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Beteiligung an mafiösen Strukturen, Etablierung eines Geldkarussells, Betrug: Die Liste der Vorwürfe gegen Benko und die Signa Holding ist lang. In gleich mehreren Ländern laufen Ermittlungen.
Einst galt er als einer der prominentesten Investoren Europas: René Benko. In Deutschland wurde der heute 47-Jährige schlagartig bekannt, als er 2014 die angeschlagene Warenhauskette Karstadt übernahm - für einen symbolischen Euro. Die Sanierung wurde nichts. Genauso wenig wie einige prestigeträchtige Bauvorhaben - etwa der unvollendete Elbtower in Hamburg.
In Österreich kam es jetzt zur Festnahme des früheren Milliardärs in dessen Innsbrucker Villa. Denn offenbar ging es bei der Signa-Gruppe nicht mit rechten Dingen zu. Nach der Pleite der von Benko gegründeten Signa Holding Ende 2023 türmten sich die verschiedenen Ermittlungsverfahren förmlich auf - gleich in mehreren europäischen Ländern und mit teils schweren Vorwürfen.
Neben Österreich sind auch in Italien, Liechtenstein und Deutschland Staatsanwaltschaften mit dem Fall befasst. Auf tagesschau.de-Anfrage antwortete Benkos Anwalt Norbert Wess nicht. Zuvor hatte er die Vorwürfe aber zurückgewiesen.
Was ist der Grund für die aktuelle Festnahme?
Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) teilte mit, dass sie eine Verdunkelungsfahr und eine Tatbegehungsgefahr bei Benko sieht. Das heißt: Sie fürchtet, dass Beweismittel weggeschafft oder neue Straftaten begangen werden könnten.
Auf die Spur gekommen seien sie Benko unter anderem durch abgehörte Telefonate, ausgewertete Nachrichten sowie Zeugenvernehmungen. Im Sommer vergangenen Jahres gab es zudem bereits mehrere Durchsuchungen.
Die Vorwürfe der österreichischen Staatsanwaltschaft
Die WKStA nennt in einer aktuellen Pressemeldung vier Komplexe, in denen sie konkret gegen Benko ermittelt:
- Kapitalerhöhung durch ein Geldkarussell
Benko soll Gesellschafter der Signa Holding GmbH zu weiteren Investments im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Gesellschaft verleitet haben. Dazu soll er vorgegeben haben, selbst weiteres Geld zuschießen zu wollen. Die WKStA glaubt aber: Er hat tatsächliche Investments von Gesellschaftern, "zum Teil [..] schlussendlich als seinen eigenen Beitrag zur Kapitalerhöhung ausgegeben." Dazu habe er Überweisungen über mehrere Unternehmen hinweg vorgenommen.
- Untreueverdacht im Fall der Villa Eden Gardone
Die Signa Holding GmbH soll eine luxemburgische Beteiligungsgesellschaft samt der dazugehörigen Gardasee-Villa (Villa Eden Gardone) an die liechtensteinische INGBE Stiftung verkauft haben, dies jedoch ohne ausreichenden Gegenwert. Es werde neben Beko auch gegen weitere Personen ermittelt.
- Verdacht der "betrügerischen Krida"
Dieser in Österreich bestehende Tatbestand bedeutet "im Wesentlichen eine betrügerische Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit durch eine Schuldnerin/einen Schuldner", heißt es im Lexikon der österreichischen Regierung im Web. Mittels der Laura Privatstiftung soll Benko Vermögenswerte verschleiert und dem Zugriff von Behörden und Gläubigern entzogen haben.
Benko ist nach Ansicht der WKStA "faktischer Machthaber und wirtschaftlich Berechtigter" jener Laura Privatstiftung. Außerdem soll Benko, so lautet der Vorwurf der Ermittler, weiteres Vermögen weggeschafft, verschleiert oder unter Wert verkauft haben - so dass für Gläubiger weniger Insolvenzmasse blieb. Die WKStA nennt explizit mutmaßlich gefälschte Rechnungen für drei hochpreisige Waffen.
- Investmentbetrug beim "Projekt Franz", München
Hierzu sagt die WKStA: "René Benko und ein weiterer Beschuldigter sollen Verantwortliche eines ausländischen Staatsfonds veranlasst haben, mittels Anleihen in das Immobilienprojekt "Franz" am Bahnhofsplatz München zu investieren". Die Spezialstaatsanwaltschaft glaubt aber, dass der Anleiheerlös nicht zur Gänze in das vereinbarte Projekt investiert, sondern ein Großteil des Geldes zweckwidrig verwendet wurde.
Welche Verfahren laufen in Deutschland?
Einen konkreten Überblick zu bekommen ist schwierig, weil die Signa Holding an diversen Orten investiert und agiert hat. Auch konkrete Namen von möglichen Beschuldigten werden nicht genannt. Drei Ermittlungsverfahren haben zuletzt aber Schlagzeilen gemacht.
Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen Insolvenzverschleppung, Betrug, Subventionsbetrug, Untreue und wegen des Bankrotts, wie ein Sprecher auf tagesschau.de-Anfrage mitteilte. Wann die Auswertung der Beweismittel abgeschlossen sein wird, sei angesichts der umfassenden und hoch komplexen Ermittlungen nicht absehbar, erklärte der Sprecher weiter. Das Verfahren scheint für die Ermittler aber durchaus ein besonderes zu sein. So hieß es: "Die Ermittlungen in dem Verfahren sind herausragend komplex und umfassend." Auch die Auswertung der Beweismittel binde bei der Staatsanwaltschaft umfangreiche Kapazitäten ein.
Die Staatsanwaltschaft München 1 sagte tagesschau.de, dass sie wegen der Tatvorwürfe des Betrugs und der Untreue ermittelt. Auch hier heißt es, dass die Ermittlungen sehr aufwändig sind. Es sei nicht absehbar, wann das Verfahren beendet werden kann.
Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es ein sogenanntes Vorermittlungsverfahren, und zwar wegen des Verdachts der Untreue. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum. Bei ihr ging Ende Februar 2024 eine anonyme Strafanzeige wegen konkreter Tatvorwürfe gegen Verantwortliche einer Warenhauskette ein, erklärte eine Sprecherin. Ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Essen wegen des Verdachts des Betruges habe man ebenfalls übernommen.
Welche Verfahren laufen im Ausland?
Die Behörden ermitteln in Liechtenstein und Italien. Wie der ORF im Dezember unter Verweis auf Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Trient zitierte, verdächtigt diese Benko, "Anführer einer mafiaartigen kriminellen Vereinigung" zu sein. Diese sei mit dem Ziel gegründet worden, Konzessionen und Genehmigungen zu erlangen, um daraus ungerechtfertigte Gewinne zu erzielen.
Insgesamt gäbe es Ermittlungen gegen 77 Personen, berichtete der ORF. Eine tagesschau.de-Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Trient zum Stand der Ermittlungen blieb unbeantwortet.