Grönland steckt zwischen dänischer Vorherrschaft und Donald Trumps Annexionsfantasien in einer Zwickmühle. Die Parlamentswahlen könnten den Weg zur Unabhängigkeit ebnen.
Im Norden des Atlantiks entfaltet sich eine Dreiecksgeschichte. Nur geht es nicht um Liebe, sondern um Land.
Im einen Eck sind die Grönländer, die nach Jahrhunderten der Kolonisation und Abhängigkeit von Dänemark endlich Eigenstaatlichkeit wollen.
Im anderen ist das Königreich Dänemark, zu dem Grönland (noch) gehört und das weiterhin an der größten Insel der Welt festhält.
Und dann gibt es noch Donald Trump, der Grönland zu US-Besitz machen möchte.
Jetzt geht der Beziehungsstreit in eine neue Phase.
Trump setzt Dänemark unter Druck
An diesem Dienstag, früher als eigentlich geplant, wählen die Grönländer ein neues Parlament, das Inatsisartut. "Wir haben eine Situation, in der wir den Wahltermin früher ansetzen müssen, als es das Gesetz vorsieht", sagte der grönländische Regierungschef Múte B. Egede Anfang Februar. Egede bezieht sich damit auf Trumps Annexionsfantasien.
Die Gebietsansprüche des US-Präsidenten machen Kopenhagen nervös. Denn der außenpolitische Staub, den Trump aufgewirbelt hat, setzt Dänemark unter Druck. Trumps Gebaren hat die seit Jahren schwelende Unabhängigkeitsfrage zum Wahlkampfthema gemacht, fast alle Parteien haben die Trennung von Dänemark zum Ziel erklärt.
Zwar wollen die Grönländer nicht zu den USA gehören. Ein Charmebesuch von Donald Trump Jr. in der Hauptstadt Nuuk änderte daran wenig. Doch sie wollen auch nicht mehr dänisch sein. Und die USA könnten sie diesem Ziel näherbringen und eine wichtige Rolle spielen, sollte Grönland sich vom Königreich lösen.
Grönlands komplexe Beziehung mit Dänemark
Seit den Anfängen der dänischen Kolonialisierung im 18. Jahrhundert ist die Beziehung zwischen Grönland und Dänemark komplex, eine Mischung aus Zweckehe und Hassliebe. Erst 1979 erhielt die Inuit-Nation weitgehende Autonomie, 2009 die Selbstverwaltung. Nur in der Außen- und Verteidigungspolitik hat Dänemark noch die Oberhand.
Die lange Kolonialgeschichte hinterließ aber Narben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann Dänemark, Grönland zu modernisieren. Neue Häuser, Schulen, Krankenhäuser und Straßen sollten entstehen. Davor hatten die Menschen auf der Insel mit vielen sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Die Modernisierung führte jedoch auch zu sozialen Problemen, da viele Grönländer von der Entwicklung abgehängt wurden. Sie hatten keine Berufsausbildung und arbeiteten in schlecht bezahlten Jobs, schreibt das dänische Nationallexikon. Alkoholkonsum, Kriminalität und Suizidrate stiegen in der Folge.
Hinzu kamen weitere heftige Eingriffe Dänemarks in die grönländische Gesellschaft, wie etwa die Zwangsverschickung grönländischer Kinder Anfang der 1950er-Jahre, um sie zu einer neuen Elite zu erziehen, oder Zwangssterilisationen von Frauen durch Spiralen in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Seit jeher fühlen sich die Grönländer als Bürger zweiter Klasse: Ende Februar protestierten sie in Nuuk gegen Diskriminierung und dänische Arroganz, ausgelöst offenbar durch eine Satiresendung des dänischen Rundfunks, in der grönländische Stereotype als robbenjagende Inuit und Klagen über Benachteiligung übertrieben dargestellt wurden.Proteste gegen dänische Diskriminierung und Rassismus in Nuuk
© Mads Schmidt Rasmussen, Arctic C / Ritzau Scanpix
Solche Stimmungen nähren den Wunsch nach Unabhängigkeit weiter.
Unabhängigkeit dank USA?
Doch hier steht Grönland vor einem großen Problem. Selbst wenn es unabhängig werden würde, wäre es in vielen Bereichen auf finanzielle und materielle Unterstützung angewiesen. Derzeit subventioniert Dänemark die Insel über einen sogenannten Blockzuschuss. 2024 betrug dieser 4,3 Milliarden dänische Kronen – umgerechnet rund 576 Millionen Euro. Das ist mehr als die Hälfte der grönländischen Staatseinnahmen.
Dänemark hilft zudem, die Grenzen der Rieseninsel zu verteidigen. Für Grönland mit seinen nicht einmal 60.000 Einwohnern ist das fast unmöglich. Hier könnten die USA ins Spiel kommen. Sie könnten schnell und leicht die Sicherheitsgarantien für Grönland übernehmen. Eine Luftwaffenbasis, die Pituffik Space Base, unterhalten die USA bereits im Norden.
Donald Trump würde dies jedoch nicht ohne Gegenleistung tun. Trump ist bekannt für seine Quidproquo-Politik. Zuletzt zu beobachten bei der Ukraine, die sich die Unterstützung Washingtons mit einem Rohstoffdeal sichern muss.
Bodenschätze statt Blockzuschuss?
Auch Grönlands Eis schlummern solche Bodenschätze: Seltene Erden, Gold und andere Metalle. Das geologische Forschungszentrum GEUS fand im grönländischen Untergrund eine außergewöhnliche Anhäufung wichtiger Rohstoffe, die für die Herstellung moderner technischer Produkte wie Smartphones oder Windräder benötigt werden.
Trump argumentiert zwar, man brauche Grönland aus sicherheitsstrategischen Gründen und in der Tat hat die Insel eine günstige Lage im Nordatlantik zwischen den USA und Russland, als eine Art "Sicherheitspuffer". Doch der US-Präsident dürfte bei seinen Übernamefantasien eher die möglichen Gewinne aus den Bodenschätzen im Auge haben.
Kurz vor der Parlamentswahl versprach er den Grönländern Milliardeninvestitionen und eine wohlhabende Zukunft als US-Territorium. "Wir sind bereit, Milliarden von Dollar zu investieren, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und euch reich zu machen", schrieb Trump in einem Beitrag auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social. Der Blockzuschuss wäre dagegen wahrscheinlich fast ein Taschengeld.
Aber auch für die Grönländer könnte eine engere Zusammenarbeit mit den USA profitabel sein und die Unabhängigkeit stärken, argumentieren grönländische Politiker. US-Investitionen könnten den Blockzuschuss in der Staatskasse ersetzen. Der grönländische Finanz- und Steuerminister Erik Jensen erklärte jedenfalls, er sei "open for business" mit den Amerikanern.
"In Grönland spricht man über verschiedene Modelle, wie die Unabhängigkeit aussehen könnte und mit wem man zusammenarbeiten könnte, wenn es nicht mit Dänemark sein soll", sagte Astrid Nonbo Andersen, leitende Wissenschaftlerin am Dänischen Institut für Internationale Studien, dem dänischen Fernsehsender TV2. "Hier haben die Amerikaner einen starken Einfluss."
Unabhängigkeit nur eine Frage der Zeit
Wird dieser 11. März also die Unabhängigkeit Grönlands besiegeln?
Nein. Aber die Wahl rückt die Unabhängigkeitsfrage weiter in den Fokus. Mehrere grönländische Politiker wollen nach der Abstimmung Paragraf 21 im Gesetz über Grönlands Selbstverwaltung aktivieren, der den Weg zur Unabhängigkeit regelt. Die Regierungspartei Siumut hatte dies gefordert, aber kurz vor der Wahl einen Rückzieher gemacht. "Wir müssen mit den Studien beginnen, die in zwei Jahren abgeschlossen sein werden, und dann werden wir sehen, ob wir Abschnitt 21 aktivieren sollten oder nicht", hatte Parteichef Erik Jensen erklärt.
Ein Datum für die Trennung von Dänemark oder ein Referendum ist also noch nicht in Sicht. Vieles muss auf dem Weg dahin noch geklärt werden. Vor allem, ob Grönland seine Hand in Richtung USA oder Dänemark ausstrecken will. Aber letztendlich ist die Unabhängigkeit Gröndlands nur eine Frage der Zeit.