Mit Aserbaidschan lädt erneut ein Fossil-Verfechter zum Klimagipfel. Seinen Wohlstand verdankt das Land Öl und Gas. Mit dem Klima kann es die Regierung also nicht ernst meinen, oder?
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass die Welt weg muss von Öl und Gas, wenn sie sich selbst retten möchte. Wissenschaftler und Aktivisten predigen das schon jahrelang. Bei der Klimakonferenz in Dubai im vergangenen Jahr zementierte die Staatengemeinschaft nun genau das: den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter. Bei den Verhandlungen in Baku wollen die Delegierten an die damaligen Beschlüsse anknüpfen. Aber kann da gut gehen?
Aserbaidschan ist der dritte autokratische Gastgeber in Folge – wieder ein Ölstaat, dem seine fossilen Interessen heiliger sind als das Wohl von Planet und der Menschheit, oder? "Wir sind auf dem Weg in den Ruin", sagte Muchtar Babajew in seiner Eröffnungsrede. Der Klimawandel sei "bereits da", es handele sich "nicht um zukünftige Probleme".STERN PAID COP28 Abschlussdokument17.00
Trotzdem befürchten Beobachter und Aktivisten, dass es Aserbaidschan mit dem Klimaschutz nicht so genau nimmt.
Aserbaidschan möchte seine fossile Geschichte fortführen
Der Petrostaat pflegt eine fast zweihundert Jahre alte fossile Geschichte. Öl, und seit 1999 auch Gas, haben dem Land im Südkaukasus zu neuem Wohlstand verholfen, ebenso den anderen Staaten in der angrenzenden Golfregion. Die Ölförderung startete Aserbaidschan in den 1840er-Jahren, ein Jahrzehnt später entstand dort die erste Ölraffinerie der Welt. Zum Jahrhundertwechsel stammte fast jedes zweite Fass mit dem schwarzen Gold weltweit aus Aserbaidschan.
Heute machen Öl- und Gasexporte etwa 90 Prozent der aserbaidschanischen Exporte und 60 Prozent des Staatshaushaltes aus. Gleichzeitig weht ein grünes Lüftchen durch den Petrostaat. So verabschiedete die Regierung 2021 ein Gesetz zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen, das Solar- und Windparks mithilfe ausländischer Investoren fördern soll. Insgesamt geht die Regierung ihre grünen Projekte aber höchstens halbherzig an. Wenn Europa bis 2050 klimaneutral sein will, sollen die Emissionen in Aserbaidschan um 40 Prozent gesunken sein. Kritiker behaupten außerdem, dass Aserbaidschan die Erneuerbaren nur nutzen möchte, um mehr Öl und Gas für Exporte bereitstellen zu können.
Schätzungen zufolge versiegen die fossilen Reserven unter dem Petrostaat in den kommenden 25 Jahren. Das schwarze Gold möchte Aserbaidschan bis dahin noch in bares Geld verwandeln. Knapp drei Wochen vor der Klimakonferenz in Baku wurden Berichte öffentlich, wonach die Regierung und der Staatskonzern Socar die Gas- und Ölproduktion erhöhen wollen. 400 Milliarden Kubikmeter Gas soll beispielsweise in den kommenden zehn Jahren im Kaspischen Meer gefördert werden, berichtet die Umweltorganisation Urgewald. Zum Vergleich: 2021 förderte das Land insgesamt 30,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas.Vor Klimakonferenz: Aktivisten kritisieren Festnahmen in Aserbaidschan
Vor der Klimakonferenz wird Aserbaidschan deshalb kritisch beäugt, auch von Politikern aus Europa. Dabei ist es gerade die Europäische Union, die das fossile Geschäft Aserbaidschans weiter ankurbelt: Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde der Staat im Südkaukasus zum wichtigsten Energielieferanten für Europa. Bis 2027 sollen die Gaslieferungen weiter verdoppelt werden.
Es fällt allen schwer, sich von den Fossilen zu lösen
In einer Deklaration hat Aserbaidschan die zentralen Themen des anstehenden Gipfels ausgeklammert und durch eigene Forderungen ersetzt. Damit könnte die Regierung in Baku von den eigentlichen Themen und Zielen des Klimagipfels ablenken, den Druck senken und eine Einigung bei der umstrittenen Klimafinanzierung behindern. Die Organisationen Transparency International und Datenkollektiv für Korruptionsbekämpfung (ACDC) warnen in einem neuen Bericht zudem vor dem Einfluss fossiler Energiekonzerne. Korruption und die "autokratische Regierung" könnten den Verhandlungen schaden, heißt es darin. Die Organisationen befürchten, dass die COP29 von fossilen Lobbyisten für neue Deals missbraucht werden könnten.
Die Erfahrungen des vergangenen Klimagipfels sprechen dafür: Obwohl sie dem schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Energien zustimmten, zementierten die Gastgeber ihre Öl-Interessen, um die Produktion in den kommenden Jahren deutlich zu steigern. Eigentlich hatte sich die sogenannte COP-Troika, bestehend aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Aserbaidschan und dem künftigen Gastgeber Brasilien, gebildet, um die Zusammenarbeit bei den weltweiten Klimaverhandlungen und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu intensivieren. Eine aktuelle Untersuchung verwies allerdings darauf, dass die COP-Troika ihre Förderung fossiler Energieträger bis 2035 um 36 Prozent (Brasilien), 34 Prozent (VAE) und 14 Prozent (Aserbaidschan) erhöhen will. Damit würden sie gegen den Beschluss der COP28 verstoßen.Paid Cop27 Weltklimakonferenz Kritik 18.10
Mit einer Sternstunde, wie sie die Klimapolitik 1997 in Kyoto oder 2015 in Paris erfuhr, ist wohl kaum zu rechnen. Pessimisten sprechen von einer Greenwashing-Veranstaltung, bei der Aserbaidschan sein Organisationstalent unter Beweis stellen und mit anderen Staaten fossile Kontakte pflegen kann.
COP29 startet mit gescheitertem Klimaziel
Wochen vor dem Klimagipfel in Baku ist das Pariser Momentum verflogen. Die Weltgemeinschaft ist auf dem besten Weg, das 1,5-Grad-Ziel Ende des Jahres zu reißen. Das Klimaziel von Paris ist damit gescheitert. Von der Nachhaltigkeit ist heute kaum noch etwas zu spüren. Doch das dürfte nicht nur an Öl- und Gasstaaten liegen, sondern auch an Industriestaaten im Globalen Norden, die auf der einen Seite die grüne Transformation vorantreiben wollen, aber über Handelsbeziehungen mit dem Südkaukasus und den Golfstaaten den fossilen Energieträgern treu bleiben.