Kurz nach den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag erlebt die Ukraine erneut einen massiven russischen Luftangriff. Dabei wird auch das Wasserkraftwerk von Kiew getroffen. Nach Angaben der Behörden ist der Staudamm der Anlage aber weiter funktionsfähig.
Das Wasserkraftwerk am Stausee von Kiew ist nach ukrainischen Medienberichten durch einen russischen Luftangriff beschädigt worden. Die Nachrichtenagentur Unian in Kiew meldete den Treffer, nachdem in russischen Telegramkanälen ein Video der Schäden aufgetaucht war.
Demnach brannte es im Turbinenraum des Wasserkraftwerks, die Straße auf der Staumauer war beschädigt. "Es ist sinnlos, das zu verschweigen", schrieb die Nachrichtenagentur. Die Militärverwaltung des Kiewer Umlands bestätigte nach dem Luftangriff offiziell nur Schäden an zwei nicht näher bezeichneten Anlagen der Energieinfrastruktur. Laut dem deutschen Militärexperten Nico Lange traf mindestens ein Marschflugkörper die Anlage, ein weiterer stürzte ins Wasser.
Die ukrainischen Behörden versuchten, Befürchtungen vor einer möglichen Zerstörung der Staumauer zu zerstreuen. "Es gibt keine Bedrohung für den Damm des Kiewer Wasserkraftwerks. Es ist unmöglich, ihn mit Raketen zu zerstören", schrieb Andryj Kowalenko, Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation, auf Telegram. Die Lage sei nicht mit der Zerstörung des Staudamms von Kachowka in der Südukraine 2023 zu vergleichen. Dieser sei von innen gesprengt worden. In der Flutwelle waren Dutzende Menschen ertrunken. Das Wasser richtete schwere Schäden an.
Der Stausee des Dnipro nördlich der ukrainischen Hauptstadt, das sogenannte Kiewer Meer, hat eine Oberfläche von etwa 920 Quadratkilometern und fasst 3,7 Milliarden Kubikmeter Wasser. Bei Angriffen im Frühjahr sind unter anderem die Kraftwerksanlagen der Staustufen Dnipro und Saporischschja beschädigt worden.
Bei der jüngsten russischen Angriffswelle auf die Ukraine sind nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 100 Raketen verschiedener Typen sowie rund 100 Shahed-Drohnen iranischer Bauart zum Einsatz gekommen. In ersten Behördenberichten war von 5 Toten und 17 Verletzten in verschiedenen Landesteilen die Rede. Das Bombardement traf die Ukraine, als die Menschen nach dem Wochenende mit dem Unabhängigkeitstag wieder zur Arbeit gingen.
Selenskyj sagte, es habe sich wie bei den meisten vorangegangenen russischen Angriffen um eine "heimtückische" Attacke gehandelt, die auf wichtige zivile Infrastruktur abgezielt habe. Betroffen gewesen seien die meisten ukrainischen Regionen - von der Region Charkiw bis Kiew über Odessa und Regionen im Westen. Am Energienetz des Landes sei erheblicher Schaden entstanden. Nach Angaben von Ministerpräsident Denys Schmyhal schaltete der staatliche Energiebetreiber Ukrenerho als Notfallmaßnahme den Strom ab, um das System zu stabilisieren.