In Thüringen verhandeln CDU, SPD und das BSW über eine mögliche Regierungsbildung. Dafür verlangt BSW-Chefin Wagenknecht inzwischen: Die Thüringer CDU müsse sich von ihrem Parteichef distanzieren. Ministerpräsident Ramelow erinnert das Verhalten der "Zarin" an den früheren SED-Chef.
Thüringens amtierender Ministerpräsident Bodo Ramelow hat die versuchte Einflussnahme von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht auf die Regierungsbildung in Thüringen indirekt mit dem Verhalten des DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker verglichen. "Die Zarin und der Saarländer haben den kommunistischen Kadavergehorsam tief verinnerlicht", sagte der Linke-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in Anspielung auf Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine, mit dem sie im Saarland lebt. "Schon einmal hat es im Gebiet der heutigen neuen Bundesländer einen Saarländer gegeben, der die Macht exekutierte. Aber die Befehle kamen letztlich aus Moskau."
Honecker wurde wie Lafontaine im Saarland geboren. De facto war Honecker als SED-Chef der Regierungschef der DDR, er unterstand aber fast vollständig dem Einfluss der Sowjetunion. Zuvor hatte Ramelow bei X bereits geschrieben: "Da ist wohl nix B wie Bündnis, oder S wie souverän, sondern nur W wie Weisungsgebunden und letztlich Z wie Zentralismus und K wie Kommandowirtschaft. ZK - BSW hat Veto eingelegt." Später schrieb er, dass "ein ganzes Bundesland zum Steigbügel für eine einzige Person degradiert wird und eine Regierungsbildung in Geiselhaft genommen wird. Thüringen - das Reallabor für ein unwürdiges Politik."
Wagenknecht hatte die Thüringer CDU zuvor aufgefordert, dass sie sich in der Ukraine-Politik von ihrem Parteichef Friedrich Merz distanzieren müsse, wenn sie ihrem BSW die neue Landesregierung bilden wolle. "Nach der entsetzlichen Rede von Friedrich Merz diese Woche im Bundestag, in der er faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Russland gefordert hat, können wir mit seiner Partei nur in Koalitionen eintreten, wenn die Landesregierung sich von solchen Positionen klar abgrenzt", sagte die BSW-Bundesvorsitzende dem "Spiegel".
Merz hatte sich am Mittwoch im Bundestag für einen härteren Kurs gegen Kremlchef Wladimir Putin eingesetzt und dieses am Wochenende bekräftigt. "Wenn der Kriegsterror gegen die Zivilbevölkerung nicht binnen 24 Stunden aufhört, werden die Reichweitenbegrenzungen der gelieferten Waffen aufgehoben", sagte Merz. "Wenn das nicht reicht, liefert Deutschland Taurus-Marschflugkörper, um die Nachschubwege der russischen Armee zu zerstören." Die Ukraine fordert immer wieder, dass sie in ihrem Verteidigungskampf westliche Waffen auch gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen darf.
"Immer abenteuerlicher"
In Thüringen wie in Sachsen verhandeln CDU, SPD und BSW derzeit, ob man gemeinsam die kommenden Landesregierungen bilden kann. Aus Kreisen der SPD und der CDU hieß es vergangene Woche, die Gespräche verliefen eigentlich vielversprechend, weil man sich vorwiegend auf landespolitische Themen konzentriere. Allerdings dringen Wagenknecht und ihre Partei darauf, dass eine Koalition nur zustande kommen könne, wenn man die Ukraine zu Friedensverhandlungen mit Russland dränge und die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland ablehne.
Thüringens Ministerpräsident Ramelow bezeichnete diese Forderung als "ein fatales Signal" mit einer aus historischen Gründen "tragischen Symbolik". Der stellvertretende Thüringer CDU-Vorsitzende Christian Hirte sprach von "immer abenteuerlicheren" Aussagen. "Friedrich Merz ist unser Kanzlerkandidat und auf dem richtigen Kurs für Deutschland", sagte er. Offensichtlich störe Wagenknecht "die pragmatische Politik in Thüringen".
"Bündnis Leninistischer Ideologen"
Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, forderte CDU und SPD dazu auf, den außenpolitischen Forderungen des BSW nicht nachzugeben. "Wer die Parolen des BSW übernimmt, verliert nur selbst", sagte er dem "Stern". Die "Politiker der demokratischen Parteien" sollten sich "weder auf Landes- noch auf Bundesebene von Populisten von den Grundprinzipien der Demokratie, dem Völkerrecht oder der Solidarität mit der Ukraine abbringen lassen."
Forderungen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs sollten "einzig und allein an Moskau" gerichtet werden, führte Makeiev aus. Er kritisierte: "Das BSW instrumentalisiert den genozidalen Krieg Russlands gegen mein Land, um politisch davon zu profitieren." Zugleich leugne das Bündnis russische Kriegsverbrechen und betreibe Täter-Opfer-Umkehr. Es sei ein "Bündnis Leninistischer Ideologen".