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Apple, Meta und Google drängen den künftigen US-Präsidenten Trump, gegen die "übereifrige" EU-Regulierung einzuschreiten. Weicht Brüssel nun von seiner harten Linie gegen die Tech-Giganten ab?
Nächste Woche kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück. Für die EU-Kommission könnte der 20. Januar eine Zeitenwende bedeuten, was die Regulierung großer Digitalkonzerne angeht, denn die US-Tech-Riesen haben mit Trump einen mächtigen Fürsprecher gewonnen.
Apple, Meta und Google drängen Trump, gegen das - aus ihrer Sicht - "übereifrige" Vorgehen der EU einzuschreiten. Ihre Hoffnung: Der Republikaner könnte Druck auf die EU-Kommission ausüben, um die Regulierung der großen Tech-Unternehmen zu lockern oder gar rückgängig zu machen.
DMA-Untersuchungen auf der Kippe?
Tatsächlich scheinen in Brüssel einige Beamten und Diplomaten ordentlich Respekt vor dem künftigen US-Präsidenten zu haben - das legt zumindest ein Bericht der Financial Times (FT) nahe. Verwunderlich ist das nicht: Immerhin verfolgte Trump bereits während seiner ersten Amtszeit einen äußerst konfrontativen Ansatz gegenüber der EU. Stehen jetzt also die Untersuchungen unter dem Digital Markets Act (DMA) auf der Kippe?
Ziel des am 7. März 2024 in Kraft getretenen EU-Gesetzes ist es, den Wettbewerb auf digitalen Märkten zu stärken und den Marktmissbrauch großer Tech-Unternehmen zu vereiteln. Im vergangenen März hatte Brüssel unter dem DMA direkt Ermittlungen gegen Apple, Google und Meta eingeleitet.
Was ist der Digital Markets Act?
Mit dem Digital Markets Act (DMA) - deutsch: Gesetz über digitale Märkte - trat am 7. März 2024 eine neue EU-Regulierung für besonders mächtige digitale Plattformen in Kraft. Ziel ist es, den Wettbewerb auf digitalen Märkten zu stärken und den Einfluss großer Tech-Unternehmen wie Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft zu beschränken.Bei Verstößen gegen den DMA kann die EU-Kommission Bußgelder bis zu einer Höhe von zehn Prozent - im Wiederholungsfall sogar von bis zu 30 Prozent - des weltweiten Jahresumsatzes verlangen. Als Ultima Ratio ist sogar eine Zerschlagung des Konzerns vorgesehen.
Ein völlig neues Spiel für die EU
Dem FT-Bericht zufolge will die EU-Kommission diese Ermittlungen nun aber neu bewerten. Diese Überprüfung könnte dazu führen, dass Brüssel den Umfang der Untersuchungen reduziert oder ändert, so die Zeitung unter Berufung auf Insider. Alle Entscheidungen und potenziellen Bußgelder würden während der Überprüfung ausgesetzt, die technische Arbeit an den Fällen werde aber fortgesetzt.
"Es wird ein ganz neues Spiel werden, wenn diese Tech-Oligarchen Trump so nahestehen und uns damit unter Druck setzen", sagte ein hochrangiger EU-Diplomat gegenüber der FT. "Im Moment ist so viel in der Luft." Zwei weitere EU-Beamte betonten, die Brüsseler Regulierungsbehörden warteten nun auf politische Anweisungen, um endgültige Entscheidungen in den Fällen Google, Apple und Meta zu treffen.
Die Kommission erklärte hingegen, sie sei "weiterhin voll und ganz der wirksamen Durchsetzung" ihrer Regeln verpflichtet. "Es gibt keine Verzögerungen beim Abschluss der eröffneten Fälle von Nichteinhaltung, und schon gar nicht aufgrund politischer Erwägungen", sagte ein EU-Sprecher der FT.
Trump droht mit höheren Zöllen
Doch Experten zufolge könnte es für die EU künftig durchaus schwierig werden, dem Druck aus den USA standzuhalten. Denn Trump dürfte es kaum bei verbalem Geplänkel belassen; bereits vor seiner Amtseinführung hatte der Republikaner Strafzölle auf Produkte aus der EU angekündigt.
Um den neuen US-Präsidenten in puncto Handels- und Zollpolitik milder zustimmen, könnte die EU-Kommission womöglich zu Zugeständnissen bei der Umsetzung des DMA bereit sein.
Tech-Konzerne dürften vom Vestager-Abschied profitieren
Den Tech-Konzernen kommt dabei auch zupass, dass für die EU-Kommission im Dezember eine neue Amtsperiode begonnen hat. Die Dänin Margrethe Vestager und der Franzose Thierry Breton, die beide eine harte Linie gegenüber US-Technologieunternehmen vertraten, gehören der neuen EU-Kommission nicht mehr an.
Vor allem die dänische Liberale Vestager hatte das Wettbewerbsrecht in den vergangenen zehn Jahren immer wieder dazu benutzt, um den US-Tech-Konzernen ihre Grenzen aufzuzeigen und ihnen Milliardenstrafen aufzubrummen.
Vestager war von 2014 bis 2024 EU-Kommissarin für Wettbewerb.
Zwar agierte Ursula von der Leyen, die dem Gremium als Präsidentin erneut vorsteht, in der Vergangenheit ebenfalls als Verfechterin eines starken regulativen Rahmens. Doch könnte sie unter dem politischen wie wirtschaftlichen Druck der neuen Trump-Regierung gezwungen sein, ihre Strategie in Bezug auf die Tech-Unternehmen anpassen.
Wird der DMA jetzt abgeschafft?
Dass der DMA komplett abgeschafft wird, ist allerdings extrem unwahrscheinlich - zu hoch sind die politischen und juristischen Hürden. Selbst eine Änderung des Gesetzes scheint nur schwer machbar. Dazu bedürfte es nämlich einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, der vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU geprüft und angenommen werden müsste. Eine politische Mehrheit, die gegen den DMA ist, wäre somit sowohl im Parlament als auch im Rat nötig. Doch danach sieht es aktuell so gar nicht aus.
Die EU-Kommission müsste also möglicherweise pragmatische Lösungen zu finden, um die Beziehungen zu den USA nicht unnötig zu belasten. In diesem Szenario könnte der DMA einfach weniger streng oder weniger zügig umgesetzt werden, um die wirtschaftlichen Interessen von Tech-Unternehmen nicht allzu stark zu beeinträchtigen.
Wie Zuckerberg den neuen US-Präsidenten umgarnt
Unterdessen erhöhen einige US-Tech-Unternehmen weiter den Druck auf Trump, in ihrem Sinne zu agieren. So forderte Mark Zuckerberg, Chef des Facebook-Konzerns Meta, den gewählten Präsidenten kürzlich auf, Brüssel daran zu hindern, US-Technologieunternehmen zu bestrafen.
Um Trump auf seine Seite zu ziehen, hat Zuckerberg zuletzt zahlreiche Maßnahmen ergriffen: So fuhr er erst am Wochenende die Maßnahmen seines Konzerns für Chancengleichheit und Diversität zurück - nach der Lockerung von Hassrede-Regeln und dem geplanten Stopp von Faktenchecks in den USA.
Die Verbraucher als Verlierer?
Die Chefs des Silicon Valley dürften Trump weiter umgarnen - in der Hoffnung auf den Beginn einer Ära lockererer Technologieregulierung. Für die EU-Kommission läuft es derweil auf eine politische Entscheidung hinaus: Ist sie willens, ihr Gesetz gegen den Marktmissbrauch großer Tech-Konzerne zu verteidigen? Und falls ja, welchen Preis wird sie dafür zahlen müssen?
Fakt ist: Sollte die EU einknicken, so wären in erster Linie die Nutzer die Leidtragenden. Denn darum geht es letzten Endes im DMA: mehr Auswahl und bessere Preise für Verbraucher.