20 hours ago

Einigung zwischen CDU/CSU und SPD: Selbst Markus Söder trumpft nicht auf: Fünf Lehren aus den Sondierungsgesprächen



CDU, CSU und SPD konnten in ihren Sondierungsgesprächen erste Einigungen erzielen – und wollen nun über eine Koalition verhandeln. Die wichtigsten Erkenntnisse.

CDU/CSU und SPD machen Tempo bei Sondierungsgesprächen

Dreizehn Tage nach der Bundestagswahl haben Union und SPD ihre ersten Gespräche abgeschlossen, sie sehen eine gemeinsame Grundlage für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Als Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU) und die beiden SPD-Parteichefs Lars Klingbeil und Saskia Esken am Samstagnachmittag vor die Kameras treten, haben sie ein 11-seitiges Sondierungspapier im Gepäck. In weniger als zwei Wochen haben sie in zahlreichen Feldern grundlegende Einigungen erreicht – mit einem Fokus auf Wirtschaft, Migration, Arbeit und Soziales. Doch auch das "Ankurbeln" der Bauwirtschaft, der Fortbestand des Deutschlandtickets, und die Wiedereinführung der sogenannten Sprachkitas finden sich im Papier. Das ging schnell. Man darf den Eindruck gewinnen, dass sich die beiden Parteien der dramatischen Zeiten, in denen wir leben, bewusst sind.

Keiner will den anderen übertrumpfen ­

Ein weiteres gutes Zeichen: Bei der Vorstellung der Sondierungsergebnisse will niemand den anderen übertrumpfen. Union und SPD gönnen sich die jeweiligen Punkte. Selbst Markus Söder, der sonst die Profilierung auf Kosten anderer nicht scheut, gibt sich in der Pressekonferenz versöhnlich. "Es gibt keine Gewinner, keine Verlierer", sagt der CSU-Chef, "aber mein Gefühl ist: neue Partner". Man habe sich als "Verantwortungsgemeinschaft" empfunden.

SPD-Chef Lars Klingbeil wagt sogleich einen großen, zuversichtlichen Ausblick: Wenn die beiden Parteien mit den jeweils unterschiedlichen "Grundsätzen, Standpunkten, Meinungen und auch Charakteren" es schafften, sich bei so wichtigen Fragen zu einigen, werde das Brücken-Bauen "auch anderswo in diesem Land gelingen". Viel Pathos – doch nach drei Jahren dauerstreitender Ampel-Regierung kann dieser Auftritt immerhin hoffen lassen, dass das kein Dauerzustand in Deutschland sein muss.

Richtige Härte – nur beim Bürgergeld

Beim Bürgergeld kündigen Union und SPD einen Politikwechsel an, der deutlich über eine Änderung des Namens hinausgeht. In der neuen "Grundsicherung für Arbeitssuchende" soll laut dem Sondierungspapier die Vermittlung in Arbeit wieder Vorrang bekommen, die Ampel hatte bei der Einführung des Bürgergelds vor allem auf Qualifizierung gesetzt.

Wer zumutbare Arbeit wiederholt ablehnt, muss außerdem damit rechnen, dass seine Leistungen auf Null gekürzt werden – eine Knallhart-Ansage an die wenigen Menschen, die das Bürgergeld ausnutzen wollen. Offen ist allerdings, wie eine solche Kürzung unter das Existenzminimum rechtsicher umgesetzt werden soll. Nach einem Urteil der Verfassungsrichter aus dem Jahr 2019 sind Kürzungen von mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs in der Praxis nicht mehr möglich.

Im Wahlkampf hatte die Union immer wieder auf Einsparpotentiale beim Bürgergeld hingewiesen. Wie viel die nun geplanten Verschärfungen am Ende im Haushalt sparen, ist noch offen. Doch feststeht, dass Union und SPD in einigen anderen Bereichen nicht unbedingt auf Konsolidierung zu setzen scheinen: Neben der Mütterrente und einer Prämie für die E-Mobilität findet sich in dem Papier auch eine Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und ein (wenn auch schwammig formuliertes) Bekenntnis zu 15 Euro Mindestlohn.

Migrationswende, aber light

Auch in der Migrationspolitik kündigen Union und SPD deutliche Verschärfungen an. "Wir werden vom ersten Tag unserer gemeinsamen Regierung die Grenzkontrollen massiv ausbauen", sagt CDU-Chef Friedrich Merz. Außerdem wollen Union und SPD den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzen, die Bundespolizei soll die Kompetenz bekommen, Ausreisepflichtige in Haft zu nehmen, und im Aufenthaltsgesetz soll wieder das Ziel der "Begrenzung" verankert werden.

Die von der Union angekündigten Zurückweisungen an der Grenze finden sich zwar ebenfalls in den gemeinsamen Plänen, allerdings mit einem wichtigen Zusatz: Die Zurückweisung solle in "Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" erfolgen. Das aber dürften die Nachbarländer nicht unbedingt akzeptieren wollen – wie eine solche Abstimmung also aussehen soll, dürfte sich erst in der Praxis zeigen. Der Knallhart-Plan, den Merz vor der Wahl ankündigte, ist das nicht. Auch an der von der Ampel eingeführten vereinfachten Einbürgerungspolitik will man nun, anders als von der Union zuvor gefordert, doch festhalten: "Wir halten an der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts fest", heißt es im Papier. 

Den wichtigsten Knackpunkt haben Union und SPD nicht allein in der Hand

Dafür, dass ihre Regierung überhaupt eine Chance auf Gelingen hat, sind Union und SPD allerdings auf andere angewiesen. Bereits am Dienstag hatten die beiden Parteien ein milliardenschweres Schuldenpaket angekündigt: ein Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro und eine Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Nur mit der Möglichkeit für mehr Schulden wird sich eine sinnvolle Regierungspolitik für die kommenden Jahre formulieren lassen. Allerdings braucht es für diese Änderungen des Grundgesetzes eine Zweidrittelmehrheit: Damit sind Union und SPD nicht nur auf die Zustimmung der Grünen und eine Mehrheit in der Länderkammer angewiesen, sondern auch darauf, dass das Verfassungsgericht am Ende keinen Strich durch die Rechnung macht.

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved