Häufige Krebserkrankung: Joe Biden hat Prostatakrebs: Was man über die Krankheit wissen muss

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Der ehemalige US-Präsident leidet an Prostatakrebs. Der Tumor hat bereits gestreut. Wie gefährlich sind diese Karzinome und was hilft? Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Was ist Prostatakrebs?

Prostatakrebs ist ein bösartiger Tumor in der Vorsteherdrüse. Zusammen mit den Hoden gehört diese Drüse zu den Fortpflanzungsorganen des Mannes. Ihre Aufgabe ist es, Samenflüssigkeit zu produzieren, damit die Spermien beim Samenerguss beweglich genug sind und eine Eizelle befruchten können.

Die Prostata ist ungefähr so groß wie eine Kastanie und vergrößert sich im Lauf des Lebens; bei einem jungen Mann wiegt sie etwa 20 Gramm, später kann sie auf über 100 Gramm anwachsen. Bei vielen Männern verursacht das in der zweiten Lebenshälfte eine gutartige Vergrößerung der Prostata, die sogenannte benigne Prostatahyperplasie (BPH).

Ein bösartiger Tumor wächst bei den meisten Betroffenen in der äußeren Zone der Prostata. 

Welche Arten von Prostatakrebs gibt es? 

Viele Prostatakarzinome wachsen sehr langsam und verursachen unter Umständen Jahrzehnte keinerlei Symptome. Doch es gibt auch Formen, die schneller gefährlich werden können. 

Azinäres Adenokarzinom
Der mit Abstand häufigste Prostatakrebs-Typ ist das azinäre Adenokarzinom. Adenokarzinome sind Krebsarten, die sich in Drüsenzellen entwickeln. Beim azinären Adenokarzinom entsteht der Tumor aus den Drüsenzellen, die die Prostata auskleiden. Die allermeisten betroffenen Männer (über 90 Prozent) leiden an dieser Form. 

Duktales Adenokarzinom
Auch dieses Prostatakarzinom ist ein Adenokarzimon, allerdings ist es deutlich seltener. Im Gegensatz zum azinären Adenokarzinom entsteht diese Form in den Zellen, die die Gänge (Röhren) der Prostata auskleiden. Sie neigt dazu, schneller zu wachsen und sich auszubreiten.

Urothelkarzinom
Etwa ein bis vier Prozent der Männer mit einem Prostatakarzinom haben ein Urothelkarzinom entwickelt, das auch Übergangszellkarzinom der Prostata genannt wird. Es wächst aus den Zellen, die die Harnröhre auskleiden. In den meisten Fällen entsteht der Krebs zuerst in der Blase und bildet dann später Metastasen in der Prostata. Er kann jedoch auch von der Prostata ausgehen und sich anschließend auf den Blaseneingang und das umliegende Gewebe ausbreiten.

Plattenepithelkarzinom
Diese Krebsart entwickelt sich aus flachen Zellen (Epithelzellen), die die Prostata bedecken. Sie neigt dazu, schneller zu wachsen und sich auszubreiten als das Adenokarzinom. Reine Plattenepithelkarzinome der Prostata sind sehr selten, wahrscheinlich sind nur etwa 0,5 Prozent der Prostatakrebspatienten an dieser Form erkrankt. 

Kleinzelliges Prostatakarzinom
Das kleinzellige Prostatakarzinom (auch neuroendokrines Prostatakarzinom genannt) ist eine seltene, hochaggressive Form von Prostatakrebs. 

Wie häufig tritt Prostatakrebs auf?

Laut Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern, jährlich erkranken hierzulande rund 65.820 Männer daran. Der größte Risikofaktor ist die hohe Lebenserwartung. 2020 waren zum Zeitpunkt der Diagnose die betroffenen Männer im Schnitt 71 Jahre alt. Bei Männern über 75 kommt es statistisch bei einem von 15 Männern zu Prostatakrebs. Bei Männern unter 50 ist die Erkrankung selten.

Woran merke ich, dass ich Prostatakrebs habe?

Prostatakrebs ohne eine Untersuchung früh zu erkennen, ist kaum möglich. Typische Warnzeichen fehlen in diesem Stadium meist, weil dieser Krebs meist in der äußeren Zone der Prostata entsteht und so zum Beispiel anfangs die Harnröhre nicht verengt. Später, wenn der Tumor gewachsen ist, können Knochenschmerzen im unteren Rücken auftreten oder Probleme beim Wasserlassen. Auch Blut oder auffällige Verfärbungen im Urin oder der Samenflüssigkeit können ein Hinweis auf einen Tumor sein, genauso wie neu auftretende Probleme beim Geschlechtsverkehr, Erektionsstörungen etwa. Auch wenn sich wie bei dem ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden Metastasen gebildet haben, kann das zu Symptomen wie Knochenschmerzen oder Taubheitsgefühlen führen. 

Was passiert bei der Früherkennungsuntersuchung? 

Früherkennungsuntersuchungen sollen die Möglichkeit schaffen, einen Tumor rechtzeitig zu erkennen. Um ihn in der Prostata aufzuspüren, gibt es unterschiedliche Methoden. 

Abtasten
Männer ab 45 Jahren können einmal jährlich die Leistungen des gesetzlichen Früherkennungsprogramms in Anspruch nehmen. Dabei befühlt der Arzt die Prostata vom Enddarm aus. Allerdings erkennt man Tumoren so erst, wenn sie schon ziemlich groß sind. Daher sprechen sich Experten in der neuen Ärzteleitlinie zu Prostatakrebs auch dafür aus, den Tast-Test auslaufen zu lassen und den PSA-Test zu stärken. 

PSA-Test
PSA steht für das Prostata-spezifische Antigen. Das ist ein Eiweiß, das in der Prostata gebildet wird. Es zirkuliert jedoch auch im Blut, und genau dort wird es bestimmt. Je höher der Wert, umso wahrscheinlicher ist auch, dass ein Tumor vorhanden ist. 

Bei Auffälligkeiten wird oft eine sogenannte Nadelbiopsie vom Darm aus gemacht: Mit kleinen Hohlnadeln werden Gewebestückchen aus der Prostata gestanzt und unter dem Mikroskop untersucht. Auch ein Ultraschall der Prostata oder ein MRT (Magnetresonanztomografie) können wichtige Informationen zur Einschätzung liefern. Wichtig zu wissen: Ein normaler PSA-Wert ist keine Garantie dafür, dass kein Krebs vorliegt. Und umgekehrt bedeutet ein erhöhter PSA-Wert nicht zwangsläufig Prostatakrebs. Bislang ist der PSA-Test eine Selbstzahler-Leistung und kostet etwa 25 bis 35 Euro. 

Männer sind grundsätzlich zurückhaltender als Frauen, wenn es um die Krebsfrüherkennung geht, vor allem wenn es um die Prostata geht. Ob Joe Biden regelmäßig von einem Urologen untersucht wurde, ist nicht bekannt. 

Was weiß man über Metastasen beim Prostatakarzinom? 

Metastasen entstehen, wenn sich Krebszellen aus dem Tumor loslösen. Meistens schwimmen diese Zellen über das Blut dann in andere Gewebe – bei Prostatakrebs nutzen die Zellen oft auch die Lymphbahnen. Die meisten Metastasen treten in den Knochen auf, in der Wirbelsäule etwa, im Oberschenkel oder im Becken. Bei etwa drei von neun Männern mit Prostatakrebs ist der Tumor bei der Diagnose nicht mehr auf die Prostata begrenzt. 

Wie wird Prostatakrebs therapiert?

Es gibt sehr viele und auch neue Therapieoptionen für den Prostatakrebs. Welche man anwendet, hängt in hohem Maße davon ab, in welchem Alter der Tumor entdeckt wird, wie der Allgemeinzustand des Patienten ist und ob der Krebs noch lokalisiert ist oder schon gestreut hat.

Aktives Abwarten
Etwa in einem Fünftel der Fälle wird die Krebserkrankung als so wenig bösartig eingestuft, dass man nichts weiter tun muss, als regelmäßig zur Kontrolle zu gehen. "Man überprüft in solchen Fällen regelmäßig den PSA-Wert und entnimmt in festen Zeitabständen Biopsien", sagt Hans Heinzer von der Martini-Klinik in Hamburg, einer international anerkannten Spezialklinik für Prostatakrebs. Falls der Tumor Anzeichen für ein beschleunigtes Wachstum zeige, könne man rechtzeitig reagieren und weitere Therapieoptionen in Erwägung ziehen. Die Deutsche Krebsgesellschaft informiert, dass solche Tumoren ohne Früherkennungsuntersuchungen nicht aufgefallen wären, möglicherweise hätte so ein Krebs dem Patienten zu seinen Lebzeiten keine Beschwerden bereitet.

Operation und Bestrahlung
Eine OP kommt infrage, wenn der Tumor noch nicht metastasiert ist. So wie die OP ist auch die Bestrahlung in erster Linie für Fälle indiziert, in denen der Tumor noch auf die Prostata begrenzt ist.  Dann ist mit diesen beiden Therapieverfahren sogar bei aggressiven Krebsformen noch eine Heilung möglich. Beide Therapien sollten sorgfältig abgewogen werden, sie können Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen haben: Möglich sind beispielsweise unfreiwilliger Urinverlust (Harninkontinenz) und Erektionsprobleme und Strahlenschäden an umliegenden Organen. Die Strahlentherapie kommt manchmal auch bei metastasierten Prostatakrebs zum Einsatz: "Zum Beispiel, wenn einzelne Knochenmetastasen besonders groß gewachsen sind und Schmerzen verursachen", sagt Heinzer.

Hormonentzugstherapie (umgangssprachlich: "Hormontherapie")
Bei fast allen Prostatakrebs-Patienten wird das Tumorwachstum durch die männlichen Geschlechtshormone vorangetrieben. Die Hormontherapien entziehen dem Krebs diese Hormone – so lässt sich das Wachstum über viele Monate oder sogar Jahre bremsen. Eine dauerhafte Heilung allein durch so eine Hormontherapie ist jedoch nicht möglich. "Es gibt hier heute viele Medikamente zur Auswahl", sagt Heinzer. "Wenn der Tumor gegen eines davon im Laufe der Therapie resistent wird, kann man auf ein anderes umsteigen."

Chemotherapie
Wenn der Prostatakrebs in andere Organe metastasiert ist, ist eine Chemotherapie, meist in Kombination mit einer Hormonentzugstherapie, möglich. Der Tumor lässt sich so zwar nicht heilen, aber das Wachstum kann über einen gewissen Zeitraum gebremst werden. Außerdem lassen sich mit der Chemotherapie auch Beschwerden wie Knochenschmerzen durch Metastasen bekämpfen. Wegen der Nebenwirkungen empfehlen Fachleute Patienten im Alter von über 70 Jahren ein "geriatrisches Assessment" –  durch verschiedene Tests wird der Gesundheitszustand und das Vorliegen von Begleiterkrankungen eingeschätzt, sodass am Ende eine Behandlung gewählt werden kann, die an die körperliche Belastbarkeit des Patienten angepasst ist.

Lutetium-PSMA
Vor einigen Jahren gab es einen regelrechten Boom um diese neue Therapiemethode, die spezifisch auf die Tumorzellen einwirkt – bei relativ geringen Nebenwirkungen. Die Theorie dahinter: Auf Prostatakrebszellen ist das sogenannte prostataspezifische Membranantigen vorhanden, kurz PSMA. Nuklearmediziner verabreichen den Patienten Infusionen mit radioaktivem Lutetium-177, das so wie ein trojanisches Pferd in die Tumorzellen geschleust wird und diese gleichsam von innen bestrahlt und zerstört. "Diese Therapie wird aktuell von vielen Patienten nachgefragt", sagt Heinzer. "Tatsächlich aber sind noch viele Fragen ungeklärt, sodass sie zurzeit eher als letzte Therapieoption angesehen wird, wenn andere Behandlungen nicht mehr wirken."

Welche Therapie kommt nun für Joe Biden infrage?

Bei Joe Biden hat der Tumor bereits in die Knochen metastasiert und ist zudem aggressiv. Eine Heilung ist nach allem, was über Prostatakrebs bekannt ist, nicht mehr möglich, und die Operation scheidet somit als Therapieoption aus. Auch eine Bestrahlung wäre nur für besondere Situationen wie zum Beispiel schmerzhafte Knochenmetastasen sinnvoll. "Für Patienten in diesem Stadium ist die Hormonentzugstherapie die erste Wahl, wobei hier eine Kombination aus zwei Medikamenten infrage kommt", sagt Heinzer. Auch die zusätzliche Gabe einer Chemotherapie wäre denkbar. "Das ist immer eine sehr individuelle Entscheidung und hängt stark davon ab, wie gesund ein älterer Patient noch ist und welche Begleiterkrankungen er hat." Grundsätzlich aber könne man auch mit Prostatakrebs in einem so fortgeschrittenem Stadium bei entsprechender Therapie noch viele Jahre vor sich haben.

Quellen: Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums, ONKO-Portal der Deutschen Krebsgesellschaft