Im Wahlkampf traut sich kaum eine Partei, öffentlich über den Klimaschutz zu sprechen. Selbst die Grünen halten sich zurück – obwohl sich Bürger das Gegenteil wünschen.
Dem Klimaschutz geht es wie dem Sex: Alle wollen ihn, aber öffentlich darüber reden will freilich niemand.
Laut einer repräsentativen Umfrage der Klima-Allianz wünscht sich die Hälfte der Deutschen, dass sich die Bundesregierung mehr für den Klimaschutz einsetzt. Dreiviertel der Befragten forderten vor allem staatliche Investitionen für die Katastrophenhilfe.
Die Parteien haben das Thema derweil stillschweigend zum Tabu erklärt. In den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien ist der Klimaschutz zur Randnotiz mutiert. Und wer ihn doch anspricht, lässt kein gutes Haar an dem Thema.Grüne fordern Änderung beim Klimaschutzgesetz 6.07
So stellte Friedrich Merz die Produktion von grünem Stahl so deutlich in Frage, dass sich seine Aussage bereits als Absage interpretieren ließ. Dafür erntete der Unionsspitzenkandidat viel Kritik und ruderte wieder zurück. Noch drastischer äußerte sich AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, die alle Windkraftwerke abreißen lassen wollte. Nach Kritik lenkte auch sie ein.
Als der Klimaschutz noch angesagt war
2021 war das noch anders: Der Klimawandel wurde von fast allen Parteien als größte Herausforderung unserer Zeit anerkannt. Die Klimabewegung erlebte unter der Führung von Fridays for Futre ihren Höhepunkt. Dementsprechend wurde der Klimaschutz zum Wahlkampfthema Nummer Eins:Kommentar Kampagne FFF 17:40
- Die Grünen besannen sich auf ihre Wurzeln als Ökopartei und warben als Verfechter des Klimaschutzes um Stimmen der Wähler.
- Die Sozialdemokraten setzten noch einen obendrauf und gingen mit Olaf Scholz als ersten "Klima-Kanzler" in der Geschichte Deutschlands in den Wahlkampf.
- Die Liberalen bekräftigten in ihrem Wahlprogramm: "Den Klimawandel bewältigen wir mit German Mut, nicht mit German Angst!"
- Die Linken gingen mit einem 15-Punkte-Plan für eine wirksame Klimaschutzpolitik an den Start.
Das Klimamoment ist verfolgen
Vier Jahre nach der Klimawahl lässt sich mit dem Thema offenbar keine Wahl mehr gewinnen. Das Klimamoment scheint verfolgen, obwohl das Jahr 2024 erneut mit schlechten Nachrichten für den Planeten endete: Niemals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war es so warm wie 2024. Niemals in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen war es so nass gewesen wie 2024.
In den Worten der FDP: Niemals gab es mehr zu tun.
Die vergangene Legislatur, die eigentlich dem Klimaschutz gewidmet werden sollte, hat in dieser Hinsicht aber mehr Baustellen hinterlassen als beseitigt.
Vor allem für den selbsternannten "Klimakanzler" Olaf Scholz ist es eine peinliche Bilanz: Die Klimaziele wurden unter seiner Regierung verfehlt, allein im Verkehrssektor wurden sie in der laufenden Legislatur dreimal gerissen. Dem Vizekanzler Robert Habeck hängt unterdessen die Kritik an seinem Heizungsgesetz nach. Außerdem hat es der Minister versäumt, ein Kraftwerksgesetz durchzubringen, das den Ausbau der Erneuerbaren beflügelt und eine Renaissance von Kohle- und Atomstrom verhindert. Bei vielen Bürgern hinterließ die Klimapolitik der Ampel-Regierung den Eindruck, dass der Klimaschutz mehr kostet, als nutzt.
Abseits dessen hat die Klimabewegung Rückschläge erlitten: Fridays for Future erntete massive Kritik, als sich Gründerin Greta Thunberg pro-palästinensischen Protesten anschloss. Unterdessen verärgerte die Letzte Generation Tausende Bürger mit ihren Klebeaktionen auf den Straßen.
Der Klimaschutz ist zum Tabu geworden. Der Klimawandel bleibt ein Dauerbrenner. Ob der Schutz des Planeten in Deutschland wieder sexy wird, entscheidet sich womöglich frühestens am 23. Februar.