass die Bluttransfusionen aus seiner Jugend dafür verantwortlich sein könnten.
"Der Antikörper aus seinem Plasma wurde 2,4 Millionen Babys verabreicht", bestätigt Jemma Falkenmire, eine Sprecherin des Australischen Roten Kreuzes Lifeblood, am Montag in einem Interview mit der Zeitung "Washington Post". Es gebe also viele Menschen, die "mit einem kleinen bisschen James herumlaufen". Auch seine Tocher, Mellowship, bekam einst eine Anti-D-Injektion.
Wissenschaftler in Australien haben das Plasma von James Harrison seit 1967 zur Herstellung von über 3 Millionen Dosen der Anti-D-Immunoglobin-Injektion verwendet. Laut des australischen Roten Kreuzes enthält jede im Land verabreichte Ampulle seine gespendeten Antikörper. Denn nur eine winzige Menge ist erforderlich, um die Erkrankung HDN während einer als gefährdet eingestuften Schwangerschaft zu verhindern.
"Der Mann mit dem goldenen Arm" war 1173 Mal bei Blutspende
Harrison hasste Nadeln und zog es vor, sich während einer Spende durch Gespräche ablenken zu lassen. "Ich schaue mir die Krankenschwestern an, die Decke, die Flecken an der Wand, alles, nur nicht die Nadel. Es ist zu makaber, finde ich, zu sehen, wie man sich selbst mit der Nadel sticht", sagte er der Zeitung Sydney Morning Herald vor sechs Jahren in einem Interview.
"Einen Spender mit dieser Menge an Antikörpern zu haben, war für Australien unglaublich wichtig", sagt Falkenmire vom australischen Roten Kreuz gegenüber der "Washington Post". Seine rege Spendertätigkeit – er brachte es auf 1173 Spenden – erklärt auch seinen inoffiziellen Ehrentitel "Mann mit dem goldenen Arm".
"Sie baten mich, ein Versuchskaninchen zu sein, und seitdem spende ich", sagte Harrison dem "Sydney Morning Herald" im Jahr 2018, als er auf Anraten von Ärzten mit dem Spenden aufhörte. Sie waren besorgt, über die Auswirkungen des vielen Spendens in seinem Alter. Außerdem hatte er die gesetzliche Altersobergrenze für Spender mit 81 Jahren überschritten. "Ich würde weitermachen, wenn sie mich lassen würden", sagte Harrison damals. Jetzt ist er im Alter von 88 Jahren in einem Vorort nördlich von Sydney gestorben.
Quelle: "The Washington Post", "Sydney Morning Herald"