Ein begrenzter Mini-Waffenstillstand für die Energieinfrastruktur sollte den Weg zu Friedensverhandlungen ebnen – doch kaum angekündigt, wurde er bereits gebrochen.
Ein begrenzter Mini-Waffenstillstand sollte den Weg zu Friedensverhandlungen ebnen. In einem Telefonat zwischen Wladimir Putin und Donald Trump einigten sich die beiden Staatslenker auf diesen Waffenstillstand. Für 30 Tage sollten die Konfliktparteien darauf verzichten, Einrichtungen der Energieinfrastruktur anzugreifen. Doch kaum angekündigt, wurde er schon gebrochen
Auf die Kampfhandlungen wirkt sich dieser "Waffenstillstand" nicht aus. Die Bodengefechte bleiben unberührt, selbst Luftangriffe mit Gleitbomben, Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern können weitergehen – solange sie andere Ziele treffen. Der partielle Waffenstillstand hat lediglich symbolischen Wert. Bei Einhaltung gewinnt keine Seite einen entscheidenden Vorteil. Doch er bietet die Möglichkeit, 30 Tage lang guten Willen zu zeigen und Bereitschaft für Verhandlungen statt Waffengewalt zu signalisieren.
Russische Gasanlage angegriffen
Dennoch wurde er verletzt. Eine Gastransit-Anlage wurde bombardiert. Sie liegt auf russischem Gebiet, steht vermutlich jedoch noch unter ukrainischer Kontrolle, unmittelbar an der Grenze im ehemaligen Frontvorsprung bei Kursk. Dort halten die Ukrainer nach der Niederlage um Sudscha noch einen schmalen Streifen russischen Territoriums. Diese wichtige Pumpstation gehört zum "Urengoy-Pomary-Uschhorod"-Pipelinesystem, das einst Gas von Sibirien über die Ukraine nach Europa leitete. Seit Kiew den Transit russischen Gases Ende 2024 stoppte, hat sie an Bedeutung verloren, doch der Angriff könnte darauf abzielen, die Infrastruktur dauerhaft zu zerstören und Europas Energieversorgung langfristig zu beeinträchtigen. Die Russen nutzten diese Pipelines einige Kilometer nordöstlich für ihren Überraschungsangriff auf Sudscha, als etwa 800 Soldaten unterirdisch durch die Röhren in den Rücken der ukrainischen Verteidigungslinien gelangten.
Klare Beweise für den Urheber des Angriffs fehlen – sie wären nur durch Trümmerteile der eingesetzten Waffe zu finden. Der Augenschein deutet auf Kiew, doch eine russische False-Flag-Operation ist nicht auszuschließen. Das russische Außenministerium beschuldigt die Ukraine, den Friedensprozess vor seinem Beginn zu sabotieren. Aktuell ist die Station ohnehin bedeutungslos: Der Gastransport nach Westen wurde gestoppt, und russische Militäroperationen haben die Röhren unbrauchbar gemacht. Eine Wiederinbetriebnahme des Pipelinesystems könnte künftig jedoch schwieriger und kostspieliger werden.
Formal wohl kein Verstoß gegen Waffenstillstand
Ob der Angriff formal gegen die Vereinbarung verstieß, ist fraglich – er geschah vor dem Gespräch zwischen Präsident Selenskyj und Donald Trump, also bevor Selenskyj eine Zusage hätte machen können. Der Vorschlag der partiellen Waffenruhe war jedoch bereits weltweit bekannt. Eine Infrastruktureinrichtung kurz vor Inkrafttreten zu zerstören, mag formal korrekt sein, zeigt aber das Gegenteil von gutem Willen. Das dürfte auch der Trump-Regierung aufgefallen sein. Der Kontrast zu Wladimir Putin sticht ins Auge: Nur zehn Minuten nach dem Gespräch mit Trump soll er das sofortige Ende aller Angriffe auf Energieanlagen angeordnet haben – ein kalkulierter Schritt, der nicht nur Trumps Ego schmeichelt, sondern auch die USA als neutralen Akteur gewinnen und die Unterstützung für die Ukraine schwächen soll. Die Russen sollen sogar bereits gestartete Drohnen selbst abgeschossen haben. Dieses schnelle Handeln passt perfekt zum Naturell des US-Präsidenten und seiner Vorstellung von "Männer machen Geschichte". Politisch trägt Kiew nun den Schaden.
Militärisch geht der strategische Luftkrieg unvermindert weiter. Die Hafenstadt Odessa wird von Russland heftiger denn je angegriffen, vermutlich um westliche Waffenlieferungen zu blockieren. Besorgniserregend ist, dass den Russen zunehmend Treffer mit Geran-Drohnen nach iranischem Baumuster gelingen – eine Billigwaffe wie die Shahed-136, deren schiere Menge die ukrainische Luftabwehr überfordert. Im Falle von Odessa kommt hinzu, dass die Drohnen sich über Wasser nähern können. Die Ukrainer also keinen Abwehrgürtel aufbauen können, der aus Falkpanzern und gebündelten Maschinengewehren besteht.
Russland weitet Angriffe aus
Dazu attackieren die Russen landesweit Kommandostrukturen. Im strategischen Luftkrieg haben sie klare Vorteile. Statische Ziele wie Flughäfen und Raffinerien können die Ukrainer selbst aufklären, sonst sind sie auf westliche Zielaufklärung angewiesen, meist aus den USA. Vereinfacht gesagt: Jedes lohnende Ziel muss Donald Trump genehmigen. Zudem verfügen die Russen über eine große Zahl Iskander-Raketen. Diese ballistischen Systeme erreichen mit hoher Präzision und Geschwindigkeiten bis Mach 6-7 ihre Ziele deutlich schneller als Drohnen oder Marschflugkörper und so können sie auch bewegliche Ziele treffen. Die Ukraine entwickelt eigene Mittelstreckenraketen wie "Sapsan" und eine "Neptun" mit erhöhter Reichweite. Sie wurden erfolgreich getestet, doch die Serienproduktion lässt auf sich warten. Die Ukraine besitzt das Knowhow für solche Raketen, aber die Technik ist weit komplexer als bei Langstreckendrohnen, die oft handelsübliche Motoren nutzen. Anders als Drohnenkomponenten sind Raketentriebwerke nicht unauffällig auf dem freien Markt erhältlich – sie müssen unter dem Druck russischer Luftangriffe in der Ukraine gefertigt werden. Dabei helfen unterirdische Fabriken aus der Stalin- und Sowjetzeit, die teilweise selbst Atombomben standhalten.