Er ist der wichtigste Kommentator der Kursk-Offensive: der tschetschenische Kommandeur Alaudinow. Dabei zeigt er sich wie Machthaber Kadyrow unbarmherzig, mächtig und gefährlich.
Als Kiew Anfang August Russland mit einer Invasion in der Grenzregion Kursk überraschte, schwieg die russische Militärführung. Der tschetschenische Kommandeur Apti Alaudinow hingegen verbreitete auf seinem Telegram-Kanal Optimismus: "Lasst uns ruhig bleiben, Popcorn essen und in aller Ruhe zusehen, wie unsere Jungs den Feind vernichten", beschwichtigte er am ersten Tag des Vormarsches. Seither entwickelte sich Alaudinow zum wichtigsten Kommentator der Kursk-Offensive.
Alaudinow kommandiert die Spezialeinheit Achmat, die mit ihren tschetschenischen Soldaten gegen die Ukraine kämpft. Der 50-Jährige veröffentlicht regelmäßig Videos, die aussehen, als wären sie an der Front gedreht worden. Sein Telegram-Kanal hat 275.000 Abonnenten und auch die russischen Medien verbreiten Alaudinows Botschaften weiter.
In ihnen versucht er, die Russen zu beruhigen, indem er zum Beispiel behauptete, dass "der Feind fast schon gestoppt" sei - zu einem Zeitpunkt, als die Ukrainer in Wahrheit weiter vorrückten. Mit Militärhelm oder Barett auf dem Kopf ist der Tschetschene inzwischen ein bekanntes Gesicht in den sozialen Medien.
"Diese seltsame Figur Alaudinow"
Der pro-ukrainische Telegram-Kanal Nexta nannte Alaudinow "den Militärexperten, dessen Prognosen sich nie erfüllen". Vor Kurzem prophezeite der Kommandeur, dass der Krieg gegen das Nachbarland in zwei bis drei Monaten beendet sein werde.
Das sei "eine unglaubliche Geschichte", schreibt Tichon Dsiadko, Journalist des unabhängigen russischen Exil-Senders Doschd, auf Telegram. "Ein Teil Russlands steht unter der Kontrolle eines anderen Staates, und der Hauptkommentator für das, was in der Region Kursk passiert, ist diese seltsame Figur Alaudinow."
Eine solche Medienpräsenz sei nur mit Zustimmung von ganz oben möglich, sind sich befragte Experten einig. "Ich bin überzeugt, dass das vom Kreml gesteuert wird", sagt Sarah Oates, Fachfrau für russische Propaganda an der US-Universität Maryland. "Bis jetzt passt das offensichtlich den Machthabern", urteilt Georgi Bowt, politischer Analyst in Moskau.
Ähnlich wie der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow scheint auch Alaudinow eine ungewöhnliche Redefreiheit zu genießen. Manche sehen ihn sogar als potenziellen Nachfolger des angeblich gesundheitlich angeschlagenen Kadyrow.
Ebenso gnadenlos wie Kadyrow
Alaudinow scheint genauso unbarmherzig wie Kadyrow. Als Eltern sich sorgten, dass ihre 18-jährigen Söhne in den Krieg gegen die Ukraine geschickt werden könnten, zeigte Alaudinow keinerlei Mitgefühl. Wenn diese jungen Männer "das Vaterland nicht verteidigen, wozu sollte euer Land euch und eure Kinder dann brauchen?", sagte er in einem Video.
Alaudinows Statements sind das Gegenteil der nüchternen Mitteilungen des Verteidigungsministeriums. "Er präsentiert Informationen emotionaler, und wahrscheinlich fällt es der Öffentlichkeit leichter, sie zu verarbeiten", sagt Analyst Bowt. Wissenschaftlerin Oates erinnern Alaudinows "ungeheuerliche, derbe Äußerungen" an den Stil des russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinen Anfangsjahren, als er ankündigte, "Terroristen selbst auf dem Klo abzuknallen". "Ich denke, er ist ein wirkungsvolles Sprachrohr der Propaganda", sagt Oates über den Tschetschenen.
Vorwurf der Entführung und Folter
Alaudinow wuchs in der Region Stawropol im Süden Russlands auf. Sein Vater und einer seiner Brüder wurden in den Tschetschenienkriegen getötet, als sie auf der Seite Moskaus kämpften. Später wurde Alaudinow Chef der tschetschenischen Polizei und stellvertretender Innenminister.
Die USA und weitere Länder werfen ihm Menschenrechtsverletzungen wie Entführung und Folter vor. Alaudinow sei "mächtig und gefährlich" und habe lange Kadyrows Leibgarde angehört, schrieb die unabhängige russische Zeitung "Nowaja Gaseta" 2016.
2021 entfernte Putin Alaudinow aus der tschetschenischen Regierung, weshalb vermutet wurde, dass er und Kadyrow sich zerstritten hätten. In den ersten Wochen des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 kündigte Kadyrow jedoch an, dass sein "lieber Bruder" tausend freiwillige Kämpfer aus Tschetschenien anführen werde.
Während Alaudinow als "Held Russlands" ausgezeichnet wurde, wird seine Achmat-Einheit als "TikTok-Armee" verspottet, weil sie in den sozialen Medien erfolgreicher sei als an der Front. Die Einheit, die Teil der russischen Nationalgarde ist, war zum Schutz jener Grenze abgestellt, über die die ukrainische Armee nach Kursk eindrang. In einem Video gab Alaudinow zu, dass Kiews Soldaten "gute Arbeit geleistet" hätten. "Das Einzige, was sie nicht bedacht haben, ist, dass Gott Russland liebt."