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Energieverbrauch von KI: Kann Künstliche Intelligenz grün sein?



weltspiegel

Stand: 23.03.2025 08:02 Uhr

Europa will in Sachen KI nicht abgehängt werden und fördert die dafür nötigen Supercomputer. Der Strombedarf der Rechenzentren ist gigantisch. Ein Supercomputer in Luxemburg setzt trotzdem ganz auf erneuerbare Energie.

Christian Feld

Im Notfall dauert es nur 14 Sekunden: Sollte in Luxemburg der Strom für den Supercomputer Meluxina ausfallen, stellen sofort massive Batterien sicher, dass der Betrieb gesichert ist. Nach 14 Sekunden übernehmen dann Generatoren mit Diesel-Motoren, wie sie sonst in Schiffen zum Einsatz kommen.

Ein solcher Notfall ist die einzige Situation, in der die Betreiber des Hochleistungsrechners von ihrem Ziel abweichen müssen: Meluxina soll eigentlich nur mit grünem Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben werden.

Riesiger Energiebedarf

Supercomputer bieten besonders viel Rechenkraft, wie sie auch für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) benötigt wird. Doch mit jeder neuen Maschine steigt der Strombedarf.

KI und Energie: Es ist die andere Seite der Medaille bei einer Technologie, die Fortschritt und die Lösung von großen Problemen verspricht. In Irland beispielsweise lag der Anteil von Rechenzentren am Stromverbrauch erstmals über dem aller Privathaushalte zusammen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren im Jahr 2026 im Vergleich zu 2022 verdoppelt haben könnte.

Reicht die Energie? Steht der Stromhunger gegen die Ziele, zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu kommen? Das ist nicht das einzige Problem. "Wir verwenden viel Wasser, um diese Systeme zu kühlen", sagt Aimee van Wynsberghe, Professorin für Angewandte Ethik der Künstlichen Intelligenz an der Universität Bonn. Insgesamt befürchtet sie Auswirkungen auf die Artenvielfalt.

Strom aus Norwegens Wasserkraft

Besuch in Luxemburg. Hier haben sie sich bewusst dafür entschieden, Meluxina zu einem möglichst grünen Supercomputer zu machen. Eingekauft wird nur grüner Strom. "Dazu gehört dann bei uns nicht Nuklearenergie, weil wir auch da eine sehr klare Haltung haben", sagt Paul Konsbruck. Er leitet die Betreiberfirma LuxConnect, ein Unternehmen im Besitz von Luxemburg. Und so kommt der Strom vor allem von Wasserkraftwerken in Norwegen.

Seine Heimat hat Meluxina in einer auf den ersten Blick unspektakulären Halle in einem Industriegebiet, rund 30 Kilometer von der Luxemburger Innenstadt entfernt. Wer auch immer in die Herzkammer von Meluxina will, muss Valentin Plugaru an der Seite haben, der den Supercomputer konstruiert hat. Die Rechenleistung, so erklärt er, entspreche der von zehntausenden PCs zusammen.

Effizientester Energieverbrauch in Europa

Das Licht schimmert blau, in Metallschränken blinkt ein Lichtermeer, ein lautes Surren füllt den Raum. Die Kälte, die zum Kühlen der Maschine nötig ist, kommt von einem Biomasse-Kraftwerk auf der anderen Straßenseite.

Hier wird Altholz verbrannt: alte Möbel oder aus Wäldern. Nichts wird eigens gerodet. Beim Verbrennen entsteht neben Strom auch Abwärme, die dann in Kälte umgewandelt wird. Ein "Abfallprodukt", das der Energiebilanz des Supercomputers zu Gute kommt.

Im Rechenzentrum läuft seit Jahren das selbe Wasser zum Kühlen in einem geschlossenen Kreislauf. Das hält den Wasserverbrauch klein. Die Abwärme, die beim Betrieb des Rechenzentrums entsteht, nutzen sie zum Heizen des Gebäudes. Es gibt Ranglisten, welche Supercomputer am effizientesten im Energieverbrauch sind. Meluxina hatte hier schon einmal den Spitzenplatz in der EU.

EU-Netzwerk von neun Supercomputern

Die Europäische Union fördert ein Netzwerk von neun Supercomputern mit insgesamt drei Milliarden Euro. Acht sind bereits im regulären Betrieb, ein weiterer folgt noch. Meluxina wird gerade ausgebaut. Es soll hier eine sogenannte KI-Fabrik entstehen, ein Ökosystem für neue Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz.

Das Startup Helical hat bereits Zugriff auf den Rechner. Das junge Unternehmen will Pharma-Firmen helfen, neue Medikamente schneller und günstiger zu entwickeln. Im Computer wird getestet, was zum Erfolg führen könnte. Das bedeutet: weniger Laborexperimente, weniger Tests an Tieren.

Optimierung des Stromnetzes mit KI

Meluxina soll noch rechenstärker werden und wird daher noch mehr Strom brauchen. Und doch soll es beim eingeschlagenen Weg bleiben: keine fossilen Energieträger, kein Atomstrom.

Luxemburgs Wirtschaftsminister Lex Delles sieht im ARD-Interview in der KI neben dem Stromverbrauch auch die Möglichkeiten: "Sie kann uns gerade auch helfen, Energie einzusparen." Luxemburg versucht gerade, das eigene Stromnetz mit KI zu optimieren.

Das ist eine weitere Herausforderung neben dem enormen Energiebedarf. "Das ist keine Sache der Künstlichen Intelligenz allein. Es verschärft nur ein bestehendes Problem", sagt Peter Leibinger, der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel. Der Manager und Ingenieur kommt selbst aus dem Bereich Hightech: "Wir brauchen einfach ein Stromnetz, das konstant und verlässlich liefert."

Luxemburg setzt auf erneuerbare Energiequellen. Woanders auf der Welt sieht das anders aus. In den USA überlegen große Konzerne, herkömmliche oder neuartige Atomkraftwerke neben ihren Rechenzentren zu bauen.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat kürzlich bei seinem KI-Gipfel in Paris mit dem heimischen Atomstrom geworben. Der Hunger der KI nach Energie wächst vorerst weiter. Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz hängt also nicht nur an Geld oder verfügbaren Computer-Chips.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Weltspiegel - am Sonntag um 18.30 Uhr im Ersten.

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