Volkswagen hat 2024 deutlich weniger Gewinn gemacht. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erklärt, was die neue Bundesregierung tun und was die VW-Currywurst ausrichten könnte.
Herr Dudenhöffer, wieder mal schlechte Nachrichten aus Wolfsburg. Der Gewinn im VW-Konzern ist um fast 31 Prozent eingebrochen. Erwartbar?
Ja, das war klar. Und um es vorwegzunehmen: Die nächsten Jahre werden nicht einfacher.
Woran liegt das?
An drei Dingen. Am zu teuren Standort Deutschland. An der schlechten Performance in China. An der fehlenden Zukunft bei Audi.
Ursache sind die Kosten oder falsche Produkte?
Vor allem die Marke VW leidet unter deutlich zu hohen Kosten. Sie ist mit ihren Werken und Entwicklungszentren zu stark auf den teuren Standort Deutschland ausgerichtet.
Warum?
Weil die Unternehmensverfassung einen 20-prozentigen Aktienbesitz des Landes Niedersachsen vorsieht. Dadurch kann VW nicht, wie der Wettbewerb, seine Personal- und Produktionskosten flexibel anpassen.
Dagegen kann man wenig tun, wenn es die Politik nicht will.
Stimmt. Immerhin hat VW erste Gegenmaßnahmen eingeleitet: Bis zum Jahr 2030 sollen 35.000 Stellen abgebaut werden. Das Grundproblem des halbstaatlichen Unternehmens bleibt allerdings ungelöst.
Heute lernen die Wolfsburger von den Chinesen
Welche Rolle spielt China für den Unternehmenserfolg?
Früher kamen die großen VW-Gewinne aus China, diese Zeit ist vorbei. Dort sind die Verkäufe weiter rückläufig. Aber hier hat VW Gegenmaßnahmen eingeleitet. Mit dem China-Chef Ralf Brandstätter gibt es eine klare, richtige Neuausrichtung: "In China für China." Dabei gewinnt VW klar durch seine Zusammenarbeit mit dem jungen Start-up XPeng. Heute lernen die Wolfsburger von den Chinesen, neue Autos sind in der Pipeline. Das ist gut so. Hier ist das Ende des dunklen Tunnels schon zu sehen.
Rechnen Sie auch damit, dass die VWs für Deutschland bald aus China kommen?
Warum nicht? VW-Elektroautos "Made in China" wären auch in Europa deutlich kostengünstiger und wettbewerbsfähiger. VW sollte seine preisgünstigen neuen E-Autos wie den ID.2 oder ID.1 zumindest teils in China bauen, auch für den deutschen Markt.
Was brächte das für die Verbraucher?
Der VW ID.3 wird in China unter 20.000 Euro verkauft, da sind nur etwas andere Materialien verbaut. In Deutschland kostet er mehr als das Doppelte. VW würde intelligent handeln, wenn es sich endlich mehr als Profitcenter sehen würde: Fahrzeuge in China bauen und in die ganze Welt verkaufen. Das machen andere Hersteller auch.
Trotz aller Probleme hat der VW-Konzern unterm Strich 12,4 Milliarden Euro verdient. Eine Menge Geld! Wo also liegt das Problem?
Es ist zu wenig Gewinn für einen Konzern, der so kompliziert ist. Das Geld reicht nicht, um die großen Investitionen der Zukunft zu stemmen: die Digitalisierung, das Elektrogeschäft, das Abfedern von Risiken, die das Amerika unter Trump mit sich bringt.
Bei VW läuft es schlecht, trotzdem soll den Aktionären eine Dividende von 6,36 Euro je Aktie bezahlt werden. Müsste das Geld nicht besser investiert werden?
Man muss seine Geldgeber genauso ordentlich bezahlen, wie man seine Beschäftigten entlohnt. Sonst rauscht der Kurs in den Keller. Tut er das, wird es sehr schwer, am Aktienmarkt neues Kapital aufzutreiben. Das wäre fatal.
Morgen wird die VW-Konzerntochter Porsche ihre Ergebnisse veröffentlichen. Lange waren die Zuffenhausener die Geldbringer im Konzern, jetzt läuft es auch hier nicht rund. Warum?
Auch Porsches Produkte funktionieren nicht in China. Die Verkäufe sind dort 2024 um 28 Prozent eingebrochen. Die Konkurrenz ist übergroß. Bestes Beispiel ist das chinesische Unternehmen Xiaomi, das auch Handys verkauft. Xiaomi hat ein Fahrzeug am Markt, das sieht aus wie der Porsche Taycan und ist umgerechnet ab rund 28.000 Euro zu haben. Der Taycan kostet 130.000 Euro. Also: Der Preisabstand ist viel, viel zu groß.
Kommenden Dienstag muss Audi seine Zahlen präsentieren. Was erwarten Sie?
Nichts Gutes. Audi ist das größte Problemkind des Konzerns. Die Verkäufe zeigen seit einigen Jahren nur eine Tendenz: abwärts. Seit dem "Dieselgate" hat sich die Marke nicht mehr erholt und bisher sieht man wenig Konzeptionelles, was in die Zukunft führt. Die früheren Gewinne schmelzen wie Schnee in der Sonne. Ein Ende ist nicht absehbar.
Was macht Audi falsch?
Zum Beispiel, dass man alle zwei Jahre einen neuen Entwicklungsvorstand einsetzt. Audi braucht einen echten Wiederaufbau und Stabilität. Derzeit sind sie sehr chaotisch unterwegs.
Wolfsburg braucht mehr Škoda-Gene für die Zukunft
Das klingt alles trüb. Gibt es denn nichts Erfreuliches in Wolfsburg zu vermelden?
Doch: Škoda. Die Tochter ist der neue Star und stabilisiert mit ihren Produkten und ihrer Effizienz den VW-Konzern. Wolfsburg braucht mehr Škoda-Gene für die Zukunft. Donald Trump und seine Zollkriege machen Porsche und Audi das Leben schwer. Škoda aus Mladá Boleslav hat hier wenig zu befürchten.
Die Welt wird gerade kräftig durcheinandergewirbelt, vor allem durch Trump. Kommt Mercedes, dass morgen seinen Geschäftsbericht vorlegt, besser damit klar als VW?
Ja. Aber Mercedes hat ähnliche Probleme in China bei den Elektroautos. Auch dort steuert man stark gegen. Bei Mercedes bin ich einen Tick optimistischer als bei VW.
Warum?
Unter anderem, weil die Zölle Mercedes weniger wehtun werden als dem VW-Konzern. Mercedes produziert schon in Amerika (Tuscaloosa, Anm. d. Red.), Audi und Porsche tun es nicht. Und die Marke VW ist in den USA schon immer eher ein Waisenkind.
Was erwarten Sie für BMW in diesen wilden Zeiten?
BMW ist stabiler als VW, hat aber derzeit dünne Margen vorzuweisen. Von daher braucht BMW die "Neue Klasse", die jetzt auf den Markt kommt. Sie muss funktionieren, auch in China. In den USA ist BMW den Risiken durch Trumps Zollkrieg besonders ausgesetzt, denn BMW USA ist der größte Exporteur nach China, das ja nun Gegenzölle erheben will.
Kommen wir nach Deutschland zurück. Hier hat die US-Mutter Ford gerade ihrer Kölner Europatochter den Beistand gekündigt. Künftig wird sie nicht mehr automatisch die hohen Verluste ausgleichen. Steht Ford damit vor dem Aus?
Das würde ich nicht ausschließen. Ford produziert hier zu wenig Autos, um erfolgreich zu sein, und die sind zudem viel zu sehr für den reinen europäischen Markt konzipiert. Und die Elektroautos, die von Ford aus Amerika zu uns kommen, sind zu groß und damit für uns kaum geeignet.
Die neuen Koalitionäre, CDU und SPD, arbeiten gerade an dem großen Wumms für die deutsche Wirtschaft. Hilft das, was geplant ist, auch der Automobilbranche?
Noch ist zu viel unklar. Absoluter Gewinner wird aber nicht die Autoindustrie sein, sondern Rheinmetall und alle, die Waffen produzieren.
Etwas schwammig hat Schwarz-Rot neue Prämien für E-Autos angekündigt. Glauben Sie daran?
Ach, auf der einen Seite will man Subventionen für Elektroautos zahlen, aber auf der anderen Seite das Verbrennerverbot 2035 aushebeln. Das ist doch alles total widersprüchlich und verunsichert die Verbraucher.
Es muss beim Verbrennerverbot 2035 bleiben
Was würde der Autoindustrie wirklich helfen? Was kann die Politik tun?
Erstens muss Brüssel die Zölle für chinesische Elektroautos abschaffen, damit die breite Bevölkerung durch bezahlbare Stromer überhaupt erst einmal Lust kriegt auf E-Mobilität. Zweitens muss es beim Verbrennerverbot 2035 bleiben. Drittens müssen die Strompreise runter, sodass jeder sieht, dass sich Elektroautos billiger fahren lassen als Verbrenner. Und viertens kann es natürlich in der Übergangszeit auch eine E-Auto-Prämie geben. Aber sie allein macht keine Lust aufs Elektroauto.
Volkswagen hat im vergangenen Jar doch einen Verkaufsrekord aufgestellt: 8,55 Millionen "Volkswagen Original Currywürste" wurden in den Kantinen und Supermärkten ausgegeben – das sind mehr als die verkauften VWs. Sollte Wolfsburg vielleicht das Geschäftsmodell wechseln?
Wenn das Kantinenessen das Einzige ist, worauf VW stolz sein kann, ist das traurig. Und aus gesundheitlicher Sicht würde ich den Wolfsburgern mehr Vielfalt bei den Gerichten für die Mitarbeiter empfehlen.