Der künftige US-Präsident Trump drohte bereits mehrfach anderen NATO-Staaten, ihnen die Unterstützung zu versagen. Sein designierter Vize Vance wiederholt dies in einem Interview, allerdings mit ganz anderer Begründung. Die EU dürfe nicht gegen Elon Musks Plattform X vorgehen.
Der künftige US-Vizepräsident, JD Vance, hat in einem Interview vor der US-Wahl europäischen NATO-Mitgliedern gedroht, ihnen die Unterstützung zu versagen, wenn die EU weiterhin gegen das Portal X von Elon Musk vorgeht. Das berichtet "The Independent". Im Gespräch mit dem Youtuber Shawn Ryan sagte Vance demnach, ein hochrangiger EU-Beamter habe dem Milliardär seinerzeit gedroht, ihn zu verhaften, wenn er den ehemaligen Präsidenten Donald Trump wieder auf Twitter (heute X) zulasse.
Bevor Musk das Portal kaufte, wurde Trump auf Twitter gesperrt. Grund war seine Rolle rund um die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 durch Hunderte seiner Anhänger. Ihm wird vorgeworfen, die Menschenmenge angestachelt zu haben. Nachdem Musk Twitter übernommen hatte, ließ er den Account von Trump wieder freischalten. Auch andere gesperrte Accounts, nicht selten von rechtsextremen Trump-Unterstützern, wurden ebenfalls entsperrt.
"Der Anführer, ich habe vergessen, welcher Beamte innerhalb der Europäischen Union es genau war, hat Elon diesen Drohbrief geschickt, in dem es im Grunde hieß: 'Wir werden Sie verhaften, wenn Sie Donald Trump eine Plattform bieten', der übrigens der wahrscheinliche nächste Präsident der Vereinigten Staaten ist", sagte Vance in dem noch vor den Präsidentschaftswahlen veröffentlichten Interview. Durch seine Wahl zum US-Präsidenten hat Trump künftig erheblichen Einfluss auf das Militärbündnis. Zudem hatte er seinerseits bereits mit der Aufkündigung der Unterstützung gedroht, sollten nicht alle anderen Mitglieder mindestens zwei Prozent ihres Haushaltes für Verteidigung ausgeben.
Vance: US-Hilfe an Bedingungen geknüpft
Vance schlug in Reaktion auf besagten Brief im Interview vor, die Unterstützung der USA für die NATO als Hebel zu benutzen, um die Europäer auf Linie zu bringen: "Wenn die NATO also will, dass wir sie weiterhin unterstützen, und wenn die NATO will, dass wir weiterhin ein gutes Mitglied in diesem Militärbündnis sind, warum respektiert ihr dann nicht die amerikanischen Werte und die Meinungsfreiheit?" fragte Vance. "Es ist verrückt, dass wir ein Militärbündnis unterstützen, wenn dieses Militärbündnis nicht für die Meinungsfreiheit eintritt. Ich denke, wir können beides tun. Aber wir müssen sagen, dass die amerikanische Militärstärke mit bestimmten Bedingungen verbunden ist. Eine davon ist die Achtung der Meinungsfreiheit, insbesondere bei unseren europäischen Verbündeten."
Musk wurde seinerzeit auch beschuldigt, missliebige Journalisten sperren zu lassen, seit er Twitter (jetzt X) übernahm. "Ich werde nicht in ein hinterwäldlerisches Land gehen und ihnen sagen, wie sie ihr Leben leben sollen", fügte Vance hinzu. "Aber europäische Länder sollten theoretisch die amerikanischen Werte teilen, vor allem in Bezug auf einige sehr grundlegende Dinge wie die Redefreiheit."
Laut dem 2024 Global Expression Report rangieren die USA bei der freien Meinungsäußerung weltweit auf Platz 26, während mehrere Mitglieder der Europäischen Union weiter oben auf der Liste stehen. An der Spitze steht Dänemark, gefolgt von der Schweiz und Schweden, Deutschland liegt auf Rang 9.
Musk unterstellt der EU Zensurversuche
Neben den Sperren für Journalisten und dem Freischalten von Accounts gesperrter Nutzer, störte sich die EU auch am Verifizierungssystem der Plattform. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton schrieb im Juli auf X, dass das Verifizierungssystem der Plattform für Nutzer mit blauen Haken irreführend sei: "Jetzt hat X das Recht, sich zu verteidigen - aber wenn sich unsere Ansicht bestätigt, werden wir Geldstrafen verhängen und erhebliche Änderungen verlangen", fügte er hinzu.
Musk reagierte damals mit den Worten: "Wir freuen uns auf einen öffentlichen Kampf vor Gericht, damit die Menschen in Europa die Wahrheit erfahren". Die Europäische Kommission habe X einen illegalen, geheimen Deal angeboten: "Wenn wir im Stillen zensieren, ohne es jemandem zu sagen, würden sie uns keine Geldstrafe auferlegen. Die anderen Plattformen haben dieses Angebot angenommen. X nicht", fügte Musk in einem anderen Beitrag hinzu. Worauf genau der Zensurvorwurf abzielt, ergibt sich nicht.
Eine Möglichkeit ist der bei zahlreichen US-Plattformen unbeliebte Digital Services Act (Gesetz über digitale Dienste) der EU. Dieses 2022 in Kraft getretene Gesetz kann X disziplinarisch belangen. Das Gesetz enthält eine Reihe von Vorschriften, die besagen, dass Plattformen die Verantwortung für den Schutz der europäischen Nutzer vor illegalen Inhalten (etwa Beleidigung und Bedrohung) und Desinformation übernehmen müssen.