Der Messerangriff von Solingen heizt die Asyl-Debatte in Deutschland weiter an. Die Regierung will mit einem "Sicherheitspaket" gegensteuern. Doch vielen reicht das nicht.
Nach dem islamistisch motivierten Messerangriff von Solingen mit drei Toten und acht Verletzten haben die Kommunen vom Bund mehr Abschiebungen gefordert und drängen auf eine entsprechende "Task Force". Es sei richtig, die Anstrengungen zu verstärken, dass Menschen ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger der "Rheinischen Post". Eine "Task Force Abschiebungen" würde die Prozesse demnach beschleunigen und effizienter gestalten. Bislang sind Abschiebungen Ländersache, auch wenn die Länder sich bei der Durchführung Unterstützung der Bundespolizei holen.
Berghegger kritisierte zudem, dass die Kommunen in die Migrationsberatungen nicht unmittelbar eingebunden seien. Sie müssten mit am Tisch sitzen, wenn Entscheidungen über Migration und Sicherheit getroffen werden. Die Gespräche von Regierung, Opposition und Ländern sind für Dienstag anvisiert. Bereits beim Migrationsgipfel am vergangenen Dienstag hatten die Kommunen auf eine Beteiligung gepocht.STERN PAID 41_23 Grenzfall 14.00
Unterdessen hat sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen ausgesprochen, wenn den Beamten der Bundespolizei daraus "im Nachgang keinerlei rechtliche Probleme entstehen". Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, verwies gegenüber der "Rheinischen Post" zugleich darauf, dass "die Bundespolizei bereits jetzt am Limit arbeitet und eine weitere Belastung nicht auf Dauer zu leisten wäre".
Deutschland mit Asylbewerbern "überfordert"
Auch hochrangige Politiker halten eine Begrenzung der Aylanträge für nötig. Kurz vor einem erneuten Gesprächstermin der Bundesregierung mit der Union über die Migrationspolitik haben sich sowohl CSU-Chef Markus Söder als auch FDP-Chef Christian Lindner dafür ausgesprochen, die Zahl der Asyl-Erstanträge auf unter 100.000 zu reduzieren. Söder sagte am Sonntagabend in der ARD, Deutschland sei "mit den Folgen und der Integration überfordert". Die AfD-Bundestagsfraktion beschloss derweil ein Positionspapier, in dem sie den Kampf gegen "illegale Masseneinwanderung" als Thema Nummer eins vor der Bundestagswahl benennt.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Söder forderte am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" mit Blick auf die jährlichen Asyl-Erstanträge hierzulande: "Insgesamt muss die Zahl deutlich auf weit unter 100.000 auf Dauer reduziert werden, weil wir tatsächlich überfordert sind" – und dies "nicht nur, was Kitas betrifft und Schulen und Wohnungen".Interview Marquardt Asyldebatte 8.35
Deutschland sei "auch zum Teil kulturell überfordert", fügte Söder hinzu. "In vielen deutschen Städten fühlen sich auch die deutschen Einwohner gar nicht mehr zuhause."
Lindner: Zurückweisung dringend nötig
FDP-Chef Lindner sagte im "Bericht aus Berlin" zu den Forderungen, die Zahl der Asyl-Erstanträge auf unter 100.000 zu reduzieren: "Die Zahl kann ich mir zu eigen machen." Er sei in der Migrationspolitik bereit, "dass wir alles tun, was politisch, rechtlich und logistisch möglich ist". So müsse es "eine Form der Zurückweisung geben".
Lindner beharrte auf ein Mitspracherecht seiner Partei in der Migrationsdebatte. Auf die Frage, inwieweit Scholz zur Durchsetzung von Zurückweisungen an der Grenze seine Richtlinienkompetenz einsetzen sollte, antwortete er: "Das wird nicht funktionieren, in Koalitionsregierungen mit 'Basta'-Argumenten zu arbeiten."
Der CDU warf der FDP-Chef mit Blick auf die Migrationsdebatte vor, "dass da versucht wird, parteipolitischen Gewinn zu erzielen, dass da taktisch gearbeitet wird". Die CDU werde beim Thema Einwanderung jedoch nichts gewinnen, sagte der Bundesfinanzminister. "Sie kann höchstens die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht stärken."Asylpolitik Schweden Dänemark 9.30
AfD macht Migrationspolitik zum Wahlkampfthema
Die AfD-Bundestagsfraktion benennt die Migrationspolitik als eines der wichtigsten Themen bis zur für September 2025 geplanten Bundestagswahl. In ihrem am Sonntag beschlossenen Positionspapier fordert sie unter anderem einen "lückenlosen Grenzschutz" – "notfalls auch durch den Einsatz von Grenzzäunen" – sowie die konsequente Zurückweisung und Abschiebung illegaler Einwanderer. Für Menschen, die aus sicheren Drittstaaten oder ohne Ausweisdokumente einreisen, dürfe es keine Asylverfahren geben, heißt es in dem Papier.
CDU-Chef Merz macht für das Treffen mit der Bundesregierung am Dienstag zur Voraussetzung, dass das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP davor auf seine Forderungen insbesondere bei den Zurückweisungen eingeht. Kanzler Scholz entgegnete, die von Merz geforderten Zurückweisungen an der Grenze gebe es schon.
Scholz zeigte sich aber offen für Nachschärfungen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Freitag wurden seit Oktober 2023 an den deutschen Grenzen mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen.