Der BVB spielt die schwächste Hinrunde seit zehn Jahren. Vermutlich wird sie Trainer Sahin den Job kosten, auch wenn er nicht allein Schuld an der Misere trägt.
Die Dortmunder Profis standen nach dem Schlusspfiff wie reuige Sünder vor ihrem Anhang im nebeligen Kieler Holstein-Stadion. Nico Schlotterbeck und Kapitän Emre Can ließen sich sogar auf eine Diskussion mit einem Ultra ein, der sich zur Werbebande vorgekämpft hatte und mit dem Zeigefinger fuchtelnd auf die Profis einredete. Zu gern hätte man in diesem Moment ein Mikrofon vor Ort gehabt, um sich das Gespräch anzuhören. Allerdings gehört nicht viel Fantasie dazu, sich den Inhalt vorzustellen. "Ihr lauft nicht, ihr kämpft nicht, ihr spielt großen Mist zusammen, ihr seid keine Mannschaft." So in etwa dürften die Vorwürfe nach der peinlichen 2:4 Niederlage gelautet haben. Schlotterbeck wird sich entschuldigt haben. Vielleicht hat er in seiner Not auf die Erkältungswelle hingewiesen, die ihn selbst und andere Profis geschwächt hatte.
Doch selbst der eloquenteste Mensch der Welt hätte den Auftritt des BVB bei Aufsteiger Holstein Kiel nicht schönreden können. Der Abschluss der Hinrunde war gleichzeitig ihr Tiefpunkt, untergegangen im Kieler Küstennebel. Die Zwischenbilanz zur Saisonhälfte ist katastrophal: In der Tabelle steht das Team von Trainer Nuri Sahin auf dem zehnten Tabellenplatz, und der Rückstand auf die Champions-League-Ränge beträgt fünf Punkte. Es ist die schlechteste Hinrunden-Bilanz seit zehn Jahren, der BVB taumelt.
Beim BVB herrschen Enttäuschung und Ratlosigkeit
Entsprechend schwankten die Äußerungen der Verantwortlichen nach dem Schlusspfiff zwischen Enttäuschung und Ratlosigkeit. Sport-Vorstand Lars Ricken, der ab Herbst 2025 zum neuen Gesamt-Boss aufsteigt, wenn Hans-Joachim Watzke als Geschäftsführer ausscheidet, nannte die Leistung "unwürdig bis peinlich". Kapitän Can, mittlerweile gewohnt, schlechte Leistungen zu kommentieren, machte sich brav selbst Vorwürfe: "Wir Spieler, ich ganz vorne, das geht so nicht. So können wir nicht spielen."
Fast verzweifelt wirkte Trainer Nuri Sahin. Die Launenhaftigkeit seines Teams ist ihm ein Rätsel: "Bei uns ist es immer wieder so, dass du nicht weißt, was rauskommt. Das raubt viel Kraft."
Der junge Trainer ist angezählt. Namen wie Erik ten Hag (früher Ajax Amsterdam und Manchester United) oder Roger Schmidt (früher Bayer Leverkusen und Benfica Lissabon) werden schon als mögliche Nachfolger genannt. Gelingt Sahin in den Spielen gegen Eintracht Frankfurt und in der Champions League gegen den FC Bologna nicht die Kehrtwende, wird er entlassen.
Niemand glaubt an echte Kehrtwende unter Sahin
Wenn er überhaupt eine Chance hat. Denn an einen echten Turnaround glaubt niemand so recht. Sahin hat bislang nicht nachgewiesen, dass er die launische Mannschaft in die Spur bringt. Der Vertrauensvorschuss, den er als Trainer-Neuling von der Klub-Führung vor der Saison erhalten hat, ist aufgebraucht.
Die Formschwankungen seiner Truppe sind einfach zu extrem. Zu oft stürzte das Team nach ansprechenden Leistungen ab. Gegen Spitzenklubs in der Champions League wie Real Madrid oder den FC Barcelona setzte es empfindliche Niederlagen, in der Bundesliga leidet der BVB an einer eklatanten Auswärtsschwäche. Selbst die Verletzungswellen, die das Team plagten, können ein solches Auf und Ab nicht erklären.
Sahin wirkt überfordert mit den hohen Anforderungen und den unzuverlässigen Spielern. TV-Experte Dietmar Hamann wies darauf hin, dass ein Spitzenklub wie Borussia Dortmund es sich nicht leisten könne, ein Ausbildungsverein für junge Trainer zu sein. Hier braucht es Erfolge – und zwar sofort. Ein Blick nach München reicht allerdings, um zu beweisen, dass es auch anders laufen kann: Beim FC Bayern macht der nur zwei Jahre ältere Vincent Kompany mit ähnlich geringer Erfahrung bislang einen erfolgreicheren Job. In Dortmund scheint das Experiment mit Sahin gescheitert zu sein.
Dass Sahin noch auf der Bank sitzt, dürfte damit zu tun haben, dass er ausdrücklich der Mann der Bosse ist, besonders von Sportdirektor Sebastian Kehl. Bisher richtete sich die öffentliche (!) Kritik gegen die Spieler, weniger gegen den 36-Jährigen, obwohl er offensichtlich Fehler macht. Sahin hat Stallgeruch, schließlich war er einst schon als Zwölfjähriger zum BVB gekommen. Seine Entlassung wäre das Eingeständnis der Klubführung, einen Fehler begangen zu haben. Doch mittlerweile ist die Krise eigentlich zu groß, um darauf noch Rücksicht zu nehmen.