Sieben Bundesstaaten entscheiden, ob Donald Trump oder Kamala Harris ins Weiße Haus einzieht - und eine einzige Stadt im Bundesstaat Nebraska. "Obamaha" könnte den Demokraten die entscheidende Stimme im Electoral College bescheren.
"The Winner Takes it All" - nach diesem Prinzip werden in den USA Präsidentschaftswahlen entschieden. Wer die meisten Stimmen in einem Bundesstaat holt, bekommt alle Stimmen der Wahlleute aus diesem Staat. Egal, ob das Ergebnis deutlich ist oder nur ganz knapp ausfällt. Überall in den Vereinigten Staaten? Nein, zwei Bundesstaaten leisten seit vielen Jahren Widerstand gegen den traditionellen Wahlmodus: Maine und Nebraska. Hier können die Stimmen der Wahlleute im Electoral College gesplittet werden.
In Maine gibt es insgesamt vier Wahlleute-Stimmen zu holen. Wer den Bundesstaat gewinnt, erhält aber nur zwei Stimmen im Electoral College. Die anderen beiden Stimmen im Wahlleute-Gremium gehen an die beiden Sieger in den beiden Wahlkreisen. 1972 wurde die Regel in Maine eingeführt. Seit 1992 haben immer die Demokraten den Bundesstaat gewonnen, doch Donald Trump konnte 2016 und 2020 zumindest einen der beiden Wahlkreise für sich entscheiden. Auch diesmal ist es wahrscheinlich, dass Trump einen Bezirk in Maine und damit eine Stimme im Electoral College gewinnt.
In Nebraska gibt es die Wahl-Sonderregel seit 1992. Im gesamten Bundesstaat sind fünf Wahlleute-Stimmen zu gewinnen. Der Gesamtsieger im Staat erhält aber auch hier nur zwei Stimmen, die anderen drei gehen an die Sieger in den drei Wahlkreisen.
Den Bundesstaat Nebraska wird Trump gewinnen, dazu auch noch zwei der drei Wahlkreise. Aber möglicherweise nicht alle. Schwierig wird es für Trump in Omaha. Die 500.000-Einwohner-Stadt ist die mit Abstand größte Stadt in Nebraska - und sie bildet zusammen mit ein paar kleineren Orten um die Großstadt herum einen der drei Wahlbezirke von Nebraska.
2008 und 2020 siegten die Demokraten
2008 gewannen die Demokraten in Nebraska zum ersten Mal eine Stimme für das Electoral College. Erstmals mischte sich der "blue dot" - der "blaue Punkt" - in Nebraska auf die Präsidentschaftswahlkarte. Omaha wurde zu "Obamaha". 2012 bei der Wiederwahl von Barack Obama war der demokratische Zauber aber schon wieder verflogen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney gewann alle Stimmen in Nebraska. Vier Jahre später siegte auch Donald Trump gegen Hillary Clinton in Omaha. 2020 holte Joe Biden den "blauen Punkt" für die Demokraten zurück.
Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen war das Ergebnis in Omaha nie entscheidend, auch 2008 und 2020 wären Barack Obama und Joe Biden ohne den Sieg im Omaha-Wahlkreis ins Weiße Haus eingezogen. Dieses Jahr könnte die Stimme aus Omaha aber tatsächlich den Unterschied machen. Das Wahlkampfteam von Kamala Harris weiß um die potenzielle Bedeutung des "2nd congressional district" im "Cornhusker State" ("Maisschäler-Staat").
Auf sieben Staaten kommt es an - und auf Omaha
Die Ausgangslage sieht eine Woche vor dem Wahltag so aus: Passiert nichts Unvorhersehbares, ist der Ausgang der Präsidentschaftswahl in 43 der 50 Bundesstaaten schon vorab entschieden. In Wahlleute ausgedrückt: Kamala Harris geht mit einer knappen Führung in den 5. November. Die amtierende Vizepräsidentin hat laut der Prognosen 225 Wahlleute sicher, Donald Trump kommt auf 218. Gehen wir davon aus, dass Trump in Maine zum dritten Mal in Folge einen Wahlkreis rot färbt, landet er bei 219.
In dem Fall wären noch 94 Stimmen der Wahlleute zu verteilen. 93 von ihnen entfallen auf die sieben besonders umkämpften Swing States - Georgia, North Carolina, Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Arizona und Nevada. Übrig ist nur noch die "Omaha-Stimme" für den Sieger in der größten Stadt Nebraskas.
Szenario für Wahlausgang
Von den sieben Swing States hat Trump vor vier Jahren bis auf North Carolina alle verloren. Gewinnt der 45. US-Präsident in North Carolina auch diesmal und übertrumpft er Harris außerdem in Georgia und Arizona sowie in Nevada, käme Trump auf 268 Wahlleute im Electoral College. Für den Sieg braucht es aber 270. Bleibt der sogenannte Rust Belt, der Rostgürtel bestehend aus den nördlichen Swing States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Hier dürfte Harris etwas bessere Siegchancen haben als in den südlichen "Battlegrounds". Sichert sich Harris das "Rust-Belt"-Triple, hat sie 269 Wahlleute auf ihrer Seite.
In diesem Szenario würde Omaha, der zweite Wahlkreis in Nebraska, zum Zünglein an der Waage. Die Umfragen sehen Harris hier vorne. Ihr Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz ist in den vergangenen Wochen sogar zweimal in Nebraska aufgetreten - und er hat einen kleinen Heimvorteil. Der Gouverneur von Minnesota ist am 6. April 1964 in der Kleinstadt West Point im Bundesstaat Nebraska geboren.
Aber die Großstadt ist trotzdem kein Selbstläufer für die Demokraten, das beweisen die unterschiedlichen Ergebnisse bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen. Deshalb betreiben die Demokraten hier auch so viel Wahlkampf.
Wird Omaha zum Zünglein an der Waage?
Bevor Barack Obama kam, war Nebraska eine tiefrote Fläche auf der Wahlkarte. Seit Franklin D. Roosevelt 1936 haben die Demokraten nur ein weiteres Mal (Lyndon B. Johnson 1964) den gesamten Bundesstaat gewonnen. Dann kam das neue Wahlsystem. 2008 und 2020 befleckte ein blauer Punkt die Wahlchancen der Republikaner. Dieses Mal könnte der "blue dot" Trump jede Hoffnung nehmen. Im erwähnten Swing-States-Szenario - Trump gewinnt die südlichen umkämpften Staaten, Harris die nördlichen - ist Trump darauf angewiesen, alle Wahlleute aus Nebraska hinter sich zu bringen. Ansonsten würde Harris die Wahl mit 270 zu 268 gewinnen.
Gewinnt Trump nun überraschend in Omaha und holt die vier südlichen Swing States, während Harris den Rust Belt für sich entscheidet, endet das Präsidentschaftsduell unentschieden. Dann entscheidet das US-Repräsentantenhaus über den Präsidenten. Jeder Bundesstaat hätte eine Stimme. Das würde Trump helfen.
Ohne den Rust Belt kann Trump die Wahl nur noch via Omaha ins Weiße Haus einziehen. Deshalb haben Trump und seine Gefolgsleute in den vergangenen Monaten versucht, die Politik in Nebraska zu beeinflussen. Sie wollen, dass der republikanisch-dominierte Senat im Bundesstaat das Wahlleute-Splitting wieder abschafft. Theoretisch ist das bis einen Tag vor der Präsidentschaftswahl noch möglich. Praktisch wird es aber zumindest dieses Jahr nichts mehr. Nebraskas Politiker haben dem Druck aus dem Trump-Lager nicht nachgegeben.
Sollte Trump die Wahl tatsächlich denkbar knapp mit 268 zu 270 verlieren, wird der Ex-Präsident mit ziemlicher Sicherheit unter anderem auf Nebraska und den "blauen Punkt" auf der Wahlkarte schimpfen.
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