Einen günstigen Benzinpreis zu ergattern, wird immer aussichtsloser. Viele Tankstellen ändern so oft den Preis, dass niemand mehr durchschaut. Eine Überlebenshilfe.
In nur wenigen Stunden fällt der Benzinpreis für Super-E10 um 19 Cent pro Liter. Wurde im Nahen Osten ein Konflikt befriedet? Nein. Haben sich vielleicht die Ölscheichs der Opec zerstritten? Auch nicht. Es ist ein ganz normaler Tag in Deutschland. An einer ganz normalen Tankstelle.
In diesem Fall haben wir uns eine Total-Tankstelle in Duisburg herausgepickt. 22-mal hat sie an diesem Tag, den 30. April, den Preis geändert. Das ist Durchschnitt in Deutschland.
Eine Shell-Tankstelle in München hat an diesem Tag 32-mal den Preis geändert. Eine Bavaria-Petrol-Filiale und eine Esso-Station, ebenfalls in München, sogar 36-mal. Die Shell-Filiale zum Beispiel hat in den anderthalb Stunden nach acht Uhr den Super-E10-Preis alle 15 Minuten geändert. Dabei schwankte der Preis an diesem Tag insgesamt um 13, bei der Bavaria-Petrol um 14, bei Esso um 16 Cent pro Liter.
Tag für Tag führen die Tankstellen in Deutschland einen Preistanz auf, der wie Wettbewerb aussieht, für Verbraucher aber eher ein Verwirrspiel ist. Seit elfeinhalb Jahren sind die Preise an den Tankstellen transparent. Alle Tankstellen müssen ihre Daten ans Kartellamt melden, welches die Daten für Tankapp-Anbieter freigibt. Zu Beginn änderten die Tankstellen im Schnitt vier bis fünfmal am Tag den Preis. Es genügte im Prinzip, auf dem Heimweg auf die Tafeln zu schauen, und man war im Bilde.
Keine Auskunft vom Ölkonzern
Angesprochen auf die Gründe für den häufigen Wechsel, reagieren viele Mineralölkonzerne schmallippig. Einige wie Hem und Aral erklärten, das Kartellrecht verbiete ihnen eine Antwort (was so pauschal nicht stimmt). Shell reagierte gar nicht. Jet immerhin antwortete dem stern, wenn auch vage: Die hohe Zahl der Preisänderungen sei "Ausdruck eines intensiven Wettbewerbs".
Viel offener reagierte der Bundesverband Freier Tankstellen (BFT). "Im Prinzip könnten wir mit weniger Preisveränderungen leben und einige unserer Mitgliedsunternehmen haben versucht, sich von den täglichen Preisschwankungen abzukoppeln, indem sie keine oder nur wenige Preisänderungen getätigt haben", so eine BFT-Sprecherin zum stern. "Es hat sich gezeigt, dass der Kunde dieses Verhalten nur dann honoriert, wenn der angezeigte Preis unter dem Preis der Wettbewerber liegt." Dass Freie Tankstellen nicht ganz so oft den Preis ändern wie die großen Marken der Ölkonzerne, ist auch der Eindruck des Kartellamts.
Die oben beschriebenen Fälle sind nur eine Stichprobe. In den Ballungszentren ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass Tankstellen mehr als 35-mal am Tag den Preis ändern. Das Kartellamt hat dieses Jahr schon beobachtet, dass einzelne Tankstellen 57 Mal an der Benzinuhr drehten. "Für Verbraucherinnen und Verbraucher wird dadurch die Orientierung erschwert", klagt Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Oft beschweren sich Autofahrer beim Kartellamt, weil sie in einer Tankapp niedrige Preise entdecken, die sie aber bei der Ankunft an der Tankstelle ein paar Minuten später nicht mehr vorfinden.
Nicht mal die Hälfte erwischt günstige Benzinpreise
Das Kartellamt hat in einer kleinen Umfrage untersuchen lassen, zu welchen Zeiten Autofahrer tatsächlich tanken: Demnach gelang es 2023 nur noch 43 Prozent, einen Preis im unteren Viertel der Preisskala zu ergattern. 2015 hatten das noch knapp 60 Prozent geschafft.
Eigentlich sollte die Preistransparenz dem Verbraucher helfen. Nun zeigt sich aber, dass die Tankstellen selbst die Transparenz nutzen können, um ihre Preise gerade so weit senken zu müssen wie nötig. Dabei haben sich recht synchrone Preisverläufe herausgestellt. Und es fällt auf, dass es ein stilles Einvernehmen gibt, Verbraucher, die morgens tanken müssen, zu schröpfen. Das jedenfalls legt der durchschnittliche Preisverlauf nahe, den folgende Grafik zeigt. Und in unseren Stichproben haben wir ihn so ähnlich auch bei den untersuchten Tankstellen gesehen.
Verlauf des Benzinpreises über den Tag: Niemals morgens tanken!
Es wird immer schwerer, am Tag den richtigen Zeitpunkt fürs Tanken zu finden: Verlauf der Preise für Super E10 (rot) und Super E5 (blau) und Diesel (grün). Durchschnittswerte aus dem ersten Quartal 2025 für ganz Deutschland
© © Bundeskartellamt
Nun ist ja auch nur logisch, dass Menschen morgens eher nicht die Zeit haben, auf eine Tankstelle auszuweichen, die nicht auf dem direkten Weg zur Arbeit liegt. Während man vor ein paar Jahren noch ziemlich sicher sein konnte, wenigstens abends nach Feierabend dann günstig zu tanken, erlauben sich inzwischen die meisten Tankstellen auch dann noch ein paar höherpreisige Phasen.
Wichtig dabei: Autofahrer sollten ihren Frust über die Preisverwirrung nicht am Tankwart auslassen. "Der Tankstellenpächter sieht auch nur aus dem Fenster und sieht, dass seine Preise verändert werden – und weiß nicht warum oder wann", erklärt Herbert Rabl, Sprecher des Tankstellen-Interessenverbandes tiv, der die Belange der Pächter vertritt. Die bekämen lediglich eine Provision von "ein bis drei Cent pro Liter" – egal, welcher Preis an der Zapfsäule steht.
Denn die großen Marken setzen vielfach softwaregestützte Preissysteme ein, die automatisch aufs das Umfeld einer Tankstelle reagieren und die Preise anpassen.
Tipps fürs Tanken
Was also tun?
Es genügt nicht, sich eine günstige Tankstelle zu suchen. Man muss auch den richtigen Zeitpunkt zum Tanken wählen. Dazu lohnt es sich, eine Tankapp zum Beispiel vom ADAC zu nutzen. Sehr interessant ist die Grafik, die die Website von clever-tanken.de für jede Tankstelle bildet: Da lässt sich abends nachvollziehen, zu welcher Zeit die Tankstelle an diesem Tag welchen Preis verlangt hat.
Wer sowohl die Tankstelle als auch den Zeitpunkt optimal wählt, zahlt in Großstädten wie Berlin, Frankfurt und Stuttgart aktuell für Super E10 rund 30 Cent weniger, als wenn er morgens um 7 Uhr bei der teuersten Tankstelle zapft. Bei Diesel sind es rund 28 Cent weniger. Mit anderen Worten: An jedem beliebigen Tag unterscheiden sich die Preise in absoluten Zahlen stärker, als die Ölmärkte der Welt in den vergangenen zwölf Monaten den Ölpreis zu bewegen vermochten.